Merz und die „kleinen Paschas“ Schulleiter berichten von Rechtsanwälten und fehlendem Respekt

„Kleine Paschas“: De Vries und Lakrabi sehen Konflikte differenzierter
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Das Verdikt, das CDU-Parteichef Friedrich Merz in der ZDF-Talkshow von Marcus Lanz am Mittwoch (11. Januar) über Schüler „aus dem arabischen Raum“ fällte, ist auch Klaus de Vries und Silke Lakrabi nicht entgangen. Mit dem Pauschalurteil können die beiden Schulleiter aus Fröndenberg nicht viel anfangen.

Die „kleinen Paschas“, so Merz wörtlich, ließen sich vor allem von weiblichen Lehrkräften nichts sagen und schickten stattdessen ihre Väter in die Schule, die es sich verbäten, dass ihre Söhne zur Ordnung gerufen würden.

Nationalität bei Konflikten ohne Bedeutung

Klaus de Vries räumt ein: Ob sich die Schülerschaft an deutschen Schulen zu zehn oder zu 90 Prozent aus fremden Kulturen zusammensetze, „das verändert ein Stückweit das Klima“. An der GSF wird man sich beim Anteil irgendwo dazwischen befinden.

An der Gesamtschule könne er allerdings bei Konflikten mit Lehrern hinsichtlich der Nationalität oder Herkunft der Schüler überhaupt keinen Unterschied ausmachen, betont de Vries.

Klaus de Vries, Schulleiter der Gesamtschule Fröndenberg
Klaus de Vries blickt differenziert auf Konflikte an Schulen, die vermeintlich etwas mit Herkunft und Nationalität von Schülern und Eltern zu tun haben. © Archiv/Maximilian Konrad

Am „Respekt vor dem System Schule“, so de Vries, fehle es vielmehr zunehmend „in der breiten Masse“. Diesen Trend von Auf- oder Ablehnung spürten ja auch andere Staatsbedienstete wie Polizei und Feuerwehr.

Gemeint sei sicherlich nicht die eigentlich positive Haltung, das Tun von Obrigkeit kritisch zu hinterfragen. „Es werden heute schneller Rechtsanwälte eingeschaltet oder man wendet sich direkt an die Bezirksregierung“, beobachtet Klaus de Vries, wenn es um schlechte Noten und Zeugnisse, Versetzungen oder sonstige Anordnungen der Schule geht. Das Gespräch werde erst gar nicht gesucht.

Respektlosigkeit auch an Grundschule

„Dabei sehen wir das auch ein, wenn wir einen Fehler gemacht haben“, sagt de Vries. Respektlosigkeit nimmt auch Silke Lakrabi an der Gemeinschaftsgrundschule wahr, ohne sagen zu können, ob es wirklich mehr geworden ist.

Was die Schulleiterin sicher sagen kann: Zu Auseinandersetzungen kommt es ebenso häufig mit Eltern polnischer, syrischer oder deutscher Herkunft. „Das können nur Einzelfälle sein“, sagt Lakrabi, wenn vielleicht geflüchtete Menschen mit traumatischen Erlebnissen der Schule Probleme bereiten. Dann löse aber dieses Schicksal überhaupt erst die Konflikte aus. „Aber, kleine Paschas? Nein“, so Lakrabi.

Die Gesamtschule Fröndenberg darf seit dem 27. Januar 2020 das Siegel "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" tragen.
Die Gesamtschule Fröndenberg darf seit dem 27. Januar 2020 das Siegel "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" tragen. Die Verleihung fand am 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Ausschwitz in der Aula der GSF statt. © Archiv/Marcus Land

Das Label „Europaschule“ mag an der Gemeinschaftsgrundschule Schüler und Lehrer in besonderer Weise für andere Nationalitäten und ihre Befindlichkeiten sensibilisieren. Lakrabi: „Wir sind bereit für die Vielfalt. Daher kommt eine Feindlichkeit überhaupt nicht auf.“

Im Gegenteil: Die vielen Nationalitäten würden als bereichernd empfunden; Kinder aus der Ukraine etwa wurden mit einem auf Ukrainisch gesungenen Lied begrüßt.

Schule ohne Rassismus als Programm

Die Gesamtschule hat sich mit dem Zertifikat „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ eine ähnliche Selbstverpflichtung auferlegt. Dass sich Schüler und Lehrer untereinander und gegenseitig wertschätzen, werde täglich gelebt und mit dem Unterrichtsprogramm „Lions Quest“ auch regelrecht gelernt. Lehrerinnen wegen ihres bloßen Frauseins nicht akzeptieren? „In so einer Grundhaltung plöppen solche Dinge nicht so schnell auf“, sagt Klaus de Vries.

Derzeit laufen an der GSF die Anmeldungen. Die Aufnahmegespräche führt mit Ute Eberitzsch eine Lehrerin. Schon beim ersten Kontakt mit der Schule, sagt Klaus de Vries, würden Eltern und künftige Fünftklässler auf den Damm gegen Rassismus und Respektlosigkeit hingewiesen und zwar „klipp und klar“.