Hertener war „Moppel“, der Fälscher aus dem Darknet „Nur wenige lieferten so gute Qualität“

Pseudonym „Moppel“: Hertener (46) war professioneller Passfälscher
Lesezeit

Gesucht wurde „Moppel“, der Fälscher – gefunden aber erstmal nur ein verwaistes, aber noch körperwarmes Bett: Als ein Großaufgebot der Bundespolizei am 5. September 2023 mit einer Tür-Ramme ein Wohnhaus in Herten-Scherlebeck stürmt, bleibt ein Blitzzugriff zunächst aus. Erst beim zweiten Hinsehen erspähen die Beamten den gesuchten Passfälscher - er hockt halbnackt auf dem Hausdach.

Sechs Monate später sitzt der 36-jährige Hertener nun als Angeklagter vor der 13. Strafkammer am Bochumer Landgericht. Der Vorwurf: mindestens 22 Fälle von Urkundenfälschung. Die Dunkelziffer vermutet die zuständige Staatsanwaltschaft Köln (Zentralstelle Cybercrime) aber um ein Vielfaches höher.

Auf der Anklagebank setzt der Hertener mit der Zopffrisur ein Pokerface auf - versprüht fast schon aufreizende Gelassenheit.

Pseudonym „Moppel“

Spätestens seit April 2022 soll der Hertener auf der kriminellen Internet-Plattform „Crimemarket“ unter dem Pseudonym „Moppel“ in Serie selbst hergestellte, gefälschte Passdokumente aller Art angeboten und verkauft haben.

Laut Anklage bot der 36-Jährige Fälschungen in drei Qualitätsstufen an, „High End“ war angeblich das Nonplusultra. Für einen Personalausweis soll er 750, für einen Bootsführerschein 350 und für einen Führerschein 1000 Euro kassiert haben.

Auch dieser gefälschte Personalausweis wurde am Rande der Festnahme von "Moppel" aus Herten am 5. September 2023 von der Bundespolizei beschlagnahmt.
Auch dieser gefälschte Personalausweis wurde am Rande der Festnahme von "Moppel" aus Herten am 5. September 2023 von der Bundespolizei beschlagnahmt. © Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung

Die gefälschten Dokumente sollen entweder nach Kundenwunsch, mit Echtdaten abhandengekommener Ausweise oder aber auch mit missbräuchlich benutzten Identitäten Dritter ausgestellt worden sein.

Dialoge mit Interessenten soll „Moppel“ stets über einen speziellen Messenger geführt haben. Bezahlen ließ er sich laut Staatsanwaltschaft in den Kryptowährungen Bitcoin oder Monero.

Scheinkauf initiiert

Ins Visier der Cyber-Ermittler gerät der Hertener im Sommer 2022. „Auf der Plattform Crimemarket sind wir auf einen ‚Moppel‘ gestoßen, der dort ein Verkaufsangebot für gefälschte Ausweise inseriert hatte“, erinnert sich der Ermittlungsführer der Bundespolizei vor Gericht.

Die Cyber-Fahnder beschlossen damals, einen Scheinkauf zu initiieren, bestellten bei „Moppel“ zwei gefälschte Pässe und waren nach der Lieferung echt beeindruckt. „Es gab nur wenige Fälscher auf dem Markt, die eine so gute Qualität geliefert haben“, so der Polizeibeamte.

Spur zu Schreibwarenladen in Herten

Bis zur Enttarnung von „Moppel“ war es aber noch ein weiter Weg. Über die Sendungsnummer auf dem Einschreiben-Briefumschlag des Scheinkaufs ließ sich eine erste Spur zu einem Schreibwarenladen nach Herten verfolgen.

Über abgefangene Chats, so der Ermittlungsführer, habe man dann auch rausgekriegt, dass „Moppel“ einen Ausweis auf den Namen eines Bundeswehrsoldaten (aber mit einem echten Bild von sich selbst) gefälscht und damit mittels Video-Identifizierung ein Bankkonto eröffnet hatte.

So sollen auch Führerscheine von "Moppel" im Darknet angeboten worden sein.
So sollen auch Führerscheine von "Moppel" im Darknet angeboten worden sein. © Bundespolizeiinspektion Kriminalitätsbekämpfung Halle

Das Foto auf dem Fake-Ausweis wurde durch ein Gesichtserkennungs-Programm gejagt. Ausgespuckt wurde am Ende „Moppels“ echter Name.

Dazu muss man wissen: Ein Bild des Herteners befand sich durch eine Vorstrafe bereits in der Straftäter-Kartei.

Hologramme aus China bestellt

Verdeckt beginnen die Ermittler danach, Beweise zu sammeln. Sie reisen nach Herten, überwachen „Moppels“ Telefonate, initiieren weitere Scheinkäufe, beobachten seine Briefaufgaben bei der Post, fischen heimlich einige seiner Briefe ab.

Nach Angaben des Ermittlungsführers lässt sich nachweisen, dass die notwendigen Hologramm-Folien zur Ausweisfälschung offenbar problemlos auf einem Onlinemarkt (Alibaba) in China geordert werden konnten.

Goldbarren und Silbermünzen

Auch finden die Cyber-Fahnder heraus, dass „Moppel“ Tausende Blankoplastikkarten bestellt, sich Goldbarren und Silbermünzen im Wert von 31.000 Euro kauft und das alles mit Kryptowährung bezahlt.

„Er und seine Community wähnten sich im Darknet offenbar absolut in Sicherheit“, so der Zeuge. Dazu passt: Der Hertener veranstaltete auf „Crimemarket“ nicht nur ein Gewinnspiel mit einem von ihm gefälschten Gratis-Pass als Hauptpreis. Er soll außerdem dort auch Videoanleitungen (Tutorials) zur Herstellung von Ecstasy verbreitet haben.

Verdeckte Überwachung aufgeflogen

Im September 2023 überschlagen sich die Ereignisse. „Irgendwie hatte Moppel offenbar die verdeckte Überwachung bemerkt“, erinnert sich der Ermittlungsführer.

Über Kanäle bei der Polizei habe der 36-Jährige versucht rauszubekommen, ob ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt. „Den gab es zwar, wir hatten ihn aber vorsorglich nicht im System abgelegt“, verrät der Zeuge. Als sich dann aber verdichtet habe, dass „Moppel“ sich nach Mallorca absetzen will, habe man die Razzia angeordnet.

Parallel zu „Moppels“ Festnahme auf dem Dach („Er hatte nur eine Unterhose an“) wird in dem gestürmten Wohnhaus in Scherlebeck auch seine professionelle Fälscherwerkstatt entdeckt.

Beschlagnahmt werden eine Lasergravurmaschine, Spezial-Drucker, Folien, Datenträger, Handys und auch einige fertige (gefälschte) Ausweise.

Teilgeständnis abgelegt

Gut die Hälfte der 22 angeklagten Passfälschungen gibt „Moppel“ zu. Mit Blick auf die andere Hälfte sät er vor Gericht Zweifel, nimmt vor allem die Fälle aufs Korn, die auf Basis von User-Bewertungen im Darknet rekonstruiert worden sind („Das sind nur Fake-Rezensionen“).

Dass der Hertener seit nunmehr sechs Monaten in U-Haft sitzt, ist im Dark- und Internet sofort aufgefallen. „Wo sind die ganzen Profis für Fake-IDs hin? Wo ist Moppel? Er hat die besten“, schreiben User. Und ein anderer trauert: „RIP. Moppel, die Legende.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich an 7. März 2024