Leistung vieler PV-Anlagen zwangsgedrosselt Strom würde für 266.430 Single-Haushalte reichen

Leistung vieler PV-Anlagen weiter zwangsgedrosselt: Strom würde für 266.430 Single-Haushalte reichen
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Es klingt absurd. Mit aller Macht wird der Umstieg von Kohle, Gas und Öl auf erneuerbare Energien vorangetrieben und dann gibt es eine ganz besondere gesetzliche Regelung. Sie sorgt dafür, dass Photovoltaik-Anlagen weniger Strom produzieren, als sie produzieren könnten. Die Anlagen werden schlichtweg zwangsgedrosselt.

Das Ganze ist ein wenig kompliziert und die Vorgeschichte muss man auch kennen. So wurden bis vor kurzem alle PV-Anlagen mit einer Maximalleistung bis zu 25 Kilowatt auf 70 Prozent ihrer Leistung begrenzt. Das heißt: Wenn sie besonders viel Strom produzierten – im Hochsommer beispielsweise – wurden sie automatisch gedrosselt.

Als Grund wurde dafür angeführt: Eine Überlastung des Stromnetzes sollte verhindert werden, wenn zeitgleich sehr viele PV-Anlagen ihre maximale Leistung in das öffentliche Netz schicken.

Nehmen wir als konkretes Beispiel eine PV-Anlage mit einer Maximalleistung von 10 Kilowatt. 10 Kilowatt, das sind 10.000 Watt. Das entspricht der Menge an Strom, die nötig ist, um 100 100-Watt-Glühbirnen zum Leuchten zu bringen. Wenn diese PV-Anlage an einem heißen Sommertag tatsächlich 10 Kilowatt Strom aus der Sonne produziert, darf der Betreiber maximal 7 Kilowatt ins Netz einleiten. Wenn er die 3 weiteren Kilowatt nicht selbst verbraucht, wird seine Anlage automatisch gedrosselt, so dass auf keinen Fall mehr als 7 Kilowatt Strom ins Netz eingespeist wird.

Seit 14. September 2022 gibt es eine neue Regelung

Das war die Regelung, die bis zum vergangenen Herbst galt. Durch eine Änderung des Energie-Einspeise-Gesetzes wurde diese Zwangsdrosselung für Anlagen bis 30 Kilowatt Maximalleistung, die ab dem 14. September 2022 installiert wurden, gestrichen. Zum 1. Januar 2023 wurde zusätzlich auch für Anlagen bis zu einer Maximalleistung von 7 Kilowatt die 70-Prozent-Regelung aufgehoben.

Das heißt im Klartext: Jetzt werden nur noch Anlagen über 7 Kilowatt Maximalleistung und solche, die vor dem 14. September 2022 in Betrieb gegangen sind, auf 70 Prozent gedrosselt.

Inzwischen 2,6 Millionen PV-Anlagen installiert

Doch noch immer wird ein Großteil der vor dem 14. September 2022 in Betrieb gegangenen Altanlagen gedrosselt. Aktuell (Mitte 2023) sind in Deutschland rund 2,6 Millionen PV-Anlagen installiert. Vor einem Jahr waren es etwa 2,3 Millionen. Die durchschnittliche Größe von Anlagen für Einfamilienhäuser liegt zwischen 5 und 15 Kilowatt Maximalleistung, ein erheblicher Teil dürfte über 7 Kilowatt Maximalleistung haben und dann von der Drosselung betroffen sein. Es dürften viele hunderttausend, wahrscheinlich sogar weit mehr als eine Millionen Anlagen sein. Exakte Zahlen dazu liegen nicht vor.

Derzeit kann ein Privatmann, der beispielsweise eine Anlage mit 10 Kilowatt Maximalleistung auf dem Dach hat, nur dreierlei tun, um seine Anlage vor der Drosselung zu bewahren: Er muss gerade in den sonnenreichen Stunden des Tages möglichst viel Strom selbst verbrauchen, seinen Strom speichern oder einen „intelligenten Zähler“ einbauen. Mit letzterem, auch Smart Meter genannt, lässt sich eine automatische Drosselung verhindern. Smart Meter werden ab dem Jahr 2025 ohnehin Pflicht. Die Zusatzkosten für einen normalen Haushalt werden dabei gesetzlich auf maximal 20 Euro gedeckelt.

Wer jetzt schon einen „Smart Meter“ einbauen möchte, kann das auf eigene Kosten tun. Allerdings, darauf weist das Umweltbundesamt auf Anfrage unserer Redaktion hin, sei in dem Fall eine neue „Netzverträglichkeitsprüfung“ durch den Netzbetreiber – in vielen Fällen sind das die örtlichen Stadtwerke – notwendig.

Bundesnetzagentur: Zusammenbruch der Netz nicht zu erwarten

Ist eine Drosselung auch der bestehenden Anlagen überhaupt noch notwendig? Auf diese Frage antwortet Michael Reifenberg von der Bundesnetzagentur: „Die 70-Prozent-Regelung wurde vor vielen Jahren eingeführt, weil Sorge bestand, dass eine erwartete Gleichzeitigkeit von Einspeisung aus vielen PV-Anlagen, die eine nahezu gleiche Ausrichtung zur Sonne haben, zu hohen Spitzenlasten im Netz führen könnten.“ Es habe sich allerdings gezeigt, „dass die Vorsichtsmaßnahme nicht erforderlich war, da Solaranlagen nicht alle gleich ausgerichtet sind, unterschiedlich verschmutzt und verschattet sind und der Stromverbrauch in den Mittagsstunden die Solarerzeugung zu einem nennenswerten Teil auffängt.“

Im Übrigen, so ergänzt Michael Reifenberg für die Bundesnetzagentur, sei auch bei einer Aufhebung der Drosselung für Altanlagen ein Zusammenbrechen der Netze „in keinem Fall zu erwarten, da Netzbetreiber im Zweifelsfall über alle erforderlichen Befugnisse verfügen, dies zu verhindern.“

Noch aber besteht für zahlreiche Altanlagen eine Drosselung. Allerdings beteuern alle angefragten Stellen, dass so die Menge des Öko-Stroms, die nicht produziert werden darf, relativ gering sei. Die Bundesnetzagentur beziffert die Menge auf „maximal 2 Prozent des Jahresertrags“, das Bundeswirtschaftsministerium auf „im Jahresdurchschnitt deutlich unter 5 Prozent“, das Umweltbundesamt auf „2 bis 3 Prozent“, der Bundesverband Solarwirtschaft auf „im untersten einstelligen Prozentbereich“ und das Öko-Institut in Freiburg auf 1 bis 3 Prozent.

So viel Strom wird nicht produziert, obwohl er produziert werden könnte

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 52,7 Milliarden Kilowatt-Stunden Strom aus PV-Anlagen ins öffentliche Netz eingespeist. Selbst wenn die Drosselung nur zu einem Verlust von 1 Prozent der Jahresleistung führen sollte, wäre das ein Verlust von 527 Millionen Kilowattstunden Strom. Laut dem Bundesamt für Statistik verbraucht ein 1-Personen-Haushalt im Jahr etwa 1.978 Kilowattstunden. Das heißt umgerechnet: Mit dem nicht produzierten, weil gedrosselten Strom könnte man 266.430 Ein-Personen-Haushalte ein ganzes Jahr lang mit Strom versorgen.