Gewissermaßen ist Roland Butz in seine eigene Falle getappt. Als der heute 63-Jährige am 23. Mai 2023 auf der L522 in Marl mit 95 statt der erlaubten 50 km/h von einem „Starenkasten“ geblitzt wird, ist er noch amtierender Direktor des Kreises Recklinghausen, der die Radarfalle betreibt. Butz bestreitet, damals am Steuer seines Dienstwagens gesessen zu haben – und war mit Strafverteidiger Edgar Fiebig vor Gericht gezogen. Ohne Erfolg.
Im Verlauf des Verhandlungstermins am 19. Juni hatte sich bereits abgezeichnet, dass es nicht gut für den Ex-Direktor aussieht. Das hat sich nun bestätigt: Am Donnerstag (4.7.) verurteilt Richterin Sabrina Martin Lopez den diesmal nicht erschienenen ehemaligen Spitzenbeamten am Amtsgericht Marl zu 800 Euro Bußgeld und einem Monat Führerschein-Entzug. Anwalt Fiebig hatte sich bemüht, seinen Mandaten als nahezu mittellosen Berufsanfänger darzustellen, der seine Fahrerlaubnis behalten muss, auch gerne gegen „Aufpreis“. Aber die Richterin hatte sich beim Kreis Recklinghausen über Butz’ Einkünfte erkundigt – und kommt zu einem anderen Ergebnis.
Unterlagen waren nicht mehr nötig
Fiebig sollte sowohl Einkommensnachweise als auch Termin-Unterlagen von Butz vorlegen, um zu beweisen, dass der ehemalige Kreisdirektor als inzwischen niedergelassener Jurist aus wirtschaftlichen Gründen zwingend auf seinen Führerschein angewiesen sei. „Ich brauche eigentlich keine Unterlagen mehr“, eröffnet Richterin Martin Lopez den Fortsetzungstermin. Er möchte auch keine mehr vorlegen, entgegnet Fiebig und begründet das mit dem offenbar unerwarteten medialen Interesse an der Sache. Deshalb sei sein Mandant diesmal auch nicht persönlich vor Gericht erschienen.
Einen Härtefall kann Martin Lopez nicht erkennen. Zudem habe sie weder eine Internet- noch eine postalische Kanzleiadresse des Juristen Butz in Erfahrung bringen können. Mehr Erfolg hatte sie beim Kreis Recklinghausen, der ihr Auskunft über frühere und aktuelle Bezüge erteilte: In seinen zwei Amtszeiten als Kreisdirektor (2.7.2007 bis 30.6.2023) bekam der Wahlbeamte monatlich 11.062 Euro. Seine aktuellen und lebenslangen Pensionsansprüche belaufen sich auf 6295 Euro pro Monat. „Das Überleben sollte gesichert sein“, schlussfolgert die Richterin. Butz sei zuzumuten, einen Monat lang auf seinen Führerschein zu verzichten.
Keine Anhaltspunkte für Fehlmessung
Fiebig beantragt einen Freispruch für seinen Mandanten. Die Aussagen des Sachverständigen, so der Anwalt, seien nicht überzeugend gewesen. Der Sachverständige hatte das „Blitzerfoto“ mit einem aktuellen Bild von Butz verglichen und erklärt, dass aufgrund der Ähnlichkeit außer dem Beschuldigten allenfalls ein Blutsverwandter in Betracht käme. Darauf kommt Richterin Martin Lopez in ihrer Urteilsbegründung zurück. Zudem sprächen auch andere Indizien dagegen, dass für die Fahrt mit dem Dienst-Audi-Q8 ein anderer Bediensteter des Kreises infrage komme. Es gäbe auch keine Anhaltspunkte für eine Fehlmessung des Blitzkastens an der A43-Auffahrt.

Weil drei km/h Toleranz abgezogen werden, werden Butz 42 km/h zu viel angelastet. Weil das aber bei Tempo 50 immer noch eine Überschreitung von mehr als 40 Prozent bedeutet, geht die Richterin von Vorsatz aus. Was bedeutet, dass sich das vorgesehene Bußgeld (320 Euro) verdoppelt. Und weil der ehemalige Kreisdirektor wegen der Nutzung eines Smartphones am Steuer schon Punkte in Flensburg hat, erhöht die Richterin das Bußgeld auf 800 Euro. Seinen Führerschein muss Roland Butz für einen Monat abgeben.