Straßenbahn-Fahrgast in Essen ins Koma geprügelt „Ich konnte mich nicht mehr bremsen“

Straßenbahn-Fahrgast in Essen ins Koma geprügelt: „Ich konnte mich nicht mehr bremsen“
Lesezeit

Es müssen unfassbare Szenen gewesen sein, die sich im September letzten Jahres in einer Essener Straßenbahn abgespielt haben. Ein Fahrgast wird von zwei Männern ins Koma geprügelt. In der Anklage ist von minutenlangen, rhythmischen Schlägen die Rede. Seit Donnerstag beschäftigt der Gewalt-Exzess das Essener Landgericht. Angeklagt sind zwei 20 und 33 Jahre alte Männer. Sie sind über sich selbst erschrocken.

„Ich habe die Kontrolle über mich verloren“, sagte der Jüngere den Richtern. „Meine Freundin hat geschrien: Hör auf, hör auf, hör auf. Aber ich konnte nicht aufhören. Ich habe schwarzgesehen. Ich konnte mich nicht mehr bremsen.“

Angebliche Provokation

Die Angeklagten hatten sich auf einer Geburtstagsfeier kennengelernt. Es wurde getrunken und gelacht, dann machte man sich gemeinsam auf den Heimweg. Auch die Freundinnen der beiden rumänischen und polnischen Männer waren mit dabei.

Warum es in der Straßenbahn zum Streit gekommen ist, ist nicht ganz klar. Anwältin Susanne Rüsken, die den älteren der beiden Angeklagten vertritt, sprach zum Prozessauftakt von Provokationen. Das Opfer habe die Angeklagten beleidigt und auch ausländerfeindliche Worte von sich gegeben. Die anschließende Eskalation könne sich ihr Mandant aber auch nicht erklären.

Auf dem Rückweg vom Derby

„Er ist über sich selbst erschrocken und entsetzt“, so Rüsken. „Er kann sich nicht erklären, was in dem Moment in ihn gefahren ist. Er erkennt sich selbst nicht wieder.“

Laut Anklage war das 35 Jahre alte Opfer mindestens anderthalb Minuten ohne Bewusstsein. Die Ärzte hatten später Rippenbrüche, Hämatome im Gesicht, zwei abgeschlagene Zähne, eine Augenverletzung und ein akut lebensgefährliches Schädel-Hirn-Trauma festgestellt. Glück im Unglück: Der 35-Jährige, der auf der Rückfahrt vom Revierderby Dortmund-Schalke war, hatte das Krankenhaus auf eigenen Wunsch schnell wieder verlassen können.

Alles auf Video

Die beiden Angeklagten waren damals aus der Straßenbahn geflüchtet. „Wir müssen hier raus.“ So oder so ähnlich sollen sie sich ausgedrückt haben. Nach ihnen war später bundesweit gefahndet worden – auch mit Hilfe der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“. Die Überwachungskameras der Straßenbahn hatten die gesamte Tat aufgezeichnet.

Die Festnahmen waren schließlich im Januar 2023 erfolgt - rund vier Monate nach der Tat. Der 33-Jährige ist inzwischen wieder auf freiem Fuß. Der Jüngere sitzt weiter in U-Haft. Die Anklage der Essener Staatsanwaltschaft lautet auf versuchten Totschlag – auch, weil dem Opfer zu allem Überfluss auch noch gegen den Kopf getreten wurde. Eine Tötungsabsicht haben die Angeklagten allerdings bestritten. Mit den Urteilen ist voraussichtlich Ende August zu rechnen.

Auto prallt in Essen gegen Straßenbahn: Fahrer in Wagen eingeklemmt

Nach „Aktenzeichen XY... ungelöst“: Zwei Männer nach Angriff in Straßenbahn festgenommen

Gewaltattacke in Essener Bahn: Polizei veröffentlicht Fotos der Täter