
© Jörg Gutzeit
Eine Frage der Sicherheit: Weiteren Sparkassen-Filialen droht das Aus
Kriminalität
Eine Welle von Geldautomaten-Sprengungen rollt durch NRW. Die Sparkasse Vest ist seit 2017 sieben Mal heimgesucht worden. Die Frage ist: Welche Möglichkeiten haben die Geldinstitute?
Wenn die Sparkasse Vest Recklinghausen demnächst wieder Geschäftsstellen schließt, wird das - anders als in den Vorjahren - keine wirtschaftlichen Gründe haben. Diesmal geht es um das Thema Sicherheit - und das hat es in sich.
Seit 2017 ist das führende Geldinstitut im Vest sieben Mal von Geldautomaten-Sprengungen betroffen gewesen.
Zuletzt suchten Kriminelle im Dezember die Filiale an der Sachsenstraße in Recklinghausen-Suderwich heim, hinterließen einen Schaden in sechsstelliger Höhe und stahlen Bargeld, zu dessen Höhe sich weder die Sparkasse noch die Polizei äußern wollen. Für den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, Dr. Michael Schulte, zählt jedoch viel mehr, „dass durch die rücksichtslose Aktion Menschenleben hätten in Gefahr geraten können“.
Intensität nimmt 2022 noch zu
Es vergeht kaum ein Tag, in dem nicht irgendwo in Nordrhein-Westfalen ein Geldautomat in die Luft fliegt. 2021 wurden 151 Sprengungen oder Sprengversuche gezählt.
Im Kreis Recklinghausen traf es im vergangenen Jahr auch eine Filiale der Vereinten Volksbank in Dorsten-Deuten, eine Zweigstelle der Volksbank in Castrop-Rauxel sowie Sparkassen-Automaten am Bruchweg in Recklinghausen und in Castrop-Rauxel-Schwerin.
Doch in diesem Jahr scheint die Intensität noch zuzunehmen. Allein am zurückliegenden Wochenende tauchten Meerbusch, Jüchen, Neuss, Bad Oeyenhausen und Porta Westfalica als Tatorte in den Schlagzeilen auf.
Flucht mit 250 km/h und ohne Beleuchtung
Hinter den Tätern stecken nach Einschätzungen der Ermittler organisierte Banden aus den Niederlanden und aus Osteuropa. Zunehmend werden auch feste Explosivstoffe zur Sprengung eingesetzt. Auf ihrer Flucht vor der Polizei agieren die Täter skrupellos. Sie entfernen sich oftmals über Autobahnen mit Geschwindigkeiten von 250 km/h vom Tatort, teils ohne Beleuchtung.
Die Gefahren für Anwohner, Passanten und Einsatzkräfte nehmen zu – auch die Sachschäden steigen. Klassische Banküberfälle finden hingegen kaum noch statt, auch, weil hier in der Regel keine hohen Bargeldsummen erbeutet werden können. Unter Risiko-Nutzen-Gesichtspunkten sei der Banküberfall über die Jahre immer unattraktiver geworden, sagen Experten.
Kriminelle sprengen sich auch den Eingang frei
Aber wie können Sparkassen und Banken ihre Filialen und auch das Umfeld vor den Sprengstoff-Kriminellen schützen? Die Sparkasse Vest ist längst dazu übergegangen, den Zugang zu ihren Geldautomaten nachts – zwischen Mitternacht und 5 Uhr – zu verschließen. Doch wie die Tat in RE-Suderwich zeigt, schrecken die Verbrecher nicht davor zurück, sich auch den Weg freizusprengen.
Die Sparkasse Recklinghausen sieht sich durch das neue Täterverhalten veranlasst aktiv zu werden. Nach Worten von Pressesprecher Stefan Fokken, der auch für das Gebäudemanagement verantwortlich ist, ist sein Haus dabei, sämtliche Geldautomaten-Standorte zu überprüfen und eine neue Risikoeinschätzung vorzunehmen. „Das kann leider auch bedeuten, dass wir Standorte schließen müssen“, sagt er.
Das Geldinstitut unterhält in den Städten Recklinghausen, Marl, Herten, Datteln, Waltrop, Oer-Erkenschwick, Dorsten und Castrop-Rauxel 26 reine Selbstbedienungs-Center und 39 Filialen, die zum Schalterbetrieb auch SB-Geräte und Geldautomaten anbieten. Welche Standorte auf der Kippe stehen, darüber schweigt die Sparkasse - um potenziellen Tätern keine Einladung zu geben, die Zeit bis dahin noch zu nutzen.
Geboren 1960 in Haltern am See, aufgewachsen in Marl und jetzt wohnhaft in Dorsten: Ein Mensch, der tief verwurzelt ist im Kreis Recklinghausen und dort auch seit mehreren Jahrzehnten seine journalistische Heimat gefunden hat. Schwerpunkte sind die Kommunal- und Regionalpolitik sowie Wirtschafts- und Verbraucherthemen.