Die Sonne brennt auch jetzt im Oktober noch in Arizona. Die Klimaanlage läuft Tag und Nacht im Haus der 32-Jährigen im Südwesten der Vereinigten Staaten. Nataly Bernhard wohnt mit zwei Söhnen in Litchfield Park. Man erreicht sie am Morgen per Telefon. Die Söhne müssen später zum Baseball- und Football-Training. In Deutschland ist die Sonne längst untergegangen. Acht Stunden trennen uns. Die gebürtige Marlerin erlebt den Wahlkampf hautnah mit.
Nataly Bernhard spricht noch immer gut Deutsch, obwohl sie ihre Heimat Marl mit elf Jahren verlassen hat. Ein leichter Akzent durchzieht die deutsche Sprache. „Die Stimmung ist chaotisch. Alle sind nervös“, sagt sie über die letzten Tage vor den Wahlen im Land. Der Nachbar auf der einen Seite habe Trump-Schilder vor dem Haus, der Nachbar auf der anderen Harris-Flaggen. Wo man auch hinkommt: Es scheint, als existiere kein anderes Thema mehr – seit Wochen. Gerade als sie über den allgegenwärtigen Wahlkampf spricht, sieht sie einen Truck mit Trump-Flagge an ihrem Haus vorbeifahren. „Es wird sehr knapp“, sagt sie. Den Eindruck teilen Deutsche und Amerikaner.
„Donald Trump will die Steuern für Reiche senken.“
Deshalb ist die Lage vor Ort auch so angespannt. Da sind die überzeugten Trump-Wähler und die, die es wurden, weil sie sich vom republikanischen Kandidaten erhoffen, dass die Preise im alltäglichen Leben sinken könnten. Nataly Bernhard bezweifelt das: „Donald Trump will die Steuern für Reiche senken. Wir – die Mittelschicht – sollen am Ende aber immer alle Steuern zahlen.“ Das Leben in den USA sei teuer. „Man muss 50.000 bis 60.000 Dollar im Jahr verdienen, um zu überleben“, rechnet Nataly Bernhard vor. Eine kleine Wohnung koste umgerechnet 1700 bis 2000 Euro im Monat. Für sie als alleinerziehende Mutter ist die Finanzierung ein Kraftakt. Seit dem Sommer arbeitet sie als Lehrerin an der Schule, die sie selbst besuchte, als sie als Schülerin nach Arizona kam.

Über Donald Trumps Haltung gegenüber Minderheiten oder mögliche strafrechtliche Verfehlungen würden die meisten seiner Anhänger einfach hinwegsehen, sagt Nataly Bernhard. Ausnahme sei das Thema Frauenrechte. „Ich kenne Republikaner, die da mit Harris gehen“, sagt sie und meint das Selbstbestimmungsrecht auf eine legale Abtreibung. In ihrer Heimat Arizona dürften Frauen nicht abtreiben. Wer den Eingriff trotzdem vornehmen lassen wolle, müsse dafür ins liberale Kalifornien.
An politisch aufgeheizten Diskussionen beteilige sie sich meist nicht, sagt Nataly Bernhard. Wo sie steht, wird an einer persönlichen Geschichte trotzdem deutlich. Ihre Söhne wurden 2015 und 2019 in den USA geboren, sind dadurch automatisch Amerikaner. Nataly Bernhard aber war viele Jahre mit der Green Card als Deutsche in den USA. „Wegen Trump habe ich die amerikanische Staatsbürgerschaft“, sagt sie. Es ist nicht anerkennend gemeint. Im vorletzten Wahlkampf 2016 hatte er schon schwadroniert, „Ausländer raus“, erinnert Nataly Bernhard. Sie hatte schlicht Angst, das Land ohne ihren ersten Sohn verlassen zu müssen. „Zehn Tage bevor Trump ins Weiße Haus zog, hatte ich die amerikanische Staatsbürgerschaft.“
Großmutter hofft auf Rückkehr nach Deutschland
Wie es weitergehen soll, wenn der Republikaner ein zweites Mal Präsident würde - sie mag es sich nicht ausmalen. Sie persönlich sieht aber auch die Demokratin Kamala Harris in den Umfragen derzeit leicht vorn. Eine Rückkehr nach Deutschland käme vorerst nicht infrage. Auch wenn die Großmutter das gerne hätte. Nataly Bernhard sagt - und da klingt das Ruhrgebiet noch durch: „Omma fragt jedes Mal, wann ich zurückkomme.“ Sie hat es einmal versucht, aber schnell gemerkt, dass sie jetzt in den USA zu Hause ist. Außerdem könnten ihre Söhne kein Deutsch. Sie weiß, wie es ist, als Kind in ein Land zu kommen und die Sprache nicht zu verstehen. Das wolle sie ihren Söhnen ersparen.