Die Demonstration bei Lützerath im Rheinischen Revier wird nach Einschätzung von Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach eine Herausforderung für die Einsatzkräfte. „Es werden, nach allem, was wir wissen, sehr, sehr viele Menschen kommen“, sagte Weinspach am frühen in Lützerath. Er rechnete mit mehr Teilnehmern, als vom Veranstalter angezeigt. Die Polizei hatte im Vorfeld etwa 8000 Menschen erwartet. Die Veranstalter machten zunächst keine Angaben zur Anzahl der Teilnehmer.
Einige Menschen sind nach Polizeiangaben in den Tagebau eingedrungen. „Entfernen Sie sich sofort aus dem Gefahrenbereich!“, schrieben die Einsatzkräfte bei Twitter. Zudem hätten Menschen versucht, durch eine Polizeiabsperrung an die Tagebaukante zu gelangen. Die Personen seien größtenteils vermummt gewesen, erklärten die Einsatzkräfte. „Um dies zu verhindern, wenden wir unmittelbaren Zwang an“, hieß es. Die Polizei forderte die Menschen auf, keine Polizeikräfte anzugehen und sich kooperativ zu verhalten. Die Polizei erklärte, das Tagebauvorfeld sowie die Abbruchkante seien insbesondere durch den Regen der vergangenen Tage gefährlich. „Hier besteht akute Abrutschgefahr“, schrieben die Einsatzkräfte bei Twitter.
EInige Klima-Demonstranten haben versucht, vom Kundgebungsort Keyenberg in das von der Polizei abgesperrte Lützerath vorzudringen. „Wir versuchen, sie daran zu hindern“, sagte ein Polizeisprecher.
Die vor Lützerath stehende Polizei hielt nach Beobachtung einer dpa-Reporterin Hunde und Wasserwerfer bereit. Ein Sprecher auf der Kundgebungsbühne hatte zuvor dazu aufgerufen, nach Lützerath vorzudringen und sich dabei von der Polizei nicht aufhalten zu lassen
Greta Thunberg: Tagebau sieht aus wie Mordor
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg nimmt heute an einer Kundgebung gegen den Abriss des Dorfes Lützerath zur Braunkohleförderung teil.
Die 20-Jährige ist nach Deutschland gekommen, um den Protest gegen die Räumung und den Abriss von Lützerath zu unterstützen. „Ich bin hier schon früher gewesen, und da sah es noch völlig anders aus“, sagte sie. „Es ist sehr traurig das zu sehen. Es ist jetzt ein ganz anderer Ort.“ Zu der Kraterlandschaft des rheinischen Braunkohlereviers sagte sie: „Es sieht wirklich aus wie Mordor. Es zeigt, wozu Menschen unter den falschen Bedingungen fähig sind. Es zeigt, wogegen wir kämpfen, was wir verhindern wollen.“ In Tolkiens Roman „Herr der Ringe“ ist Mordor das Reich und die Basis des bösen Sauron.
Teilnehmer aus 50 Städten erwartet
Nach Polizeiangaben sind am Morgen zahlreiche Teilnehmer eingetroffen. Ein Polizeisprecher sprach von einem "regen Zulauf". Aus 50 Städten und 14 Bundesländern würden Teilnehmer erwartet, teilte Fridays for Future mit. Das Verwaltungsgericht Aachen hatte am Freitag entschieden, dass die Veranstalter die Demonstration nahezu wie geplant durchführen können und Auflagen zu einem anderen Austragungsort der Polizei gekippt. Nur der Einsatz von Traktoren bei der Veranstaltung wurde auf Wunsch der Polizei untersagt.
"Die Situation in Lützerath ist eine riesige internationale Blamage für die Bundesregierung", sagte Thunberg vorab der Deutschen Presse-Agentur. "Seit Jahren verteidigen Menschen Lützerath, als Teil einer globalen Gerechtigkeitsbewegung. Die Tatsache, dass Menschen aktiv werden, ist ein Zeichen der Hoffnung." Die 20-Jährige rief alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich an der Demonstration zu beteiligen.
Thunberg empört über polizeiliches Vorgehen
Thunberg hatte am Freitag nach Angaben der Polizei in Begleitung einer Bundestagsabgeordneten der Grünen den Ort Lützerath besucht. Das Bundestagsbüro von Kathrin Henneberger bestätigte am Abend, dass Thunberg die Abgeordnete begleitet habe, die demnach als Parlamentarische Beobachterin vor Ort ist. Thunberg hatte dabei das Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Dorfes scharf kritisiert. "Es ist empörend, wie die Polizeigewalt ist", sagte die Klimaaktivistin aus Schweden.
Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach wies die Vorwürfe zurück. "Es ist mir unverständlich, wie sie zu ihrer erstaunlichen Beurteilung kommt", sagte er dem "Spiegel". "Den größten Teil ihres Aufenthalts hat sie genutzt, um mit der Presse zu sprechen und Statements zu geben. Während fast neben ihr sehr behutsam daran gearbeitet wurde, Aktivisten vom Gelände zu bringen", sagte Weinspach am Abend der dpa.
Auch die Grüne Jugend kritisiert das Vorgehen der Polizei. "Die Berichte, die wir aus dem Dorf bekommen, sind nicht zu rechtfertigen", teilte die Landessprecherin der Grünen Jugend NRW, Nicola Dichant, mit. "Bilder von Polizeieinsätzen, die Aktivist-innen massiv gefährden, Sanitäter-innen, die von der Polizei aus dem Dorf geschmissen werden, und Presse, die nicht beobachten darf. Das ist das Gegenteil von einem deeskalativen Einsatz."
Räumung geht weiter
Die Polizei hat am Vormittag die Räumung fortgesetzt, der für den Braunkohleabbau abgerissen werden soll. "Die Arbeiten gehen weiter", sagte ein Polizeisprecher. Einsatzkräfte kletterten auf Bäume, auf denen Menschen ausharrten, wie eine dpa-Reporterin berichtete. Eine Aktivistin sei später heruntergeholt worden.
Nach Angaben des Energiekonzerns RWE laufen zudem Vorbereitungen, um Aktivisten aus einem Tunnel zu holen. Laut Polizei ist der Einsatz an dem Tunnel übergeben worden. Es handle sich um eine "Rettung", die nun in den Händen von RWE und THW liege, sagte ein Polizeisprecher.
"Wir gehen davon aus, dass es ihnen gut geht", sagte Bente Opitz von der Initiative "Lützerath lebt". Die Aktivisten hätten genug zu Essen und könnten mehrere Tage in dem Tunnel ausharren. Nach Angaben von "Lützerath lebt" sind noch mehrere Dutzend Aktivisten in Lützerath, auf Dächern und in Bäumen.
Die Polizei machte zur Anzahl der verbliebenen Aktivisten zunächst keine Angaben. "Oberirdisch sind wir so gut wie durch", hatte ein Sprecher am Morgen gesagt. Es gebe noch etwa 15 "Strukturen" der Aktivistinnen und Aktivisten, darunter Baumhäuser und Verschläge, hieß es.
dpa
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