Marler Mutter ist verzweifelt Keine Kohle für den Ofen - fünf Kinder frieren in der Wohnung

Marler Mutter ist verzweifelt: Fünf Kinder frieren in der Wohnung
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Svenja Erdem ist tief besorgt, ja verzweifelt. Draußen ist Winter und in der Wohnung der alleinerziehenden Mutter von fünf Kindern ist es eiskalt. Das alte Zechenhaus in Marl-Brassert hat eine Kohleheizung im Keller, die Heizkörper in den Zimmern speist, doch seit Tagen gibt es keine Kohle mehr. „Mein Vermieter kümmert sich um nichts, zwei meiner Kinder sind bereits erkrankt, ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, klagt die 33-jährige Marlerin.

Eigentlich ist die Wohnung für die Familie durchaus geeignet. Auf 125 Quadratmeter gibt es sechs Zimmer. Die vier Kinder Anina (1), Adessio (2), Kian (7) und Lejs (8) teilen sich jeweils zu zweit einen Raum, Tochter Helin (12) hat sogar ein Zimmer für sich. Das Jobcenter zahlt zuverlässig die Miete in Höhe von 1160 Euro warm. Doch die Lebensumstände sind bescheiden. Eines der beiden Bäder ist nach Wasserschäden außer Betrieb, die Toilette ist unbenutzbar, es stinkt erbärmlich in dem Bad, das deshalb dauergelüftet werden muss. Auch die Toilette im zweiten Bad hat schon bessere Tage gesehen, funktioniert aber immerhin noch. Dort gibt es auch eine Badewanne. Aber die Raumtemperatur liegt bei zehn Grad. „Ich habe Angst, meine Kinder hier zu baden, die werden dann noch kränker.“ Allerdings: Am Ende hat sie keine Wahl.

Kein Brennstoff, keine Wärme: Im Keller des alten Zechenhauses steht Svenja Erdem vor dem leeren Kohlebehälter der betagten Heizung.
Kein Brennstoff, keine Wärme: Im Keller des alten Zechenhauses steht Svenja Erdem vor dem leeren Kohlebehälter der betagten Heizung. © Thomas Brysch

„Meine Versicherung sagt, die Beseitigung der Schäden ist eindeutig Vermietersache, doch der tut nichts und verlangt von mir die Instandsetzung der Bäder“, so Svenja Erdem: „Aber wovon soll ich das bezahlen?“ Vor Ort bestätigt eine Vertreterin der Familienhilfe, dass die massiven Probleme mit dem Vermieter seit Jahren bestehen.

Der Vermieter ist inzwischen einen Schritt weiter gegangen. Er will das Haus veräußern und hat die Familie mit einer Räumungsklage vor dem Amtsgericht Marl überzogen. Mit anwaltlicher Hilfe versucht Svenja Erdem gerade, diese Klage zurückzuweisen. Doch die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Davon wird die Wohnung nicht warm.

Um die nicht gerade leistungsstarke Elektroheizung in der Küche scharen sich Lejs, Kian und Alessio mit Mutter Svenja.
Um die nicht gerade leistungsstarke Elektroheizung in der Küche scharen sich Lejs, Kian und Alessio mit Mutter Svenja. © Thomas Brysch

„Grundsätzlich hat der Vermieter eine Heizpflicht“, sagt Tom Bub. Der Marler Anwalt ist nicht der Rechtsbeistand von Svenja Erdem, aber Fachanwalt für Baurecht und Experte für Mietrecht: „Über eine beim Amtsgericht erwirkte einstweilige Verfügung kann der Vermieter gezwungen werden, die Heizung anzustellen.“ Auch eine nachträgliche Übernahme der Kosten des Vermieters für selbst besorgte Kohle kann dem Vermieter so aufgezwungen werden.

Zudem besteht der Mietvertrag bei einem Verkauf des Hauses ausdrücklich fort: „Kauf bricht nicht Miete“, sagt Büb: „Der neue Eigentümer müsste schon wirksame Gründe für eine Kündigung darlegen, etwa Eigenbedarf.“

Halbe Tonne Kohle kostet 400 Euro

„Ich wollte jetzt beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung erwirken, um an Kohle zu kommen, aber dort wurde ich abgewiesen“, sagt Svenja Erdem. Da der Vermieter sich immer wieder längere Zeit im Ausland aufhalte, habe das doch keinen Zweck, sei sie beschieden worden. Ihr Anwalt behält sich diesen Schritt ausdrücklich vor, weiß aber auch, dass eine schnelle Lösung so kaum funktioniert.

„Ich habe mich bei Händlern informiert“, betont Svenja Erdem: „Eine halbe Tonne Kohle kostet 400 Euro, ich kann mit der Heizung umgehen, aber woher soll ich das Geld nehmen?“

In der Wohnung schart sich die Familie inzwischen um einen ausgeliehenen kleinen Elektro-Heizkörper in der Küche, der einzigen Wärmequelle der Wohnung. Die zwölfjährige Tochter Helin musste ihr kleines privates Reich bereits aufgeben. In ihrem Zimmer ist es einfach zu kalt. „Eigentlich möchte ich hier weiter wohnen bleiben, sagt Svenja Erdem: „Die Kinder haben hier Freunde gefunden, bis zur Kita ist es nicht weit, die Großen können alleine zur Schule gehen.“ Doch die Lebensumstände werden täglich schlechter.

Die Familie sucht nach einer neuen Wohnung

Die Mutter sucht nun nach einer neuen Wohnung, gerne in Marl. Doch das ist nicht einfach. „Kinderreiche Familien haben es besonders schwer“, sagt auch die Vertreterin der Familienhilfe, die seit Jahren ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Erdems aufgebaut hat.

Was nun? „Vielleicht kann ich mir etwas Geld für die Kohle leihen“, sagt Svenja Erdem nachdenklich: „Man darf die Hoffnung nicht aufgeben.“

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