Moskaus Aufgebot gegen den Westen „Der vierte russische Panzer knackt den Leopard“

Moskaus Aufgebot gegen den Westen : „Der vierte russische Panzer knackt den Leopard“
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Plötzlich ging alles ganz schnell: Bundeskanzler Olaf Scholz gab grünes Licht für den Export deutscher Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine, dann kündigten auch die USA offiziell die Lieferung von Abrams-Panzern an. Immer mehr Nato-Partner erklärten daraufhin, der Ukraine Dutzende Leopard-Panzer zu überlassen. Zwischen 100 und 150 Kampfpanzer sollen nun in den nächsten Wochen die Ukraine erreichen, damit die ukrainischen Streitkräfte ihr Land gegen den russischen Vernichtungskrieg verteidigen können. In Moskau reagierte man verärgert, Kremlsprecher Dmitir Peskow warf dem Westen vor, zunehmend selbst zur Kriegspartei zu werden. Dabei bereitet sich Russland schon seit Wochen darauf vor, den westlichen Waffen etwas entgegenzusetzen.

In der größten Panzerfabrik der Welt in der russischen Stadt Nischni Tagil werden inzwischen rund um die Uhr Panzer gebaut und repariert. Die Verluste in der Ukraine sind enorm und Moskau ist gezwungen, große Mengen an Material nachzuliefern. „Züge mit Hunderten neuen gepanzerten Kampffahrzeugen rollen in die Ukraine“, sagt der Militärexperte Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Russland habe noch sehr große nationale Reserven, die offenbar reaktiviert wurden. „Auch wenn es sich nicht um das neueste Material handelt, sind es große Mengen“, so Oberst a. D. Richter im Gespräch mit dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND).

Ukraine hatte zweitstärkste Panzerarmee Europas nach Russland

Zu Beginn des russischen Großangriffs am 24. Februar 2022 hatte die Ukraine die zweitstärkste Panzerarmee Europas nach Russland. Sie verfügte über mehr als 1100 aktive Kampfpanzer. „Damit hatten sie eine Ausgangsstärke, die viermal so groß war wie die Panzerstärke der Bundeswehr“, so Richter. Durch den Ringtausch wurden die zerstörten Panzer nach und nach durch andere sowjetische Panzer aus Altbeständen des Westens ausgeglichen. Doch damit ist nun Schluss, da auch diese alten Sowjetpanzer in den Depots des Westens zur Neige gehen. Jetzt erhält die Ukraine westliche Panzer, und die sind den Sowjetpanzern Russlands deutlich überlegen.

Um den westlichen Panzern in ukrainischen Händen etwas entgegenzusetzen, kann Russland nur auf Masse setzen. „Die russische Doktrin des Panzerkampfes war schon immer eine Doktrin der Masse“, erklärt Gardekommandant Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer im Gespräch mit dem RND. „Man brauche, so die Überlegung, vier russische T‑72, um einen westlichen Leopard zu zerstören“, sagt Reisner. „Drei T‑72 werden zerstört, aber der vierte Panzer knackt den Leopard.“ Diese russische Philosophie hinter der Massenproduktion von Panzern gelte auch heute noch.

Russland kann nur durch Masse mithalten

Die russische Armee verfügte zu Beginn des Krieges noch über rund 3300 Panzer, von denen in der Ukraine etwa 1300 zerstört wurden. Jetzt laufen die Reparaturarbeiten auf Hochtouren. „Ich schätze, dass Russland noch zwischen 10.000 und 11.000 Panzer auf Lager hat, die gerade zum Teil repariert werden“, sagt Reisner dem RND. In den nächsten Wochen und Monaten werde Russland etwa 2000 weitere Panzer erhalten, schätzt der Experte. Damit stünden der Ukraine also bald 4000 russische Panzer gegenüber.

„Die Russen wissen, dass sie nicht technologisch mithalten können, sondern nur durch schiere Masse“, sagt Reisner. Deshalb würden sie darauf setzen, möglichst viele Panzer in die Ukraine zu verlegen und anzugreifen, noch bevor die westlichen Kampfpanzer die Ukraine erreichen. „Es ist durchaus möglich, dass die westlichen Panzer zu spät oder in zu geringer Zahl eintreffen.“

Geschwindigkeit und Zahl seien nun die wichtigsten Faktoren bei den Panzerlieferungen, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner Videoansprache in der Nacht zu Freitag. Auch deutsche Politiker dringen darauf, der Ukraine so schnell wie möglich die zugesagten Leopard-Panzer zur Verfügung zu stellen und ukrainische Soldatinnen und Soldaten auszubilden. „Wenn wir die Ukraine in die Lage versetzen wollen, eine russische Frühjahrsoffensive abzuwehren und die Kontrolle über ihr Staatsgebiet zurückzuerlangen, müssen wir ihr in ausreichender Stückzahl Leopard 2 zur Verfügung stellen“, sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter dem RND. „Verteidigungsminister Pistorius muss gemeinsam mit unseren europäischen Partnern dafür sorgen, dass ausreichend Munition vorhanden und die Wartung und Instandsetzung sichergestellt ist.“ Ebenso müsse Deutschland „umgehend mit der Ausbildung der ukrainischen Besatzungen“ beginnen, forderte Hofreiter.

Am Freitag waren die ersten ukrainischen Soldaten für die Ausbildung am Schützenpanzer Marder in Deutschland eingetroffen. Wann Soldatinnen und Soldaten der Ukraine auch am Leopard 2 ausgebildet werden, ist noch unklar. „Die Ausbildung der Panzerbesatzungen dauert etwa acht bis zwölf Wochen“, erklärt Reisner. Er geht davon aus, dass die Ukraine Soldatinnen und Soldaten in die Leopard-Ausbildung schickt, die bereits an ukrainischen und vormals sowjetischen Modellen ausgebildet wurden, also Erfahrung mitbringen.

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