Jörg Obeling kämpft gegen höhere Altersgrenze für Feuerwehrleute Mit 62 topfit ins Risiko?

Jörg Obeling kämpft gegen höhere Altersgrenze für Feuerwehrleute
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Es gibt Einsätze, die gehen Rettern nicht mehr aus dem Kopf. Jörg Obeling (56), seit 36 Jahren Feuerwehrmann, kann einen Brand in der Victoriastraße nicht mehr vergessen. Viele Jahre ist das her. Kinder waren noch in einer Wohnung, die bereits voll in Flammen stand. Jörg Obeling hat eines der verbrannten Opfer gesehen. Ein Bild, das der dreifache Vater nicht mehr los wird.

Wie groß die seelische und körperliche Belastung ist, weiß Obeling nicht nur aus eigener Erfahrung. Als Vertrauensmann und Personalrat begleitet er etliche Kollegen. Zurzeit macht er gegen die von der Landesregierung geplante gesetzliche Anhebung der Altersgrenze in den Feuerwehren mobil. Mit Kollegen der Gewerkschaft Ver.di organisiert er den Protest.

Belastung steigt

Aufgrund des Fachkräftemangels will die Landesregierung das Renteneintrittsalter gestaffelt anheben. Bisher gehen Feuerwehrleute mit 60 Jahren in den Ruhestand. Nun sollen die 13.500 Beamtinnen und Beamten im mittleren Dienst mit 61 Jahren und die 2500 Feuerwehrleute im gehobenen Dienst mit 62 Jahren in Rente gehen. Jörg Obeling kann da nur den Kopf schütteln: „Ab 50 beginnen die amtsärztlichen Untersuchungen“, berichtet er. Bei mehreren Feuerwehrleuten habe er sich gefragt, ob sie überhaupt noch mit 60 Jahren ihre Einsätze schaffen.

Die Belastung sei gestiegen, sagt der Personalrat: „Die Schutzbekleidung ist besser und schwerer geworden. Damit gehen wir heute bei bis zu 1000 Grad in die Wohnung. Man tastet sich auf allen Vieren vor, meist ohne Sicht. Wir gehen viel tiefer hinein als früher, um Brände wirksamer zu bekämpfen.“ Schlagen Flammen aus einem Gebäude, ist der Fahrstuhl tabu. Beim Hochhausbrand vor vier Jahren in der Barkhausstraße eilten Feuerwehrleute bei großer Hitze bis zu sieben Stockwerke hoch. Schafft man solche Einsätze noch mit 62?

Einsätze dauern manchmal bis tief in die Nacht. Viele Feuerwehrleute arbeiten in 24-Stunden-Schichten. Hier ein Bild von Löscharbeiten auf einem Bauernhof in der Lipphöfestraße.
Einsätze dauern manchmal bis tief in die Nacht. Viele Feuerwehrleute arbeiten in 24-Stunden-Schichten. Hier ein Bild von Löscharbeiten auf einem Bauernhof in der Lipphöfestraße. © Foto Bludau (A)

Wer psychisch oder physisch nicht mehr in der Lage ist, zu Bränden auszurücken, kann im vorbeugenden Brandschutz, in Werkstätten oder den Leitstellen arbeiten. Aber diese Stellen reichen nach Einschätzung von Jörg Obeling in NRW nicht aus, um Kollegen aus dem Einsatzdienst aufzufangen - erst recht, wenn sie 61 oder 62 Jahre alt sind.

Feuerwehrleute müssen topfit sein. Den Einstellungstest bestünden die meisten jungen Bewerber nicht, weil sie an den sportlichen Aufgaben scheitern.

Enormer Zeitdruck

Der Stress und Druck sei mit anderen Berufen nicht vergleichbar, meint Jörg Obeling: „Dachdecker arbeiten auch körperlich hart. Aber wenn sie mit 62 noch Pfannen verlegen, können sie sich Zeit lassen“ Feuerwehrleute hätten am Einsatzort sieben Minuten, um Vermisste zu retten. Dann müssten die lebensrettenden Maßnahmen beginnen. Das jedenfalls ist das Schutzziel der Berufsfeuerwehren.

Das alles weiß der Marler aus Erfahrung. Zwar leistet er zurzeit keinen Dienst in der Hauptwache, ist aber in der Freiwilligen Feuerwehr Marl-Lenkerbeck aktiv. Da stellt er fest, wie die Belastung auch durch zusätzliche Aufgaben steigt. Es gebe mehr Digitaltechnik, mehr Einsätze im Rettungsdienst und durch den Klimawandel mehr Wald- und Flächenbrände.

Auch Feuerwehrleute aus Marl positionieren sich gegen die Erhöhung der Lebensarbeitszeit. Vor dem Landtag ist eine Protestkundgebung geplant.
Auch Feuerwehrleute aus Marl positionieren sich gegen die Erhöhung der Lebensarbeitszeit. Vor dem Landtag ist eine Protestkundgebung geplant. © privat

Die neue Altersgrenze sollte ursprünglich am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Doch es regt sich Widerstand. Bevor der Landtag den Gesetzentwurf beschließt, wird er mit den Feuerwehrverbänden erörtert. Dafür gebe es noch keinen Termin, sagt Obeling.

Einen Fachkräftemangel - Hauptgrund für das Gesetz - sieht er nicht: In Marl gebe es genügend Bewerber für den Feuerwehrdienst. Ältere, die länger arbeiten, stünden den jungen Kräften im Weg. Das sei das falsche Signal.

Protest in Düsseldorf

Hinweis: Dieser Text erschien bereits am 16. Oktober. Am 29. November demonstrieren Feuerwehrleute aus NRW erneut vor dem Landtag in Düsseldorf gegen die Anhebung der Altersgrenze protestieren.

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