Angeblich entlaufene Löwin wohl nur Wildschwein Polizei beendet die Suche in Berlin

Möglicherweise Löwin entlaufen: Polizei sucht in Berlin nach Raubtier
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Am Donnerstagmorgen (20.7.) lesen Menschen in Berlin eine erschreckende Nachricht. Im Süden von Berlin, in der Gemeinde Kleinmachnow, soll in der Nacht ein Wildtier entlaufen sein - es könnte sich nach Angaben der Polizei um eine Löwin handeln, sagte ein Polizeisprecher in Brandenburg. Auch in der Nacht und am Freitagmorgen (21.7.) suchte die Polizei weiter nach dem Tier.

Entwarnung von der Polizei

Nachdem die Suche am Freitagmorgen fortgeführt wurde, gab die Polizei am Mittag Entwarnung. Im geprüften Gebiet gebe es keine Hinweise auf eine Löwin, sagte Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD). Es gebe keine Gefährdungslage mehr, teilte der Bürgermeister am Freitag bei einer Pressekonferenz mit. Die Polizei bestätigte diese Einschätzung. Sämtliche Suchmaßnahmen hätten keine Hinweise ergeben. Auch eine Analyse des weithin bekannten Videos habe ergeben, dass darauf wohl keine Löwin zu sehen sei - sondern wahrscheinlich ein Wildschwein. „Nach allem menschlichen Ermessen gehen wir davon aus, dass es keine Löwin ist“, sagte Grubert.

Bereits zuvor hatten sich die Zweifel an der Löwen-Theorie gehäuft. Mehrere Experten hatten ihre Skepsis geäußert, etwa der Berliner Wildtierexperte Derk Ehlert. Er sagte dem RBB-Inforadio, dass er auf dem Video lediglich zwei Wildschweine von links nach rechts laufen sehe.

Kein Löwengebrüll

Zwischenzeitlich erhielt die Polizei Hinweise auf Löwengebrüll. Diese bestätigten sich nach Angaben der Polizei in der Nacht auch nicht. Der Lärm stellte sich stattdessen als Scherz von Jugendlichen mit einem Lautsprecher raus. „Das hilft weder der Gemeinde noch der Polizei“, sagte dazu ein Polizeisprecher.

Aufwändige Suche nach der Löwin

Polizisten laufen im Bereich der südlichen Landesgrenze von Berlin.
Rund 200 Polizisten suchten in Berlin nach dem angeblich entlaufenden Löwen. © picture alliance/dpa

Am Donnerstagnachmittag war bereits der Königsweg im Bezirk Steglitz-Zehlendorf gesperrt worden. Zuvor gab es Hinweise, dass sich die Löwin im Bereich des Waldfriedhofs Zehlendorf befindet, wie die Polizei über Twitter mitteilte. Die Gegend ist dann abgesucht worden. Es fanden sich jedoch weder Hinweise oder Spuren, dass das Tier sich dort tatsächlich befunden hat. Das gesuchte Raubtier wurde am Donnerstag möglicherweise erneut im Grenzgebiet zwischen Berlin und Brandenburg gesichtet. Das sagte eine Sprecherin der Berliner Polizei.

Es sollten Nachtsichtgeräte und eine Nachtsichtdrohne eingesetzt werden. „Wir werden so lange im Einsatz sein, bis das Tier gefunden ist“, sagte Sprecherin Ostertag. Der Einsatz konzentrierte sich auf den Bereich Zehlendorf, wo es die möglichen Sichtungen gab.

Gemeinde suchte Spurenexperten

Bei der Suche nach dem entlaufenen Raubtier wollte die Gemeinde Kleinmachnow südwestlich von Berlin auf die Hilfe von professionellen Tierspurensuchern setzen - ein solcher Einsatz war am Freitagmorgen aber noch unklar. „Wir müssen erstmal einen finden“, sagte die Sprecherin der Gemeinde Kleinmachnow zur Suche nach solchen Experten. Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) sagte am Donnerstagabend im RBB, professionelle Tierspurensucher sollten den Wald durchforsten.

Über allem lag die Frage: Woher kommt die Löwin? Aus den Zoos, Tierparks und Zirkussen dieser Region jedenfalls nicht, wie die Polizei in der Nacht herausfand. Dort vermisste niemand eine Großkatze. Private Halter seien in Kleinmachnow nicht bekannt, sagte Bürgermeister Michael Grubert (SPD) bei einer Pressekonferenz. Er sprach von einer „ernsten Lage“.

Mit Lautsprecherdurchsagen der Polizei und durch Warn-Apps wurden die Anwohnerinnen und Anwohner gewarnt. Sie sollten ihre Wohnungen vorerst nicht verlassen. Auch von Spaziergängen in Wäldern sollten sie absehen, sagte ein Sprecher der Polizeidirektion West.

Gemeinde Kleinmachnow reagierte

Die ruhige Gemeinde Kleinmachnow, die direkt an Berlin grenzt, wurde von der Suche kalt erwischt. „Wenn ich heute Morgen nicht früh angerufen worden wäre um 6.00 Uhr von einer Person der Feuerwehr, bei der ich wusste, dass die mir nicht um 6.00 Uhr eine Geschichte erzählt (...), hätte ich zuerst an einen Scherz geglaubt", sagte Bürgermeister Michael Grubert. „Es ist halt ein etwas anderer Arbeitstag. Ich bin noch nicht zu dem gekommen, was ich wollte."

Am Donnerstagmorgen wirkte in der Gemeinde laut einem dpa-Reporter alles völlig normal. Von der Suche nach einem gefährlichen Raubtier war kaum etwas zu merken. Radfahrer waren unterwegs, Spaziergänger mit Hunden, Menschen auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen. Auf Baustellen wurde gearbeitet. Bereits in der Nacht waren Hubschrauber für die Suche im Einsatz.

Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert
Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert informierte über die Suche nach einem angeblich entlaufenen Raubtier. © picture alliance/dpa

Die Gemeinde versuchte, das alltägliche Leben möglichst laufen zu lassen, ohne zu große Gefahren einzugehen. So ließ Kleinmachnow die Kindergärten offen, bat aber, dass die Kinder auf dem Gelände bleiben. Der Wochenmarkt wurde verkleinert. Ein Café im Zentrum sollte die Türen geschlossen halten. Das Leben ging normal weiter, viele Leute waren auch zu Fuß oder per Rad unterwegs. Was auf die Suche nach einer Löwin hindeutete, war die Polizei, die teils präsent war.

Die geplante Open-Air-Veranstaltungen der Gemeinde am Wochenende sollte wegen der Suche aber vorsorglich nach innen verlegt werden. Solange die Gefahr einer freilaufenden Löwin besteht, finden der Kinosommer und ein Konzert am Wochenende nicht im Freien, sondern in einem Rathaus-Saal statt, wie die Gemeinde mitteilte.

Keine Löwin vermisst

Woher das angeblich entlaufene Raubtier stammen sollte, wusste die Polizei nicht. Es seien Zoos, Tierparks, Zirkusse und Tierschutzeinrichtungen überprüft worden. „Es wird keine Löwin vermisst“, sagte am Donnerstag ein Sprecher der zuständigen Polizeidirektion.

Einsatzkräfte suchten mit Hubschraubern in Kleinmachnow und angrenzenden Gemeinden nach dem Tier. Wer das Tier sehe, sollte zur Sicherheit umgehend ins Haus oder Auto gehen und die Polizei informieren.

Was wäre mit der Löwin geschehen?

Eine Sprecherin des Landkreises Potsdam-Mittelmark sagte, es seien eine Tierärztin und zwei Jäger mit Waffen mit vor Ort gewesen. Wenn man das Tier gefunden hätte, wäre entschieden, ob man mit Betäubung arbeite oder es erschießen müsse. Kleinmachnows Bürgermeister setzte auf einfangen und wenn nötig betäuben.

Die Tierärztin schilderte mögliche Probleme: Wenn man so einen Löwen mit dem Pfeil trifft, fällt er nicht direkt um und schläft ein. Bis zur Betäubung dauere es einige Minuten, auch abhängig von der Art des Narkosemittels.

Theoretisch denkbar wäre auch ein Abschuss gewesen. „Je nachdem wie die Situation wahrscheinlich von Tierarzt und Polizei eingeschätzt wird, wird das Tier in solchen Situationen auch erschossen. Dabei muss natürlich die Sicherheit gegeben sein, dass da keine Menschen in der Nähe sind. Das ist auch nicht so einfach", sagte May.

Wie verhält man sich bei einer Begegnung mit einem Löwen?

Ein Wildtierexperte hat den Anwohnerinnen und Anwohnern geraten, bei einer Begegnung mit der Löwin nicht plötzlich zu agieren. Das Wichtigste sei, dass die Tiere das Gefühl haben, die Kontrolle über die Situation zu behalten, sagte Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung.

Was vermieden werden müsse, sei der Überraschungseffekt, wenn etwa eine Löwin plötzlich mit einem Menschen konfrontiert werde. Daraus könnten sich Reaktionen ergeben, weil sich das Tier gefährdet fühlt und sich deswegen eventuell verteidigen würde.

Löwe im Käfig
Die private Haltung von Löwen und anderen Raubkatzen ist in Deutschland erlaubt, aber Tierschützer kritisieren sie. © picture alliance / Christoph Schmidt/dpa

Dürfen Löwen privat gehalten werden?

Wie Florian Eiserlo, Wildtierexperte der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“, der Rheinischen Post am Donnerstag mitteilt, sei es in Deutschland nicht verboten Tiere wie Löwen als Haustier zu halten. Dass ein Raubtier also frei herumlaufen kann, könne dadurch möglich sein.

Eiserlo erklärt, dass man die Haltung natürlich anmelden müsse und auch eine Baugenehmigung brauche. In manchen Bundesländern seien das nur 100 Quadratmeter für einen Puma oder 200 für einen Tiger. „Das ist nicht sonderlich riesig“, sagt er der Rheinischen Post.

In Brandenburg ist die Haltung von 23 Löwen angemeldet. Das teilte das Landesumweltamt auf Anfrage mit. Dabei handle es sich um Zirkusse, Zoos und Privathaltung.

Eine Gefahrtierverordnung, die das Halten von Raubkatzen umfasst und ähnlich wie bei Hunden Ge- und Verbote ausspricht, gebe es in Brandenburg nicht. Die Veterinärämter erfahren laut Behörde von der Haltung in der Regel nur bei gewerblichen Tierhaltungen.

Die private Haltung von Wildtieren ist nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Tierschutz- und im Naturschutzrecht geregelt. Die Haltung exotischer Tiere wird darüber hinaus teilweise durch Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geregelt - das ist Ländersache.

Zuletzt diskutiert wurde das Thema 2020 im Zusammenhang mit Tigern. Die Netflix-Dokumentation „Tiger King“, in der es um Raubkatzenzucht geht, behandelt die Haltung der Tiere. „Auch in Deutschland ist die Privathaltung nicht grundsätzlich verboten: In vielen Bundesländern ist es derzeit noch möglich, einen Tiger oder Löwen im Garten zu halten, wenn die Haltung den Richtlinien entspricht“, sagt die Tierschutzorganisation Peta.

Peta kritisiert die Haltung der Raubkatzen als Haustiere. Die Tiere sollten nicht als „Statussymbol“ missbraucht werden. In Gefangenschaft sei eine artgerechte Haltung der Wildtiere nicht möglich.

dpa/quel/bani

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