Soldat vor laufender Kamera erschossen Russland versucht Zweifel zu säen

Soldat vor laufender Kamera erschossen: Russland versucht Zweifel zu säen
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Die ukrainische Armee hat die Identität eines mutmaßlich von russischen Soldaten erschossenen Kriegsgefangenen nach eigenen Angaben „vorläufig“ geklärt.

Bei dem in einem kurzen Video zu sehenden Soldaten handele es sich wohl um einen 41-Jährigen, der seit dem 3. Februar bei Bachmut als vermisst gelte, teilen die Landstreitkräfte der Ukraine bei Telegram mit. Der Mann habe in der 30. mechanisierten Brigade gedient.

Eine endgültige Bestätigung könne es aber erst geben, wenn die im russisch besetzten Donezker Gebiet vermutete Leiche gefunden und übergeben werde.

Der Journalist Jurij Butussow bezweifelte die Darstellung. Ihm vorliegenden Bestätigungen von Verwandten und Fotos nach handele es sich bei dem Mann aus dem Video um einen 42 Jahre alten Scharfschützen aus dem Gebiet Tschernihiw. Die Leiche des Mannes sei nach dessen Tod bei Soledar bereits im Februar übergeben, gerichtsmedizinisch untersucht und beerdigt worden. Dazu veröffentlichte er ein Foto von dem Gesicht des Mannes in dem Video und eine andere Aufnahme, beide sehen sich ähnlich.

Russische Propaganda auf Hochtouren

In russischen Medien sowie in russischen Telegram-Kanälen läuft unterdessen die russische Propagandamaschinerie auf Hochtouren. Dort wird mit allen Mitteln versucht, Zweifel an der Echtheit der Erschießung zu säen. Der Vizeinformationsminister der von Russland eingesetzten Militärbesatzung in Donezk, Daniil Bezsonov, behauptete auf seinem Telegram-Kanal, dass es sich gar nicht um einen ukrainischen, sondern einen russischen Soldaten handele: „Es gibt Grund zu der Annahme, dass unser Soldat erschossen wurde.“ Dahinter stecke der Versuch, einen internationalen Skandal und Anschuldigungen wegen Kriegsverbrechen zu provozieren.

Diese Behauptung wird in zahlreichen russischen Medien verbreitet. Das News-Portal Novostovl aus Wladiwostok schreibt beispielsweise, „dass dieses Video von Propagandisten des Kiewer Regimes inszeniert wurde“. Außerdem könnten die ukrainischen Streitkräfte auch einen Deserteur aus ihren eigenen Reihen getötet haben.

„Anschuldigen von Russen, wonach das Video eine Fälschung sei, sind typisch“, sagt Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. „Schon bei den schweren Kriegsverbrechen in Butscha haben wir immer wieder von der russischen Propaganda gehört, dass alle Fotos und Videos gestellt seien und man Russland die Taten unterschieben will“, so Jäger im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Diese Vorwürfe kommen immer dann auf, wenn Taten sehr gut dokumentiert sind.“ Russland versuche sich einerseits als handlungskräftiger Akteur zu inszenieren, gleichzeitig aber auch als Opfer, das sich nur verteidige.

Selenskyj-Partei fordert Helden-Ehrung für Getöteten

Seit Montag sorgt ein Video für Entsetzen, das mutmaßlich die Erschießung eines Mannes in ukrainischer Uniform durch Russisch sprechende Männer dokumentiert. Der Mann ruft vor den tödlichen Schüssen noch den Gruß der ukrainischen Armee: „Ruhm der Ukraine!“ In sozialen Netzwerken entfaltete sich danach sofort eine Kampagne mit dem Gruß und der Entgegnung: „Ehre den Helden!“

Die Partei Diener des Volkes des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verbreitete einen Aufruf, dem getöteten Soldaten den Titel „Held der Ukraine“ postum zu verleihen. Regierungsvertreter schrieben von einer niederträchtigen Tat und einem weiteren Beleg für russische Kriegsverbrechen.

Auch Selenskyj verurteilte die Bluttat. „Die Besetzer töten uns für die eigentliche Tatsache, dass wir Ukrainer sind. Für das einfache Wort Ukraine. Für unseren Traum einer Ukraine“, so der Präsident. Die Mörder würden gefunden und bestraft, sagte er.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als einem Jahr gegen die russische Invasion. Besonders den russischen Truppen werden immer wieder Kriegsverbrechen vorgeworfen.

„Wenn das authentisch ist, dann wäre das ein Kriegsverbrechen“

Die Bundesregierung bezeichnete das Video der mutmaßlichen Erschießung als „schockierend“. „Wenn das authentisch ist, dann wäre das ein Kriegsverbrechen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.

Unabhängig von diesem Einzelfall wird die Ukraine aus Deutschland bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen logistisch unterstützt. So habe etwa das Bundeskriminalamt (BKA) im vergangenen Jahr Material für die forensische Arbeit im Wert von über 11,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums. Zudem unterstütze das BKA die Ermittlungen durch die Zeugenbefragung von geflüchteten Ukrainern.

dpa

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