Mordversuch und Flucht nach Polen Wie der Messerstecher aus Unna zur Aufgabe gebracht wurde

Er wollte nach Polen: Abenteuerliche Flucht nach Mordversuch in Unna
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Er muss den Kopf verloren haben, vermutlich auch deshalb, weil zu viel Alkohol darin Wirkung zeigte. Im Streit stach ein 33-jähriger Mann mehrfach mit dem Messer auf einen Freund ein.

Der anrückenden Polizei entzog sich der Angreifer mit einer abenteuerlichen Flucht. Er wollte nach Polen. Und kam bis Brandenburg. Dort ließ sich der mutmaßliche Täter von seinem Fahrer an einer Polizeistation absetzen.

Zu der Situation, die Polizei und Staatsanwaltschaft aus Dortmund nun in einer gemeinsamen Erklärung schildern, ist es bereits am vergangenen Donnerstagabend (4.04.) gekommen. Gegen 23.30 Uhr vernahm eine Bewohnerin eines Mehrfamilienhauses an der Gertrudenstraße einen lauten Streit in der Wohnung unter der ihren. Der Lärm muss so bedrohlich gewirkt haben, dass sie eine Gewalttat annahm und die Polizei rief.

Als die Polizei kam, verschwand der Angreifer durchs Fenster

Tatsächlich fanden die Beamten den Wohnungsinhaber schwer verletzt vor. Von seinem Angreifer aber fehlte jede Spur. Die zunächst verschlossene Wohnungstür ließ annehmen, dass das Opfer den Täter freiwillig hereingelassen hatte. Das geöffnete Fenster zur Rückseite des Gebäudes machte dann klar, wie der Angreifer das Haus verlassen hatte. Beim Herannahen der Polizeiwagen hatte der Mann Reißaus genommen. Der Ausstieg aus dem Fenster sollte sich erst als Beginn einer abenteuerlichen Flucht erweisen.

Streit eskaliert unter Alkoholeinfluss

Wie und warum es zu der Gewalttat gekommen ist, ist bislang nicht restlos geklärt – auch deshalb, weil das Opfer des Angriffes bislang noch nicht vernommen werden konnte. Die Messerstiche hatten ihn zwar nicht lebensbedrohlich, aber doch schwer verletzt. Inzwischen befinde sich der Mann auf dem Wege der Besserung. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, heißt es von der Staatsanwaltschaft Dortmund.

Ein Verletzter wird zum Rettungswagen gebracht (Symbolfoto). Nach einer Messerattacke in Königsborn am vergangenen Donnerstag konnte der Geschädigte bislang nicht vernommen werden.
Ein Verletzter wird zum Rettungswagen gebracht (Symbolfoto). Nach einer Messerattacke in Königsborn am vergangenen Donnerstag konnte der Geschädigte bislang nicht vernommen werden. © picture alliance / citynewstv/dpa-Zentralbild/dpa

Bekannt ist bislang, dass Opfer und Täter tatsächlich miteinander bekannt waren. Der Abend könnte als freundschaftlicher Besuch begonnen haben, bei dem auch Alkohol floss und sich plötzlich ein Streit entwickelt hat. Dieser eskalierte dann so sehr, dass der 33-jährige Besucher auf seinen Gastgeber losging und mehrfach mit dem Messer auf ihn einstach.

Freundschaftsdienst: „Fahr mich nach Polen“

Nach dem Sprung durchs Fenster muss sich der Angreifer schnell genug aus dem Nahbereich begeben haben, um der Polizei vor Ort entgehen zu können. Für seine weitere Flucht organisierte er sich einen Fahrer. Der „dritte Mann“, der bei der Begegnung von Täter und Opfer nicht zugegen war, willigte ein, seinen Bekannten unmittelbar und zügig nach Polen zu bringen – irgendwann nachts nach 23.30 Uhr.

Rund 540 Kilometer lang ist die Fahrt von Unna zur polnischen Grenze an der A2 (hier auf einem Archivbild). Gut 400 davon hatte der Messerangreifer auf dem Beifahrersitz eines Freundes bereits hinter sich, als er sich dazu bewegen ließ, seine Flucht abzubrechen.
Rund 540 Kilometer lang ist die Fahrt von Unna zur polnischen Grenze an der A2 (hier auf einem Archivbild). Gut 400 davon hatte der Messerangreifer auf dem Beifahrersitz eines Freundes bereits hinter sich, als er sich dazu bewegen ließ, seine Flucht abzubrechen. © picture alliance/dpa

Seine Ehefrau rief den Fluchthelfer zur Ordnung

Es ist nicht klar, was der Fluchtfahrer von den vorausgegangenen Ereignissen wusste und ob ihm dafür selbst etwas anzulasten ist. Am Ende hatte er zumindest einen gewissen Anteil daran, den Messerstecher zum Abbruch seiner Flucht und zur Aufgabe zu bringen.

Durch die anlaufende Polizeiarbeit erhielt auch die Ehefrau des Fluchtfahrers Anhaltspunkte dafür, zu was für einem Freundschaftsdienst ihr Mann mitten in der Nacht aufgebrochen war. Mit eindringlichen Worten am Telefon soll sie ihn dazu aufgefordert haben, seinen Bekannten zur Aufgabe zu bewegen. Und so kam es dann auch.

Ein Blick in den Innenhof der Justizvollzugsanstalt in Brandenburg/Havel. In der drittgrößten Stadt des Bundeslandes Brandenburg hatte sich der Messerangreifer aus Unna der Polizei gestellt. Von dort aus wurde er nach Dortmund überstellt (Symbolbild).
Ein Blick in den Innenhof der Justizvollzugsanstalt in Brandenburg/Havel. In der drittgrößten Stadt des Bundeslandes Brandenburg hatte sich der Messerangreifer aus Unna der Polizei gestellt. Von dort aus wurde er nach Dortmund überstellt (Symbolbild). © picture alliance / Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa

Untersuchungshaft: Verdacht des versuchten Totschlags

Nach über 400 Kilometern Fluchtfahrt über die Autobahn setzte der dritte Mann den Blinker rechts. In Brandenburg an der Havel, einer 73.000-Einwohner-Stadt westlich von Berlin, lieferte der Fahrer seinen Bekannten an einer Polizeistation ab. Dort stellte sich der 33-Jährige den Beamten, die ihn festnahmen und seine Rückführung in Richtung Dortmund veranlassten.

Daheim in Westfalen hat das Amtsgericht Dortmund inzwischen auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl erlassen wegen des dringenden Tatverdachtes des versuchten Totschlags. Der 33-Jährige sitzt nun in Untersuchungshaft.

Mordversuch in Unna: Flucht des Täters bis ans andere Ende von Deutschland