Lärmende Motoren Warum die Polizei im Kreis Unna Motorräder anders als Pkw kontrolliert

Die Polizei im Kreis Unna kontrolliert Pkw-Lärm anders als Motorradlärm
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Seitdem Elektrofahrzeuge über die Straßen surren, fällt Verkehrslärm von Verbrennern noch stärker auf. Dabei sind Motoren von Zweirädern oft gefühlt wesentlich lauter als von Pkw. Dass besonders großer Lärm aus dem Auspuff Folge von Manipulationen sein kann, bestätigt auch die Polizei im Kreis Unna.

Man sitzt also sonntags bei Sonnenschein im Garten und jäh wird das Vogelgezwitscher von röhrenden Geräuschen auf der Straße unterbrochen – ein Moped, Mofa oder Motorrad ist vorbeigedröhnt. Wie kann ein kleines Fahrzeug so laut sein und wird das nicht kontrolliert?

Polizei kontrolliert vor allem Pkw

Für die Beamten des Verkehrsdienstes bei der Kreispolizeibehörde ist Lärmbelästigung im Straßenverkehr durchaus ein Thema. Allerdings kontrolliere man insofern in erster Linie Pkw, erklärt Pressesprecherin Vera Howanietz.

Die Polizei führt bei solchen Kontrollen Messungen durch. Werde ein zu hoher Wert festgestellt, stellten die Beamten das Fahrzeug sicher und ließen es anschließend eingehender begutachten.

Ein Motorradfahrer fährt an einem Schild mit der Aufschrift „Leise fahren. Lärm ersparen!“ vorbei.
Ein Motorradfahrer fährt an einem Schild mit der Aufschrift „Leise fahren. Lärm ersparen!“ vorbei. Der Freistaat Bayern und der ADAC Nordbayern haben vor einiger Zeit Maßnahmen für weniger Verkehrslärm vorgestellt. © picture alliance/dpa
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„In fast allen Fällen ist eine Veränderung an der Abgasanlage vorgenommen worden“, so Howanietz. Über eine eventuelle Stilllegung des Fahrzeugs entscheide im Anschluss die Straßenverkehrsbehörde. Es werde auch eine Ordnungswidrigkeitenanzeige wegen Lärmbelästigung fällig.

Die Rechnung für das gesamte Prozedere hat der Manipulator zu begleichen. Auf den Betroffenen komme ein Bußgeld zu und er müsse auch die Kosten für das Abschleppen, die Sicherstellung und Begutachtung tragen. Vera Howanietz: „Zudem muss er dafür Sorge tragen, dass das Fahrzeug wieder in einen verkehrstauglichen Zustand versetzt wird, falls es weiter genutzt werden soll.“

Nur selten Kontrollen von Motorrädern

Während Lärmkontrollen bei Pkw also zur polizeilichen Routine gehören, fallen die oft als viel lauter empfundenen motorisierten Zweiräder durchs Raster. „Motorräder werden bei der Kreispolizeibehörde Unna eher seltener überprüft, da wir keine Motorradszene wie zum Beispiel im Bereich des Möhnesees haben“, begründet Vera Howanietz.

Dementsprechend sei auch die Zahl der polizeilichen Maßnahmen gegen Kradfahrer eher gering. Mofas, Mopeds und Roller werden laut Polizei hingegen häufig im Rahmen der allgemeinen Verkehrskontrollen überprüft, da sie mit einfachen Mitteln „verändert“ werden könnten.

Dabei gehe es in der Regel um Leistungssteigerungen. Das Schrauben am Moped kann weitreichende Konsequenzen haben. „Wenn dann der erforderliche Führerschein nicht vorliegt, besteht der Verdacht des Fahrens ohne Fahrerlaubnis“, betont die Polizei in Unna.

Der Bundesverband gegen Motorradlärm, der mit der Deutschen Umwelthilfe kooperiert, läuft unterdessen vor allem Sturm gegen Geräuschbelästigung und frisierte Maschinen.

Ein Polizist demonstriert neben einem Dienstmotorrad der Polizei die Durchführung einer Schallpegelmessung.
Ein Polizist demonstriert neben einem Dienstmotorrad der Polizei die Durchführung einer Schallpegelmessung – eine der in Bayern vorgestellten Maßnahmen für weniger Verkehrslärm. © picture alliance/dpa
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Maßnahmen gegen Verkehrslärm

  • Laut Umweltbundesamt ist bei Mittelungspegeln tagsüber von mehr als 55 Dezibel außerhalb des Hauses zunehmend mit Beeinträchtigungen des psychischen und sozialen Wohlbefindens zu rechnen. Um die Gesundheit zu schützen, sollte ein Mittelungspegel von 65 Dezibel am Tage und 55 Dezibel in der Nacht nicht überschritten werden. Grenzwerte würden aber gerade im Straßenverkehr immer noch überschritten. Das Umweltbundesamt hat daher eine Prioritätenliste bei der Lärmminderung erstellt (nicht vollständig):
  • Lärmminderung am Kraftfahrzeug: Messungen des Umweltbundesamtes hätten gezeigt, dass Pkw heute im Mittel noch genauso laut wie vor 25 Jahren sind. Eine wesentliche Ursache hierfür sei, dass die Betriebsbedingungen bei der Typprüfung relativ fern von der Realität sind. Es sei daher ein neues Messverfahren für die Geräuschtypprüfung von Kraftfahrzeugen entwickelt worden. Bestehe der Verdacht, dass die Grenzwerte überschritten werden, könne die Polizei eine Vorführung bei einer Prüfstelle veranlassen. Sie könne darauf dringen, dass die festgestellten Mängel behoben werden (z. B. bei fehlender oder defekter Abgasanlage).
  • Lärmmindernde Fahrbahnbeläge: Da das Reifen-Fahrbahn-Geräusch bei Pkw bereits ab circa 30 km/h (bei Lkw ab circa 60 km/h) die dominierende Geräuschquelle sei, könne der Einsatz von lärmmindernden Fahrbahnbelägen die Lärmbelastung verringern. Ein moderner geräuschmindernder Straßenbelag könne um bis zu acht Dezibel leiser als der Referenzbelag sein. Pflaster führten zu deutlich lauteren Geräuschen als der Referenzbelag, ebenso mangelhafte Fahrbahndecken mit Schlaglöchern oder Kanaldeckel mit Niveauunterschied.
  • Geschwindigkeitsbegrenzung: Eine Reduzierung der Geschwindigkeit reduziere grundsätzlich auch den Lärm. Eine Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h vermindere den Lärmpegel je nach Lkw-Anteil um zwei bis drei Dezibel. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung nach Paragraf 45 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 der Straßenverkehrsordnung könne von jedem betroffenen Bürger bei der Straßenverkehrsbehörde beantragt werden. Der Erfolg der Geschwindigkeitsbegrenzung hänge jedoch entscheidend davon ab, ob sie eingehalten wird. Dies werde meist nur durch konsequente Geschwindigkeitskontrollen erreicht.

Der Bundesverband zitiert in einer Veröffentlichung einen Fahrer der Motorradstaffel der Polizei in Stuttgart, der sagt: „Beim Dieselskandal waren die Kunden unwissend, bei extrem lauten Fahrzeugen dagegen wollen Kunden diese Manipulation und die Hersteller tun alles, um diesen Wunsch zu erfüllen.“

Mit Manipulation ist laut Stuttgarter Nachrichten folgender Sachverhalt gemeint: „Die Hersteller … programmieren die Steuergeräte der Fahrzeuge so, dass die Motoren bis knapp unter der Messdrehzahl einen ohrenbetäubenden Lärm abgeben. Kurz vor Erreichen der Messdrehzahl wird das Fahrzeug dann um ein Vielfaches leiser, weil die Elektronik die Auspuffklappen schließt.“

Manipulationen an Motoren bekannt

Die Polizei dürfe aber nur dieses leise Geräusch messen und bewerten.

Diese Form der Manipulation an den Auspuffanlagen sei auch den Kollegen des Verkehrsdienstes der Kreispolizeibehörde Unna bekannt, bestätigt Vera Howanietz. „Berührungspunkte gab es damit aber bisher nicht.“

Ein Polizist hält neben einen Auspuff eines Motorrads ein geeichtes Schallpegelmessgerät mit der Schallpegelmessung von 81.8 Dezibel.
Ein Polizist hält neben einen Auspuff eines Motorrads ein geeichtes Schallpegelmessgerät mit der Schallpegelmessung von 81,8 Dezibel. © picture alliance/dpa

Solange es sich um abgenommene, eingetragene Veränderungen handele, seien diese legitim und könnten somit keine Grundlage polizeilichen Handelns bieten. Der Bundesverband der Motorradfahrer wehrt sich gegen einen Generalverdacht, dass seine Zunft zu schnell und zu laut unterwegs ist.

Er räumt aber auch ein: „Sicherlich ist es so, dass auf bestimmten, meist kurvenreichen Strecken von Einzelnen oder kleinen Gruppen rücksichtslos ,geheizt‘ wird, und das zu erhöhten Unfallzahlen und einer erheblichen Lärmbelastung führt.“ Streckensperrungen als „Allheilmittel“ lehne man aber ab.

Im Kreis Unna gibt es einen Straßenabschnitt, der bereits seit 2009 für Motorräder an Sams-, Sonn- und Feiertagen Tabu ist: Die Sperrung der B236 zwischen Schwerte-Ergste bis zum Schälk wird allerdings mit hohen Unfallzahlen und nicht mit Verkehrslärm begründet.

„Die Unfallkommission des Kreises hatte seinerzeit diesen Bereich als Unfallhäufungsstelle definiert. Das ist jetzt nicht mehr der Fall“, heißt es dazu seitens der Polizei. Für die Sperrung sei aber nicht die Polizei zuständig.