Was genau in der Praxis von Christoph Johann am Freitag vor Pfingsten geschah, lässt sich nicht einwandfrei rekonstruieren. Klar ist: Refet Krasnici sucht die Praxis am Holzmarkt in der Altstadt auf, um sich krankschreiben zu lassen. „Mir ging es gar nicht gut“, sagt der zweifache Vater. „Ich hatte Durchfall.“ Eigentlich habe er sich telefonisch krankschreiben lassen wollen. Doch das habe die Praxis abgelehnt. Er müsse in die Praxis kommen.
Das Wartezimmer sei voll gewesen an diesem Tag. „Ich habe über zwei Stunden gewartet“, sagt Krasnici. Dann sei er zur Anmeldung gegangen und habe auf eine baldige Untersuchung gedrängt. „In meinem damaligen Zustand konnte ich wirklich nicht lange im Wartezimmer sitzen.“ Er sei deutlich geworden, sagt Krasnici. „Aber ich war nicht ausfallend und habe niemanden beleidigt.“
Wenige Minuten nach der Unterredung an der Anmeldung sei er dann tatsächlich aufgerufen worden, sagt Refet Krasnici. Christoph Johann habe ihn untersucht und ihm die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt. Dann folgten Worte, mit denen der Patient niemals gerechnet habe. Der Mediziner habe Krasnici gesagt, dass er sich und seiner Familie neue Ärzte suchen solle, dass er ihn künftig nicht mehr behandeln wolle.
„Vertrauensverhältnis nicht mehr gegeben“
Christoph Johann will sich zu dem konkreten Fall aus Datenschutzgründen nicht äußern. Er bestätigt jedoch, dass es vorkomme, dass er Patienten einen Arztwechsel empfiehlt. Der Grund sei dabei in der Regel ein rüpelhaftes Auftreten mancher Patienten. Diese Unart habe seit Corona deutlich zugenommen. „Sie glauben gar nicht, was sich unsere Angestellten alles anhören müssen“, sagt Johann. Er müsse seine Mitarbeiterinnen schützen, betont der Mediziner.
Wenn er Patienten einen Arztwechsel nahelege, geschehe dies meistens nach einer Reihe von Vorfällen. „Dann ist das Vertrauensverhältnis einfach nicht mehr gegeben.“ Etwa fünfmal im Jahr komme es vor, dass sich der Praxisinhaber von Patienten auf diesem Wege trenne.
Er sieht keine Alternative, um seine Medizinischen Fachangestellten zu schützen – und damit auch den Fortbestand seiner Praxis zu gewährleisten. Denn: „Wir haben einen massiven Fachkräftemangel. Ich kann es mir nicht leisten, dass Mitarbeiterinnen wegen des zusätzlichen Stresses durch solche Patienten krank werden oder ganz hinschmeißen. Wir lassen eine Menge durchgehen, aber wir müssen auch eine rote Linie ziehen.“

Diese Linie sieht Christoph Johann bei Refet Krasnici ganz offenbar überschritten, wobei der Mediziner betont: „Eine akute Behandlung lehnen wir natürlich nie ab.“
Die Ärztekammer Westfalen-Lippe mit Sitz in Münster erklärt dazu: „Ärzte können Patienten aus Kapazitätsgründen oder etwa, wenn es zwischenmenschlich nicht funktioniert und keine Vertrauensbasis vorhanden ist, ablehnen.“ Eine Ausnahme seien Notfälle.
Refet Krasnici sieht nun ein Problem vor allem für seine zwei Kinder. Und bald werden es drei sein, denn seine Frau ist schwanger. „Versuchen Sie heute mal, einen neuen Kinderarzt zu finden.“ Viele Kinderarztpraxen sind hoffnungslos überlastet. Manche nehmen gar keine neuen Patienten auf oder nur Geschwisterkinder.
Bislang war der Nachwuchs beim Kinderarzt in derselben Praxis am Holzmarkt in Behandlung. Krasnici hofft, dass zumindest die Kinder in Behandlung bleiben können.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 29. Mai 2024.