Susanne Leushacke ist stinksauer: „Ich fühle mich als Frau diskriminiert, ich fühle mich vom Staat bestraft für meinen Kinderreichtum!“ Es geht um ihre Rente.
Die 64-jährige Marlerin hat 45 Jahre als Medizinisch-Technische Assistentin am Marien-Hospital gearbeitet. „Ich hatte mir das ganz genau ausgerechnet und wollte nach 45 Beitragsjahren im August 2025 abschlagsfrei in Rente gehen.“ Ihr Problem: Sie hat zwischen 1983 und 1996 fünf Töchtern und einem Sohn das Leben geschenkt. Und genau das schlägt sich jetzt für sie zum Nachteil aus: Für die abschlagsfreie Rente wird sie 48 Wochen, also fast ein ganzes Jahr länger arbeiten müssen.
Der Vater übernimmt die Rolle des Hausmanns
Es stimmt: Der Fall ist ungewöhnlich, passt nicht ins vorgefertigte Raster: Susanne und Georg Leushacke haben gemeinsam entschieden, dass die Mutter nach Geburt und Mutterschutzzeit wieder arbeiten geht und der Vater sich überwiegend um die Kinder kümmert. „Ich habe nach unserer Heirat die Rolle des Hausmanns übernommen“, sagt der heute 62-jährige Marler, der für die Familie das Studium des Vermessungswesens abbrach und über viele Jahre nur geringfügig beschäftigt war.
Kindererziehungszeiten von bis zu 36 Monaten pro Kind werden auf die Rente angerechnet. Das kann aber immer nur einem Elternteil zugutekommen. Mit einer übereinstimmenden Erklärung haben die beiden im Jahr 2005 die Erziehungszeiten auf den Vater übertragen, damit Georg Leushackes zu erwartende geringe Rente aufgewertet wird. „Ich habe dadurch 16 Rentenbeitragsjahre zusätzlich“, so der Vater.
Die Mutter aber schaut in die Röhre. Bei einer Rentenberatung wurde ihr vor kurzem eröffnet, dass für die Zeit des Mutterschutzes nach der Geburt von jeweils acht Wochen pro Kind keine Rentenbeiträge eingezahlt wurden. Bei einem Kind ist das nicht gravierend, bei sechs Kindern summiert sich das auf 48 Wochen. Und genau die fehlen der Mutter nun für den Rentenantrag.

„Warum wird für die acht Wochen Mutterschutz pro Kind nach der Geburt wohl Mutterschaftsgeld ausgezahlt, aber nichts in die Rentenversicherung eingezahlt“, fragt sich Susanne Leushacke: „Männer, die für einen vergleichbaren Zeitraum Krankenscheine einwerfen, müssen am Ende ihres Berufslebens keinen Tag länger arbeiten.“ Die Marlerin, die unweit der Hügelhäuser wohnt, packt die Wut: „Ich habe sechs Kinder zur Welt gebracht, die heute als Erwachsene alle kräftig in die Sozialsysteme einzahlen, ich habe Kraft, Nerven und Geld in die Ausbildung meiner Kinder gesteckt, und genau dafür werde ich jetzt bestraft.“
Job im Krankenhaus ist härter geworden
Susanne und Georg Leushacke bereuen ihre gemeinsamen Lebensentscheidungen keine Sekunde. Sie sind unbändig stolz auf die Familie, auf die Kinder und auf das schöne Haus mit Garten, das die beiden gebaut haben.. „Natürlich habe ich immer gerne gearbeitet“, sagt die sechsfache Mutter: „Aber der Job im Krankenhaus ist härter geworden, die Bereitschaftsdienste, die Wochenenddienste, die Nachtdienste, da spürt man schon, dass man keine 20 mehr ist.“
Viele ihrer älteren Kollegen am Marien-Hospital sind bereits in Rente gegangen. „Auch ich hatte mich so auf den August 2025 gefreut, auf Reisen, Radeln, Lesen und Freizeit. Jetzt werde ich wohl bis August 2026 weiterarbeiten müssen, denn als Hauptverdienerin kann ich mir keine Abschläge leisten.“
Susanne Leushacke fordert von der Politik an dieser Stelle eine Reform und appelliert an die junge Generation, beim Thema Familienplanung auch an die Rente zu denken. Enttäuscht zeigt sie eine Broschüre der Deutschen Rentenversicherung vor, auf deren Titelseite es ausdrücklich heißt: „Kindererziehung lohnt sich“. „Ja“, sagt sie: „Kinder erziehen vielleicht, aber Kinder bekommen sicher nicht.“