Kündigungswelle bei Rhenus Rund 100 Mitarbeiter in Holzwickeder Firmenzentrale entlassen

Rhenus löst Tochterfirma auf: 100 Mitarbeiter entlassen
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Kündigungswelle beim deutschen Logistikriesen Rhenus: Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Unternehmenszentrale in Holzwickede gegenüber dem Flughafen Dortmund verlieren ihre Arbeitsstellen. Die Beschäftigten der Rhenus-Tochtergesellschaft Freight Network wurden am Donnerstag (16.5.) über ihre fristgerechte und betriebsbedingte Kündigung informiert, wie unsere Redaktion erfuhr.

Das „Townhall Meeting“ zur Bekanntgabe der Entlassungen in einem Großraumbüro im Haus 5 der Rhenus-Zentrale war kurzfristig anberaumt worden. Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Homeoffice wurden zusammengetrommelt.

Der IT-Chef des übergeordneten Geschäftsbereichs Rhenus Air & Ocean, Frank Hinkel, trat nach übereinstimmenden Informationen mehrerer Beteiligter vor die versammelte Mannschaft und verkündete eine Hiobsbotschaft: Die Rhenus Freight Network GmbH werde geschlossen, weil sie nicht mehr effizient genug arbeite. Die Folge: Zahlreiche IT-Spezialisten, Softwareentwickler und Produktverantwortliche verlieren ihre Arbeitsstelle.

Die Anwesenden reagierten geschockt auf das Aus. Die Belegschaft sei von dem Chief Information Officer (CIO) Hinkel vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Es war wie im Film, als der neue Boss mitteilt, dass alle gefeuert sind“, heißt es. Schon nach wenigen Minuten sei Hinkel mit der Verkündung der Nachricht durchgewesen. „Anschließend sind alle nach Hause gegangen.“ Vorher wurden Entlassungspapiere ausgehändigt.

Die Rhenus-Gruppe mit Hauptsitz in Holzwickede direkt gegenüber dem Flughafen Dortmund operiert mit ihren Frachtflotten und Lagerhäusern in mehr als 70 Ländern. Die von der Massenentlassung betroffene Tochterfirma Rhenus Freight Network GmbH ist unter anderem für IT-Systeme und Serviceleistungen zuständig. Doch die Dienste der hauseigenen Fachleute werden offenbar nicht länger benötigt, mindestens ein externer Dienstleister soll übernehmen.

Die Entlassungen betreffen ausschließlich die Unternehmenszentrale und die Tochter Rhenus Freight Network GmbH.
Die Entlassungen betreffen ausschließlich die Unternehmenszentrale und die Tochter Rhenus Freight Network GmbH. © Carsten Fischer

Rhenus-Sprecherin Julia Bizer bestätigte Entlassungen im Zusammenhang mit der Auflösung der Tochtergesellschaft, ging aber nicht auf die im Raum stehende Zahl von rund 100 ausgesprochenen Kündigungen ein. Nicht alle Mitarbeitenden seien sofort freigestellt worden, heißt es in einer Stellungnahme auf unsere Anfrage.

Einzelne Mitarbeiter können sich Hoffnung auf eine Weiterbeschäftigung in anderen Bereichen der Rhenus-Gruppe machen. Die Sprecherin bestätigte entsprechende Angebote für „30 bis 40 Personen“. Aufgrund der Pfingstferien seien viele Gespräche noch nicht abgeschlossen und man stehe noch mit den Kolleginnen und Kollegen im Austausch. Zudem kündigte Rhenus eine „Outplacement“-Beratung an, „um die gekündigten Mitarbeitenden in den kommenden Wochen zu unterstützen“.

Kündigung aus heiterem Himmel

Die Kündigung kam für viele Betroffene aus heiterem Himmel. Manche glaubten lediglich an eine Umstrukturierung. „Wir waren überrascht“, sagte ein Insider unserer Redaktion. Andere berichten, dass sich eine Auslagerung der IT-Dienste schon abgezeichnet habe, nachdem Frank Hinkel vor einiger Zeit vom externen IT-Unternehmen Neozo zu Rhenus gekommen sei. Neozo – mittlerweile eine Rhenus-Minderheitsbeteiligung mit Standorten in Köln, Münster und Bangkok – soll künftig eine stärkere Rolle spielen.

Rhenus begründet das Aus für die Tochter Freight Network mit ihrer geschwundenen Bedeutung für das Unternehmen. Die GmbH habe ihre Leistungen zuletzt nur noch für eine der Rhenus-Divisionen – Air & Ocean – angeboten, was angesichts ihrer Größe nicht länger wettbewerbsfähig gewesen sei.

Ob auf der Straße, in der Luft oder zu Wasser: Rhenus besetzt weltweit etliche Glieder in verschiedenen Lieferketten und ist seit der Aufnahme in die Rethmann-Gruppe aus Lünen Ende der 1990er-Jahre kontinuierlich gewachsen. Die Eigentümer werden zu den reichsten Deutschen gezählt. In den 2000er-Jahren wurde der aktuelle Hauptsitz in Holzwickede hochgezogen, der 2019 durch einen Erweiterungsbau, den sogenannten Campus, vergrößert wurde. Allein dadurch wurden 500 neue Arbeitsplätze geschaffen. Weltweit beschäftigt der Logistikdienstleister mit einem Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro rund 40.000 Menschen an 1320 Standorten.

Die Auflösung einer Tochterfirma wurde am vorigen Donnerstag durch den Rhenus-Manager Frank Hinkel bekannt gegeben.
Die Auflösung einer Tochterfirma wurde am vorigen Donnerstag durch den Rhenus-Manager Frank Hinkel bekannt gegeben. © Carsten Fischer

Unternehmen auf Wachstumskurs

Ungeachtet der Schließung der Tochterfirma bleibt Rhenus auf Wachstumskurs. „Wir sind weiterhin auf einem Wachstumskurs und die Schließung einer einzelnen Gesellschaft sind nicht im direkten Zusammenhang mit unserer wirtschaftlichen Entwicklung zu sehen“, erklärte Rhenus auf Anfrage.

Andere IT-Abteilungen bei Rhenus bleiben und entwickeln weiterhin voll integrierte Produkte und Dienstleistungen. „Dabei entscheiden wir auch in Zukunft im Einzelfall, welche Dienstleistungen wir selbst mit unseren eigenen Mitarbeitenden abbilden können und welche wir durch externe Dienstleister erbringen lassen. Sie garantieren unseren Geschäftspartnern eine zuverlässige IT-Basis und ermöglichen es ihnen, sich auf ihr operatives Geschäft zu konzentrieren.“

Von der Kündigung betroffene Mitarbeiter kritisierten im Gespräch mit unserer Redaktion, dass es im Vorfeld keine Gespräche über eine sozialverträgliche Lösung ohne Entlassungen gegeben habe. Einen Betriebsrat gibt es nicht.

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Die Begründung von Rhenus im Wortlaut

In einer Stellungnahme schreibt Rhenus: „Die Gesellschaft Rhenus Freight Network GmbH wurde gegründet, um einen Teil unserer Divisionen mit IT-Dienstleistungen zu unterstützen. Zuletzt hat die Rhenus Freight Network GmbH ihre Leistungen nur noch für eine unserer Divisionen – Air & Ocean – angeboten, was angesichts ihrer Größe nicht länger wettbewerbsfähig war.

Unsere Analysen und die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass wir dies in der bestehenden internen Struktur nicht länger abbilden können, sondern in diesem gesonderten Fall zunehmend auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern setzen müssen. Damit können wir die erforderliche Flexibilität, das Fachwissen und nicht zuletzt IT-Ressourcen entsprechend der Anforderungen unserer Kunden bereitstellen und wettbewerbsfähige IT Services anbieten. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, die Rhenus Freight Network GmbH am Standort Holzwickede zu schließen.

Aufgrund unserer sozialen Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitenden haben wir uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht und die Gesamtsituation zunächst gründlich aus verschiedensten Perspektiven analysiert. Dabei war uns stets bewusst, dass die Mitarbeitenden der Rhenus Freight Network GmbH sehr qualifiziert sowie loyal sind und sehr wertvolle (teils langjährige) Arbeit geleistet haben. Wir arbeiten daher auch mit einer „Outplacement“-Beratung zusammen, um die gekündigten Mitarbeitenden in den kommenden Wochen zu unterstützen.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 21. Mai 2024.