Halde Hoheward in Herten Hier soll das höchste Windrad im Ruhrgebiet entstehen

Halde Hoheward: Landesbehörden wollen Vorrang für Riesen-Windrad
Lesezeit

Freitag, der 13., gilt manchen als Glückstag, viele befürchten an diesem Tag aber Ungemach. Am Freitag, 13. Dezember, will der Regionalverband Ruhr (RVR) die erste Änderung seines Regionalplans per Aufstellungsbeschluss auf den Weg bringen. Was wie ein langweiliger Verwaltungsakt klingt, birgt jedoch Zündstoff für Herten, Recklinghausen und Umgebung. Die NRW-Landesregierung und der RVR wollen darin den Standort des höchsten Windrades im Ruhrgebiet festklopfen: Auf dem 152 Meter hohen Gipfel der Halde Hoheward soll ein XXL-Windrad gebaut werden. Möglichst schnell soll es gehen – und ohne jegliche Höhenbegrenzung.

Hintergrund: Mit der Höhe eines Windrades verbessert sich die Energie-Ausbeute exponentiell. Die Anlagen werden darum immer größer; die jüngsten in Deutschland erreichen bereits knapp 370 Meter, sind in Brandenburg gerade im Bau. Die geplante Anlage auf Hoheward würde wohl noch größer wirken. Denn sie steht zusätzlich auf dem „Sockel“ der Halde, die sich gut 110 Meter über das Niveau der Umgebung erhebt.

Hinter Kiefern und lichtem Mischwald dreht sich das bislang einzige Windrad auf Hertener Stadtgebiet: die 150 Meter hohe Enercon-Anlage auf dem Gipfel der Halde Hoppenbruch.
Das bislang einzige Windrad auf Hertener Stadtgebiet dreht sich auf der Halde Hoppenbruch, die etwa 40 Meter niedriger als Hoheward ist. Das 1997 errichtete Enercon-Windrad wurde 2016 „repowered“, erzeugt seitdem fast dreimal so viel Strom wie in den ersten Jahren. Nabenhöhe: 99 Meter; Gesamthöhe: 150 Meter. © Joachim Schmidt

„Finden Sie einen Weg, das zu verhindern!“ Mit diesen Worten hat Hertens CDU-Ratsfraktionschef Matthias Waschk auf eine entsprechende Mitteilung von Stadtbaurätin Janine Feldmann an Hertens Lokalpolitiker reagiert. Doch das dürfte schwer werden.

„Es gab eine ruhrgebietsweite Untersuchung nach Vorrangflächen für Windenergie“, bestätigt Janine Feldmann auf Anfrage dieser Redaktion. Und dabei habe das Landesgutachten den markanten Standort Hoheward festgelegt, unweit des Horizont-Observatoriums, das neben dem Wind-Riesen zum optischen Zwerg würde. 220 Meter Höhe für den Turm nennt der RVR als „Referenzgröße“ und 75 Meter als „angenommene Rotorblattlänge“. Ist die Wind-Vorrangzone aber erst einmal genehmigt, darf es dort ohne Limit in den Himmel hinauf gehen.

Zum Vergleich: Das bislang einzige Windrad in Herten auf der kleineren Nachbarhalde Hoppenbruch ist „nur“ 150 Meter hoch, erzeugt laut Hersteller Enercon jährlich 6,7 Mio. Kilowattstunden. Die Turmspitzen des Kölner Doms sind mit 157 Metern gerade einmal sieben Meter höher, und der kilometerweit sichtbare Kühlturm des größten deutschen Kohlekraftwerks, Datteln 4, misst 179 Meter.

Blick vom Horizont-Observatorium auf Hoheward hinüber nach Westen in den Sonnenuntergang und zum 150-Meter-Windrad auf der kleinen Nachbarhalde.
Blick vom Horizont-Observatorium auf Hoheward hinüber zum 150-Meter-Windrad auf der kleinen Nachbarhalde. Wer das Observatorium für groß hält, muss nun umdenken: Insider schätzen, dass das neue Hoheward-Windrad sechsmal höher wird als der senkrecht stehende Zenit-Bogen. © RVR / Ruben Becker

Der ideale Platz für das neue Windrad ist laut Gutachten am westlichen Rand des Haldengipfels, gut 300 Meter von den geschwungenen Stahlbögen des Horizont-Observatoriums entfernt. Und es wird wohl sechsmal so hoch werden wie die Bögen, glaubt auch Patrick Berner aus Scherlebeck – Geo-Informatiker, Windenergie-Freund und grüner Bürgermeister-Kandidat in Herten. Eine Dimension, die CDU-Mann Waschk als optische Verschandelung des bisherigen Wahrzeichens auf der Halde empfindet.

Die alte Bergehalde, auf der sich das Riesenrad drehen soll, wirkt dabei wie ein gigantischer Sockel. Heute unter dem Motto Astronomie für Tourismus und Naherholung fit gemacht, wurde sie bis vor 20 Jahren noch aufgeschüttet mit Gestein, das Bergleute aus Marl, Herten und Recklinghausen als Abfallprodukt neben der Kohle zu Tage gefördert hatten.

Der windigste Ort in Deutschland ist zwar der Brocken im Harz, aber auch oben auf Hoheward, dem Dach des Reviers, berechnet das neue RVR-Gutachten eine sehr gute Wind-Ausbeute für die Stromerzeugung. Tatsächlich wissen auch Spaziergänger: Auf dem Haldengipfel bläst ständig ein kräftigerer Wind als unten in den Städten Herten und Recklinghausen.

„Wir Grüne sind nicht abgeneigt“

Ganz anders als CDU-Mann Waschk hat Bürgermeister-Kandidat Berner auf die Pläne des Landes reagiert: „Wir Grüne sind da nicht abgeneigt“, sagt Berner. „Mit den gut 300 Metern Abstand zum Horizont-Observatorium finde ich das auch optisch nicht tragisch.“ Berner, von Beruf Geo-Informatiker im Dienste der RAG, hat sich das geplante Setting als Simulation auf seinem Computer angesehen und meint: „Die Bögen des Observatoriums sind ja fast 50 Meter hoch, und das sieht immer noch gut aus. Außerdem ist die Erzeugung regenerativer Energie einfach wichtig, und der Standort verspricht eine gute Windausbeute. Es ist keine Wohnbebauung in der Nähe und nicht mal ein Kleingarten, wo der Schlagschatten der Rotorblätter die Menschen beim Grillen stören würde.“

Berner sagt weiter, er habe ein Problem damit, wenn jemand Windenergie zwar allgemein begrüße, „aber bitte nicht vor meiner Haustür“. Sorgen um das stadtbild-prägende Symbol des Horizont-Observatoriums mache er sich nicht: „Das Windrad ist ein neues Symbol, das das alte ergänzt.“ Zusätzlich werde gerade der Südhang der Halde daraufhin geprüft, ob dort großflächig Fotovoltaik-Anlagen installiert werden können. Windenergie auf dem Gipfel und Solarstrom am Hang: Das ergebe für ihn in der Gesamtschau sehr viel Sinn, auch als neues Symbol oder Wahrzeichen für eine Stadt.

Kritiker der Windvorrang-Zone bezweifeln allerdings, dass künftige Besucher der gerade entstehenden Rooftop-Bar der Moto 59 auf dem historischen Zechengelände Ewald am Fuß der Halde den Ausblick ebenfalls akzeptabel finden werden.

Antwort muss Ende Februar in Essen sein

Ausgedacht hat sich das Ganze aber niemand auf Ewald, in Herten oder Recklinghausen, sondern die Düsseldorfer Landesregierung: Zur Beschleunigung des Ausbaus von Windenergie werden nun landesweit sogenannte „Vorrang-Zonen“ geschaffen, wo jegliche andere Geländenutzung verboten ist und Windkraft-Anlagen unbegrenzte Vorfahrt genießen. Und im Ruhrgebiet ist der exponierteste neue Standort eben Hoheward.

Als Stadtbaurätin muss Janine Feldmann dem RVR bis zum 25. Februar eine offizielle Stellungnahme der Stadt Herten dazu zuschicken. Formal geht es dabei noch nicht um einen Bauantrag, sondern „nur“ um die sogenannte Raumordnung, den Regionalplan. Doch der ist bedeutsam. Auf Anfrage bestätigt die Stadtbaurätin, dass die Stadt Herten einen späteren Bauantrag für ein Windrad auf Hoheward, selbst wenn es höher als 220 Meter sein sollte, dann nicht mehr ablehnen könne. „Es gibt gute Argumente in beide Richtungen“, sagt die Stadtbaurätin. „Die Windenergie auszubauen ist sehr wichtig. Städtebaulich kann man das im Bezug zum Horizont-Observatorium allerdings auch kritisch sehen, und auch was die weitere Entwicklung auf Ewald betrifft, gibt es Bedenken.“

Sie werde darum mit der Ratspolitik in den Dialog gehen, bevor die Stadt eine offizielle Haltung zum geplanten Riesenrad einnimmt. Entscheiden könne das Projekt aber ebenfalls niemand in Herten oder der Halden-Nachbarstadt Recklinghausen. „Unsere Stellungnahme fließt in eine Abwägung des Für und Wider bei der Änderung des Regionalplans ein.“

Und der liegt in den Händen des sogenannten Ruhrparlaments in Essen: Das gewählte Kontrollgremium des RVR mit 91 Politikern von AfD bis Linke aus der gesamten Metropole Ruhr, die von Wesel bis Unna reicht, tagt am Freitag (13.12.).

Selbst der Rotmilan bleibt außen vor

Kuriosum am Rande: Auch das Horizont-Observatorium und der Rest der Halde Hoheward wird vom RVR verwaltet. Dieser könnte später selbst als Windrad-Bauherr auftreten oder die Fläche an einen Investor verpachten. Und: Parallel dazu arbeitet der RVR weiter daran, sein Observatorium standfest zu machen, um den Absperrzaun darum abzubauen und noch mehr Touristen in den „Landschaftspark Hoheward“ aufs Dach des Reviers zu locken.

Wie der RVR selbst in einem Papier für die 91 Ruhr-Parlamentarier schreibt, ist es sein Ziel, mit den neuen Vorrangzonen „einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“ – und zwar „zeitnah“. Die Beschleunigung des Windenergie-Ausbaus soll auch dadurch gelingen, dass umständliche Prüfverfahren vor dem Windradbau wegfallen. Heißt konkret: Selbst wenn Naturfreunde einen Rotmilan oder Goldregenpfeifer im Baugebiet finden, was schon oft neue Windräder in NRW verhinderte, ist das kein Hindernis mehr für die neuen Wind-Riesen.

Bereits jetzt können die Planunterlagen auf der Seite des Ruhrparlaments unter www.ruhrparlament.de eingesehen werden.