Kreisbrandmeister Martin Weber „Zeitenwende beim Katastrophenschutz auch im Kreis Unna“

Kreisbrandmeister Martin Weber: „Zeitenwende beim Katastrophenschutz“
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Was ist Aufgabe eines Kreisbrandmeisters?

Klassisch sind es drei Aufgaben. Das eine ist der Einsatzdienst, wobei es nicht die Aufgabe des Kreisbrandmeisters ist, bei jedem Brand und bei jedem Verkehrsunfall nach draußen zu fahren.

Aber immer dann, wenn es eine Großeinsatzlage wird, also wenn mehrere Feuerwehren zusammenwirken müssen, wenn das große Koordinierende im Hintergrund laufen muss, wenn wir Kräfte von überörtlich hinzuziehen, weil wir eine besondere Lage haben.

Wie zum Beispiel in jener Nacht von Karfreitag, als auf der A44 vor Werl der Bus umgefallen ist, oder wenn ein ganz großes Feuer ist oder sämtliche Feuerwehren Wasser- oder Sturmschäden abarbeiten, weil alle Verkehrswege im Kreis blockiert sind.

Die zweite wichtige Aufgabe ist das Administrative. Als Kreisbrandmeister bin ich dafür da, dafür zu sorgen, dass ein guter Ausgleich zwischen den Feuerwehren stattfindet, dass sämtliche Informationen, alle rechtlichen Dinge funktionieren.

Und dann haben wir ja auch Regieeinheiten, also für Aufgaben, die nicht jeden Tag vorkommen, zum Beispiel ein Gefahrguteinsatz oder ein Massenanfall von Verletzten. Diese Dinge wiederum müssen auch koordiniert werden und brauchen ihre Ansprechpartner.

Das Gelände an der Florianstraße von Kreisleitstelle und Unnaer Feuerwehr.
Das Gelände an der Florianstraße ist für die Kreisleitstelle und die Unnaer Feuerwehr zu klein geworden. Beide wollen sich erweitern. © Archiv/Marcel Drawe

Welche Aufgaben übernehmen Sie beim Bevölkerungsschutz?

Bevölkerungsschutz ist ein Begriff, der sämtliche Belange zum Schutz der Bevölkerung zusammenfasst. Das ist ganz klar Brandschutz, Technik, Hilfeleistung. Also die klassischen, ureigensten Aufgaben der Feuerwehr und des Rettungsdienstes – aber auch im schlimmsten Fall nach einem Anschlag, mit dem wir uns in der heutigen sicherheitspolitischen Lage auch beschäftigen müssen. Stichwort Zeitenwende. Dann kann es auch mal passieren, dass wir plötzlich so viele Patienten sind, dass eben nicht mehr, wie wir es tagtäglich kennen, für jeden Patienten ein Rettungswagen kommen kann, sondern dass wir unsere Ressourcen bündeln müssen.

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Zur Person: Martin Weber

Martin Weber ist verheiratet und hat zwei Kinder, er ist 40 Jahre alt. Seinen Dienst als Kreisbrandmeister hat er zum 1. Dezember 2023 angetreten; er war zuletzt Branddirektor bei der Berufsfeuerwehr Bochum. Er wohnt in Remscheid.

Gehört die Problematik „Blackout“ auch in diese Kategorie?

Es ist so, dass man für den Katastrophenschutz jetzt auch diese Zeitenwende erkannt hat. Nicht nur im Bereich der Bundeswehr oder der Verteidigung und der Abschreckung hat man da jetzt sehr viel investiert, sondern man hat auch erkannt: Wir müssen auch unsere eigene Bevölkerung schützen können.

Wir müssen zum Beispiel, wenn der Strom ausfällt, in der Lage sein, auch jene Menschen unterzubringen und warmzuhalten, die vielleicht nicht irgendwo 50 Kilometer entfernt zu Verwandten fahren und da unterkommen können.

Am Brandschutz und Rettungsdienst hat man natürlich nie gespart, aber der Katastrophenschutz kam oft zu kurz. Auch im Kreis Unna macht man jetzt explizit Bedarfspläne, wo der Kreistag darüber entscheidet, welches Sicherheitsniveau wir für den Katastrophenschutz hier vorhalten müssen.

Das ist ein wichtiges Signal. Der Kreis Unna hat sich übrigens als einer der ersten Landkreise in NRW auf den Weg gemacht mit einer gutachterlichen Begleitung und wir sind frohen Mutes, dass wir zum Jahresende die Planungsgrundlagen haben.

Oliver Kortmann, Leiter der Kreisleitstelle des Kreises Unna, ortet das Handy eines Anrufers und damit seinen Standort.
Oliver Kortmann, Leiter der Kreisleitstelle des Kreises Unna, ortet das Handy eines Anrufers und damit seinen Standort. © Archiv/Sebastian Smulka

Worum geht es beim geplanten Gefahrenabwehrzentrum?

Man muss jetzt feststellen, dass die baulichen Voraussetzungen hinten und vorn nicht mehr ausreichen. Das Gebäude, wie es jetzt da steht, wäre gerade so noch ausreichend, um den Leitstellenbetrieb zu gewährleisten.

Daher gehen wir jetzt in die Planung eines neuen Gefahrenabwehrzentrums, damit der komplette Fachbereich untergebracht und die Leitstelle auf den neuesten Stand der Technik umgebaut werden kann.

Gerade in der Krise, wenn es, auf Deutsch gesagt, knallt, also wenn alle Ressourcen zusammenwirken müssen, dann geht gerade in der Chaosphase nichts über das Face-to-Face-Gespräch, sich kurz mit den Köpfen abzustimmen.

Und da ist unser ganz wichtiger Partner die Polizei. Jeder für sich hat seine Aufgaben zu erledigen, aber wir sind natürlich immer um Austausch bemüht, damit wir in die gleiche Richtung arbeiten. Und deswegen soll als ganz neuer Weg in dieses Gefahrenabwehrzentrum auch die Leitstelle der Polizei einziehen.

Es spart am Ende auch Geld, denn auch für die Polizeileitstelle gibt es baulichen Handlungsbedarf. Aktuell werden noch geeignete Grundstücke gesucht. Man sieht, dass nicht nur die Politik uns den Rücken stärkt, sondern auch die Kreisverwaltung selber sehr dahinter steht. Im März erst war der Kreistagsbeschluss. Jetzt haben wir April und es ist schon das erste Treffen der Steuerungsgruppe.

Wie wird den Kreis Unna die Fußball-EM betreffen?

Dortmund ist unsere Nachbarstadt. Wir haben eine sehr große gemeinsame Grenze. Die Spielstätten oder die Austragungen werden uns natürlich Arbeit machen, weil ganz viele Menschen in Dortmund feiern werden, nicht nur die, die ins Stadion gehen, sondern auch zu den großen Public-Viewing-Plätzen.

Das alles birgt aus unserer Brille auch ein gewisses Risikopotenzial, weil es passieren kann, dass ein Unglücksfall eintritt, sei es ein normaler Unfall bis hin zu irgendwelchen Anschlagsszenarien. Darauf muss man natürlich vorbereitet sein. Und dazu gibt es klare Vorgaben von der FIFA.

Man hat sich Szenarien überlegt und entsprechende Planungen gemacht, in verschiedenen Eskalationsstufen, dass man auf jegliche Lage reagieren kann. Im Endeffekt sind es die Lagen, die wir jeden Tag leisten müssen. Nur es sind halt andere Größenordnungen, weil so viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen.

Kreisbrandmeister Martin Weber (l.) mit Redakteur Marcus Land.
Kreisbrandmeister Martin Weber (l.) mit Redakteur Marcus Land. © Udo Hennes

Der Behandlungsplatz im Kreis Unna gehört dazu?

Ganz genau. Das ist ein Behandlungsplatz, der dazu in der Lage ist, bis zu 50 Verletzte an einem entsprechenden Platz aufzunehmen, da spricht man in der Regel von der Fläche von gut anderthalb Fußballfeldern. Da bauen wir entsprechende Schnelleinsatzzelte mit Ausstattung auf.

Es gibt Zelte für Schwerstverletzte, die sind ausgestattet wie eine kleine Intensivstation, bis hin zu einfachen Zelten, wo es nur darum geht, Leute, die vielleicht nur minimal verletzt sind, erstmal zu betreuen.

Wir sind unter anderem eingeplant, um an bestimmten Tagen diesen Behandlungsplatz vorzuhalten und dann in kürzerer Zeit nach Dortmund zu verlegen und diese Ressourcen dann da zur Verfügung zu stellen.

Man stelle sich vor, da würde tatsächlich jemand einen Anschlag verüben und Menschen mit irgendeiner Giftsubstanz verunreinigen. Dafür halten wir auch Ressourcen vor, um die Menschen davon zu befreien, damit sie danach in eine normale Weiterbehandlung gehen können.

Wie sehen Sie die Freiwillige Feuerwehr aufgestellt?

Wir haben die Generation der Babyboomer, es kommt das entsprechende Alter, dass sie in Pension geht. In der Feuerwehr gibt es auch eine Obergrenze beim Alter, egal ob Hauptamt oder Ehrenamt, aufgrund der hohen physiologischen, auch psychischen Belastung.

Im Hauptberuf liegt es momentan bei 60. Im Ehrenamt darf man noch ein bisschen länger, weil die Frequenz nicht so hoch ist. Wobei wir im Kreis Unna aber auch die ein oder andere Freiwillige Feuerwehr haben, wo es aufgrund des tollen Engagements der Kameradinnen und Kameraden rein ehrenamtlich noch geht, wo andere bei dieser Größe längst das hauptamtliche System etabliert haben.

Es muss konsequent mit entsprechender Werbung und Nachwuchsarbeit und Begeisterung nachgearbeitet werden. Ich glaube, es ist eines der schönsten und befriedigendsten Hobbys. Man kriegt ein ganz tolles Feedback, man hat immer eine tolle Kameradschaft, man hat eine tolle Ausstattung, ein tolles Equipment.

Man hat jetzt auch die Kinderfeuerwehr gegründet, weil man Kinder schon mit sechs Jahren abholen möchte. Und das ist ein wichtiger Punkt. Denn wenn wir es nicht tun, dann tun es andere. Tun wir es erst mit zehn oder mit zwölf Jahren, sind meistens die Wochen schon so ausgefüllt, dass die Kinder schon verloren sind.