Lambrecht-Rücktritt Wer folgt der Verteidigungsministerin?

Lambrecht-Rücktritt: Wer folgt der Verteidigungsministerin?
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Seit Monaten steht Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) für ihre Amtsführung in der Kritik – Rücktritts­forderungen inklusive. Zuletzt hatte einiges dafür gesprochen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ihre Ablösung bereits plant – unter anderem hatte er sie in der Frage der Lieferung von Marder-Schützen­panzern aus Bundes­wehr­beständen an die Ukraine übergangen.

Nun hat Lambrecht am Montag um Entlassung bei Scholz gebeten. So muss Scholz den – gerade wegen des Kriegs in der Ukraine zentralen Posten im Ampelkabinett – schnell neu besetzen oder die Rochade vorziehen. Es wurde bereits am Wochenende viel über mögliche Nachfolger spekuliert.

Die Spielregeln dafür: 1. Über die Verteilung, welche Partei welches Ministerium besetzt, wird in Koalitions­verhandlungen entschieden. Auch der Bundeskanzler kann das nicht eigenmächtig neu aufschnüren. 2. Über Berufung und Abzug eines Ministers oder einer Ministerin entscheidet der eigene Parteichef. Scholz kann zum Beispiel keinen FDP-Minister nominieren oder absetzen.

Und 3. hat Scholz sich selbst eine eigene Regel gegeben: Im Wahlkampf hatte er versprochen, die Hälfte seiner Kabinettsposten mit Frauen zu besetzen – nicht nur die Hälfte der SPD-Posten. Weil das FDP-Chef Christian Lindner egal war und die FDP drei von vier Ministerämtern mit Männern besetzte, musste Scholz das ausgleichen. Es ist aber allein sein eigener Anspruch, an dem er sich dabei messen lassen muss.

Folgende Namen werden derzeit als Kandidaten gehandelt:

Eva Högl, Wehrbeauftragte des Bundestages

Wenn Scholz einen großen Kabinettsumbau vermeiden will – und dafür spricht einiges –, dann ist die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, die am nächsten liegende Nachfolgerin als Verteidigungs­ministerin. Die 54‑Jährige promovierte Juristin ist in Niedersachsen geboren, hat aber ihren Wahlkreis in Berlin. Sie war mehr als zehn Jahre Bundestags­abgeordnete und hatte sich fraktionsübergreifend einen so guten Ruf als Innenpolitikerin erarbeitet, dass sie bereits als mögliche Bundesministerin gehandelt wurde.

Als sie vor zwei Jahren Wehrbeauftragte des Parlaments wurde, löste das Kritik an ihrer mangelnder Bundeswehrexpertise aus. Doch anders als die frühere Bundes­justiz­ministerin Lambrecht arbeitete sich Högl schnell und tief in die Materie ein, überzeugte durch Fleiß und zahlreiche Truppenbesuche auch die Soldatinnen und Soldaten – und gilt heute als kompetente Wehrbeauftragte, die sich für die Modernisierung und eine bessere Ausstattung der der Bundeswehr einsetzt.

Gegen Högl spricht vor allem zweierlei: Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Innenpolitikerin hätte Scholz sie auch gut als Nachfolgerin für Innen­ministerin Faeser einsetzen können, falls diese nach Hessen wechselt. Außerdem hat Högl einen so großen Verwaltungs­apparat wie das Verteidigungs­ministerium noch nie geführt. Allerdings hatte Lambrecht die Erfahrung als Justizministerin offenbar auch nicht geholfen. Und Högl war immerhin schon Referatsleiterin im Bundes­arbeits­ministerium und Vizechefin der SPD-Fraktion im Bundestag.

Siemtje Möller, Staatssekretärin im Verteidigungs­ministerium

Nicht oft, aber bisweilen kam es schon vor, dass nach einem Ministerrücktritt einer seiner Stellvertreter nachrückt: in der Bundesregierung sind das die Staatssekretäre. Um seine Frauenquote einzuhalten und sich Eva Högl als mögliche Faeser-Nachfolgerin zu bewahren, könnte Olaf Scholz auf Lambrechts Parlamentarische Staatssekretärin zurückgreifen: Siemtje Möller.

Die 39‑Jährige hat ebenfalls langjährige Kompetenz in Sachen Bundeswehr aufgebaut, war vor ihrer Berufung in den Bendlerblock bereits verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, hat sich im neuen Job einen guten Ruf erworben und kennt das Ressort. Allerdings fehlt auch ihr Führungserfahrung. Inhaltlich steht Möller, die seit 2014 zum SPD-Landesvorstand in Niedersachsen zählt, Scholz nahe und hat sich als Sprecherin des Seeheimer Kreises frühzeitig für seine Kanzlerkandidatur eingesetzt.

Lars Klingbeil

Der Co‑Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, gilt Konservativen als „einer der wenigen Sozialdemokraten ohne Igitt-Reflex bei der Bundeswehr“ („Die Welt“): Die Truppe kennt er nicht nur von regelmäßigen Besuchen beim größten deutschen Heeresstandort in Munster, das zu seinem Wahlkreis als Bundestags­abgeordneter zählt. Auch sein Vater war Soldat, und Klingbeil selbst verdiente sich erste Sporen im Verteidigungs­ausschuss.

Nach der Bundestagswahl wurde Klingbeil bereits als möglicher Verteidigungs­minister gehandelt – doch als Norbert Walter-Borjans als SPD-Chef zurücktrat, entschied er sich für den Co‑Parteivorsitz an der Seite von Saskia Esken. Gegen Klingbeil spricht erstens, dass Scholz für ihn die Geschlechter­parität aufgeben müsste – was er aber mit der besonderen Lage wegen des Ukraine-Kriegs begründen könnte. Aber auch den eigenen Parteichef im Kabinett zu haben, ist schwierig. Zudem hatte die SPD seinerzeit Esken unter Druck gesetzt, sich zwischen Ministeramt und Parteivorsitz zu entscheiden. Das müsste nun auch Klingbeil, der aber vielen als Stabilitätsanker an der Parteispitze gilt.

Wolfgang Schmidt oder Hubertus Heil

Falls Olaf Scholz die große Kabinetts­umbildung doch jetzt vornimmt, könnte einiges in Bewegung geraten – allerdings, siehe oben, nur unter den SPD-Ministern. Am Ende könnten neben dem Verteidigungs- und dem Innen­ministerium auch das Arbeits- und Sozialministerium oder gar der Posten des Kanzler­amts­chefs neu besetzt werden.

Das wäre dann der Fall, wenn Scholz jetzt oberste Priorität auf das Verteidigungs­ressort setzen will und einen ausgewiesenen Profi in Sachen Verwaltung und Ministeriumsführung einsetzt. Als solcher gilt Arbeitsminister Heil, über den der „Spiegel“ als möglichen Lambrecht-Nachfolger spekuliert, auf jeden Fall. Zudem hat Heil viele Großprojekte der Sozialdemokratie nach fünf Jahren im Amt bereits umgesetzt. Könnte er nun als Verwaltungsprofi den Bendlerblock übernehmen?

Auch Kanzleramtsminister Schmidt zum Lambrecht-Nachfolger zu machen würde heißen, das Ressort zur Chefsache zu machen und den engsten Scholz-Vertrauten damit zu betrauen. Schmidt geht aber in seinem Posten als Kanzleramtschef auf, und Scholz müsste – wie auch im Fall Heil – etliche neue Besetzungs­probleme lösen, idealerweise mit Frauen.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungs­ausschusses

Ihr Name wird oft genannt, doch die FDP-Frau ist chancenlos: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungs­ausschusses im Bundestag, ist als Talkshow- und Interviewgast beliebt und als Bundeswehr- und Militärexpertin unbestritten. Dass ihr aber auch das Kunststück des Karl Lauterbach gelingt, der vom medial omnipräsenten Corona-Experten zum Gesundheitsminister wurde, ist jetzt unwahrscheinlicher als noch vor der Koalitionsbildung. Denn schon damals verhinderte FDP-Chef Christian Lindner, dass „Strack-Zi“ ins Kabinett kommt – er hatte auf seinen engsten Vertrautenkreis gesetzt und Loyalität weit über Fachexpertise bewertet. Wen davon sollte er nun für Strack-Zimmermann opfern?

Abgesehen davon kann auch Scholz kein Interesse daran haben, die Vereinbarung zwischen SPD, Grünen und FDP über die Verteilung der Kabinettsposten neu aufzuschnüren. Es wäre ein Zeichen sozialdemokratischer Schwäche – und würde Scholz vor ganz neue Probleme stellen. Ganz besonders ein inhaltliches: Strack-Zimmermann vertritt vom Tag des Kriegsbeginns an eine grundlegend andere Linie zum Ukraine-Krieg als Scholz, und zwar offensiv – in jedem erdenklichen Wortsinn.

RND

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