Das Bundesinnenministerium hat einen Vorschlag gemacht, wie Angehörige krimineller Clans oder anderer Gruppierungen der organisierten Kriminalität leichter abgeschoben werden könnten. Das Diskussionspapier sieht vor, dass eine Ausweisung bereits möglich sein soll, wenn jemand Teil einer kriminellen Vereinigung war oder ist. Insbesondere von Union und Grünen hatte es Kritik an den Vorschlägen gegeben. Auch in Faesers Partei, der SPD, gab es zurückhaltende Stimmen.
In Deutschland gibt es zahlreiche Clans. Die Zahl der Straftaten und Ermittlungsverfahren steigt. Seit 2018 erstellt das Landeskriminalamt für NRW jährlich ein „Lagebild Clankriminalität“. Danach wurden 2018 in NRW 4595 Clan-Straftaten und 2832 Tatverdächtige gezählt.
2022 waren es bereits 5573 Straftaten und 4035 Tatverdächtige. Deutschlandweite Zahlen gibt es nicht. Das BKA erstellt kein Bundeslagebild Clankriminalität, und viele Bundesländer erheben auch keine eigenen Zahlen.
Dabei reicht die Entwicklung der Clankriminalität in Deutschland bis in die 1980er-Jahre zurück. Nach dem libanesischen Bürgerkrieg emigrierten besonders staatenlose arabische und palästinensische Familien nach Deutschland. Arbeiten durften sie nicht, die Kinder waren nicht schulpflichtig, Parallelgesellschaften entstanden.
Einige Familien begannen daraufhin, mit illegalen Aktivitäten Geld zu verdienen; die Polizei und die Justiz sind oft machtlos. Die Straftaten reichen heute von Drogenhandel und Raub über Erpressung bis Diebstahl. Einige Clans haben mittlerweile Hunderte oder sogar Tausende Mitglieder und in ihrem Einflussbereich eine große Macht. Eine Übersicht der bekanntesten Clans in Deutschland:
Der Abou-Chaker-Clan
Die palästinensische Abou-Chaker-Familie floh zuerst vor dem Nahostkonflikt und später vor dem Bürgerkrieg im Libanon nach Deutschland. Mittlerweile zählt die Großfamilie mehrere Hundert Mitglieder in Berlin, gehört damit nur zu den kleineren Clans. Durch die Verbindung zur Deutsch-Rap-Szene zählt die Familie zu den einflussreichsten.Arafat Abou-Chaker gilt als das Oberhaupt des Clans und steht seit der Trennung von Rapper Bushido, dessen Manager er war, regelmäßig in den Schlagzeilen. Derzeit muss sich der Clanchef vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem Freiheitsberaubung, versuchte schwere räuberische Erpressung, Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Beleidigung und Untreue vor. Zu den mutmaßlichen Taten soll es gekommen sein, nachdem Bushido die Beziehungen zu seinem Manager aufgelöst hatte. Der Rapper tritt als Nebenkläger auf.
Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Arafat Abou-Chaker auch wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Der Grund: Er hatte nach dem Überfall der Hamas auf Israel den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auf TikTok mit Adolf Hitler verglichen.
Bereits 2010 machte der Abou-Chaker-Clan durch den Berliner „Pokerraub“ große Schlagzeilen. Vier bewaffnete junge Männer, Mitglieder des Clans, hatten am 6. März 2010 den Spielsaal eines Luxushotels gestürmt und bei einem Pokerturnier 240.000 Euro erbeutet. Einer von ihnen war Mohammed Abou-Chaker. Weitere bekannte Clanmitglieder sind Ali, Rommel, Yasser und Abdallah. Die Straftaten des Clans reichen den Behörden zufolge von Körperverletzung, Schutzgelderpressung, Drogen- und Waffenhandel bis hin zu Raubüberfällen, Entführung und Zuhälterei.

Der Miri-Clan
Der Miri-Clan ist vor allem in Bremen aktiv, teils auch in Essen und Berlin. Zu den dem Clan zugeschriebenen Straftaten zählen Schutzgelderpressungen, Waffen-, Drogen- und illegaler Medikamentenhandel. In Bremen werden rund 30 Familien mit 3500 Angehörigen dem Clan zugeordnet, bundesweit über 8000.
Beim Miri-Clan handelt es sich weniger um unmittelbar verwandte Personen als um Angehörige und Nachfahren einer bestimmen Volksgruppe, den Mhallami. Den Anfang machten Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon in den frühen 80er-Jahren.
Als Clanchef gilt Ibrahim Miri. Er wurde nach einer sechsjährigen Haftstrafe im Juli 2019 in den Libanon abgeschoben. Wenige Monate später tauchte er wieder in Bremen auf und stellte einen Antrag auf Asyl. Es kam zur erneuten Festnahme und Abschiebung. 2021 kam das Bremer Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass beide Abschiebungen rechtswidrig waren. Dennoch darf der heute 50-Jährige nicht wieder einreisen: Das Gericht stellte fest, dass ein für sieben Jahre geltendes Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig ergangen sei.
Ibrahim Miri wurde in Deutschland von 1989 bis 2014 insgesamt 19 Mal rechtskräftig verurteilt, u.a. wegen Raubes, schweren Diebstahls, Hehlerei und bandenmäßigen Drogenhandels.
Der Remmo-Clan
Auch der Remmo-Clan stammt aus der Volksgruppe der Mhallami aus dem Libanon. Die Großfamilie soll über 500 Mitglieder zählen und ist zumeist in Berlin aktiv. Als Clanchef gilt Issa Remmo, der mindestens 13 Kinder haben soll. Ashraf Remmo ist sein jüngerer Bruder. Der Clan wird unter anderem mit schwerer Körperverletzung, Schutzgelderpressung, Raub, Drogenhandel, Geldwäsche, Hehlerei, Diebstahl, illegalem Waffenbesitz und Waffenhandel sowie Mord in Verbindung gebracht.
Die beiden aufsehenerregendsten Taten von Mitgliedern des Remmo-Clans waren der Einbruch ins Bode-Museum 2017 und der Dresdner Juwelendiebstahl 2019. Der Kunstdiebstahl aus Sachsens berühmtem Schatzkammermuseum am 25. November 2019 gilt als einer der spektakulärsten in Deutschland. Die Täter erbeuteten 21 historische Schmuckstücke im Gesamtwert von 116,8 Millionen Euro aus dem Grünen Gewölbe und verursachten über eine Million Euro Schaden.
Für den Einbruch und zwei Brandstiftungen – an einem Fluchtauto in der Tiefgarage eines Wohnhauses und an Stromverteileranlagen in der Altstadt – wurden im Mai fünf junge Männer aus dem Berliner Remmo-Clan zu Freiheitsstrafen verurteilt. Für einen sogenannten Deal hatten sie im Dezember 2022 den Großteil der Beute zurückgegeben, drei prominente Objekte mit großen Steinen aber sind weiterhin verschwunden.
In der Nacht zum 27. März 2017 wurde die 100 Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ mit einem Wert von 3,75 Millionen Euro aus dem Berliner Bode-Museum aus einer Vitrine gestohlen und mit Schubkarre und Rollbrett abtransportiert worden. Die Diebe waren durch ein Fenster eingestiegen. Die Beute ist bis heute verschwunden und wurde vermutlich zerstückelt und verkauft.
Das Berliner Landgericht hatte gegen die zur Tatzeit 18 und 20 Jahre alten Männer, Mitglieder des Remmo-Clans, wegen Diebstahls in besonders schwerem Fall eine Jugendstrafe von jeweils viereinhalb Jahren Haft verhängt. Ein Ex-Wachmann, der nach Überzeugung des Gerichts das Museum auskundschaftete, bekam drei Jahre und vier Monate Gefängnis.
Der Al-Zein-Clan
Auch die kurdisch-arabische AlZein-Großfamilie stammt aus dem Libanon. Sie ist vor allem in Berlin und im Ruhrgebiet aktiv. Der Clan hat in mehreren europäischen Ländern mehr als zehntausend Mitglieder und zählt zu den am weitesten verzweigten Clans. Mahmoud Al-Zein gilt als Chef der Großfamilie in Deutschland, lebt aber seit 2021 in der Türkei – er wird auch „Der Pate von Berlin“ genannt.
Mahmoud Al-Zein wurde in Deutschland unter anderem mehrfach wegen Drogenhandels, Körperverletzung und räuberischen Diebstahls verurteilt. Weitere illegale Aktivitäten, die dem Clan zugeschrieben werden, sind unter anderem Zuhälterei, Geldwäsche und Betrug.
Der größte Coup des Al-Zein-Clans war der Einbruch in die Juwelierabteilung des Berliner KaDeWe am 20. Dezember 2014. Fünf Personen, darunter Khalil Al Zein, Jehad Al-Zein, Hamza Al-Zein sowie Hussein Miri, ein Mitglied des Miri-Clans, richteten Sachschaden an und verletzten Menschen mit Reizgas. Sie erbeuteten Schmuck im Wert von 817.260 Euro. Drei der Männer wurden gefasst und zu Haftstrafen verurteilt.
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Raub, Erpressung, Körperverletzung: Warum Daten zur Clankriminalität so lückenhaft sind
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