
© Jörn Hartwich
Mutter quält Vierjährigen: „Mama, was hast Du getan?“
Prozess
Eine fünffache Mutter aus Essen steht wegen Kindesmisshandlung vor Gericht. Was sie getan hat, ist unfassbar traurig.
Es müssen dramatische Szenen gewesen sein, die sich vor rund zwei Jahren in einer Essener Wohnung abgespielt haben. Eine fünffache Mutter lässt ihre ganze Wut immer wieder an ihrem zweitjüngsten Sohn aus. Der Junge war erst vier Jahre alt. Seit Donnerstag steht die 36-Jährige in Essen vor Gericht und sagt: „Ich erkenne mich selbst nicht wieder.“
Schnittwunden im Mund
Die Ärzte hatten damals zahlreiche Verletzungen festgestellt. Der ganze Körper des kleinen Jungen war mit Hämatomen übersät, der Mittelfuß gebrochen, ein Auge zugeschwollen. Es gab Schnittverletzungen im Gesicht, am Hals, an den Armen und sogar am Gaumen. Die Angeklagte soll ihrem Sohn eine Schere in den Mund gesteckt und ihn dann geschlagen haben. Außerdem wurden Verbrennungen und Verbrühungen an den Händen und am Rücken festgestellt.
„Die Angeschuldigte hatte das Gefühl für das Leiden ihres Kindes verloren“, heißt es in der Anklage.
Sie selbst hat zum Prozessauftakt am Essener Landgericht von Überforderung gesprochen. „Ich habe die Kontrolle verloren“, hieß es in einer von ihrem Verteidiger verlesenen Erklärung. „Ich erschrecke mich über mich selbst.“ Sogar ihre Tochter habe sei einmal entsetzt gefragt: „Mama, was hast du getan?“
Sohn blieb bei Flucht zurück
Die Familie war 2015 aus Afghanistan geflüchtet. „Wir wurden von den Taliban bedroht“, so die 36-Jährige. Viel Zeit blieb offenbar nicht. Die Angeklagte machte sich mit ihrem Mann und ihren drei Kindern auf den Weg gen Westen. Ihr gerade geborener Sohn (das spätere Opfer) blieb bei der Oma.
In Deutschland angekommen, fiel sie nach eigenen Angaben in ein emotionales Loch. „Ich musste einen Teil von mir zurücklassen – mein Kind“, hieß es in ihrer Erklärung. „Es kam mir so vor, als wurde mir mein Kind entrissen.“
„Als Mutter nicht akzeptiert“
Vier Jahre hat es gedauert, bis sie ihren Sohn nach Deutschlands nachholen konnte. Doch die Eingewöhnung war schwer. „Ich fühlte mich maßlos überfordert“, so die Angeklagte. „Ich hatte das Gefühl, dass er mich als Mutter nicht akzeptiert.“
Auch ihr Ehemann habe sie nicht unterstützt. Er habe anfangs nur an seine Arbeit gedacht, dann mehr und mehr Alkohol getrunken.
Die Angeklagte hat die Taten „vom Grundsatz her“ eingeräumt. Ihre Kinder waren nach Bekanntwerden der Vorwürfe damals sofort aus der Wohnung geholt worden. Der Vierjährige soll durch die Misshandlungen ein Trauma erlitten haben. „Eine psychiatrische Behandlung ist unerlässlich“, heißt es in der Anklage.
Der Ehemann der 36-Jährigen sitzt übrigens mit auf der Anklagebank. Ihm wird vorgeworfen, seine Kinder nicht vor seiner Frau geschützt zu haben. Mit einem Urteil ist voraussichtlich Ende April zu rechnen.