Seit fünf Tagen lebt ein Holzwickeder Paar an einem Dortmunder Friedhof im eigenen Auto. Für eine Übergangsunterkunft hätten sie ein Opfer bringen müssen. Dazu waren sie aber nicht bereit.

Holzwickede

, 26.04.2021, 17:45 Uhr / Lesedauer: 3 min

Kein Bett, keine Dusche und erstmal keine Perspektive: Ein Paar aus Holzwickede findet sich seit Donnerstag in einer denkbar traurigen Lage wieder. Seitdem es per Zwangsvollstreckung aus der bisherigen Wohnung in Holzwickede geholt wurde, schläft und wohnt es in seinem eigenen Auto.

Dort haben es sich der Mann und die Frau, die aus Selbstschutz gerne anonym bleiben möchten, so gut es geht gemütlich gemacht. Ihr Kombi steht auf dem Parkplatz des Dortmunder Kortenfriedhofs in Aplerbeck. Auf den vorderen Sitzen und auf der Rückbank liegen Decken und Kissen für die Nacht bereit.

Geduscht haben sie seit Donnerstag nicht – seit jenem Tag, an dem sie faktisch obdachlos wurden. Bei einem Gespräch am Montag schilderten sie, wie es aus ihrer Sicht zu dieser Situation kommen konnte – und sie gewähren einen Einblick in ihr mobiles Übergangsheim.

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Juristisch ist der Sachverhalt jedenfalls noch nicht abgeschlossen, wie das Paar erklärt. Fest steht auf jeden Fall, dass es eine lange Historie zwischen ihnen und den Eigentümern der Immobilie gibt, in der sie in der vergangenen Woche noch gewohnt haben.

Vorübergehend obdachlos: Neuer Mietvertrag gilt erst ab dem 1. Juli

Ihre Miete, so versichern sie, hätten sie jedenfalls immer bezahlt. Der Ursprung ihrer Misere liege in einer Mitteilung ihres Vermieters, der schon vor mehr als zwei Jahren wegen Eigenbedarfs das Mietverhältnis gekündigt hatte. 2019 sei der Mietvertrag dann ausgelaufen. Seitdem zog sich ein Rechtsstreit mit der Eigentümerfamilie in die Länge. In dieser Zeit hat das Paar nach eigenen Angaben lange Zeit vergeblich nach einer neuen Wohnung gesucht. Nach Monaten der Suche haben sie dann eine neue Wohnung gefunden. Der Mietvertrag beginnt aber „erst“ am 1. Juli.

Einem Paar aus Holzwickede stehen schwierige Wochen bevor. Sie wohnen momentan in ihrem geparkten Auto, bis sie am 1. Juli eine neue Wohnung beziehen können.

Einem Paar aus Holzwickede stehen schwierige Wochen bevor. Sie wohnen momentan in ihrem geparkten Auto, bis sie am 1. Juli eine neue Wohnung beziehen können. © Carlo Czichowski

Am 22. März dieses Jahres hätten sie dann eine Mitteilung bekommen, in der eine Zwangsräumung angekündigt wurde, die schließlich am vergangenen Donnerstag dann auch vollzogen worden ist. Ein Schritt, den sie nach eigenen Angaben so nicht haben kommen sehen.

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Seitdem ist das Paar regelrecht gestrandet, lebt in der eigenen Karosserie. Am Dortmunder Kortenfriedhof, wo sie ihr Auto momentan geparkt haben, dürfen sie eigentlich nicht bleiben, weil dort nachts nicht geparkt werden darf. Gerade nach 22 Uhr, wenn die Ausgangssperre greift, haben sie Angst davor, vor den Behörden in Erklärungsnot zu geraten.

Ihr Anwalt versuche zwar derzeit die Zwangsräumung anzufechten. Wie gut ihre Chancen stehen, wissen sie allerdings nicht. Die einzige Möglichkeit, die ihnen geboten wurde um die Obdachlosigkeit abzuwenden, haben sie jedenfalls abgelehnt.

Wie Holzwickedes Erster Beigeordneter Bernd Kasischke auf Nachfrage mitteilte, ist der Gemeindeverwaltung der Sachverhalt bekannt. Die Gemeinde, so berichtet er, sei mit Blick auf die drohende Obdachlosigkeit ihrer Verpflichtung nachgekommen und habe dem Paar angeboten in einer von zwei Asylunterkünften (an Bahnhofstraße oder Mühlenstraße) unterzukommen.

Das Paar bestätigt diese Schilderungen, hat das Angebot aber abgelehnt, weil es ansonsten seinen Hund hätte abgeben müssen. „In unseren Unterkünften sind nun mal keine Hunde erlaubt“, sagt Kasischke. An die Hausordnung müssten sich dort alle halten.

Eine mögliche Lösung zugunsten des Hundes abgelehnt

Für die beiden wohnungslosen Holzwickeder war es aber keine Option, den einjährigen Golden Retriever abzugeben. Stattdessen lebt er nun mit ihnen im Auto. Nach eigenen Angaben gehen sie mehrfach am Tag mit ihm Gassi. Im Tierheim, so befürchten sie, würde es ihm deutlich schlechter gehen.

Hier kann das Holzwickeder Paar seine Notdurft verrichten: an der Toilette des Kortenfriedhofs in Dortmund-Aplerbeck. Auf dem naheliegenden Parkplatz haben sie ihr rollendes Heim geparkt.

Hier kann das Holzwickeder Paar seine Notdurft verrichten: an der Toilette des Kortenfriedhofs in Dortmund-Aplerbeck. Auf dem naheliegenden Parkplatz haben sie ihr rollendes Heim geparkt. © Carlo Czichowski

Was ihre Situation erschwert, ist dass sie nach eigenen Angaben beide mit Krankheiten zu kämpfen hätten. Die als Putzfrau arbeitende Holzwickederin habe Diabetes und eine Herzerkrankung, wegen der sie ihren Hund als Therapiehund nutze. Nach Angaben von Holzwickedes Beigeordnetem Bernd Kasischke sei diese Behauptung in Frage zu stellen, weil in solchen Fällen der entsprechende Therapiehund von der Hundesteuer befreit sei. In diesem Fall sei das jedenfalls nicht so.

Dem Mann, der als Fernkraftfahrer tätig ist, machen zudem schon länger starke Rückenschmerzen zu schaffen. Er sei deshalb momentan krankgeschrieben. Die Nächte auf der Sitzbank im Auto sind für ihn kaum erträglich: „Wir liegen hier wie ein Fragezeichen“, sagt er im Gespräch, fasst sich ein ums andere Mal an den Rücken.

„Wir brauchen nicht viel“

Das Paar hält seine Situation für nicht zumutbar, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es eine Lösung mit Dach über dem Kopf gibt, bei der sie ihren Hund behalten dürfen. „Wir brauchen nicht viel. Nur einen Raum, ein Klo und eine Dusche“, sagt die verzweifelte Frau.

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So lange sich eine solche Möglichkeit nicht auftut, müssen sie in den nächsten acht Wochen wohl weiterhin im Auto wohnen. Zumindest

so lange, bis sie in ihre neue Wohnung ziehen können - oder sie ihren Hund eben doch abgeben.

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