17 Jahre sind offenbar noch nicht genug: Die juristische Auseinandersetzung um das Uniper-Kraftwerk Datteln 4 am Dortmund-Ems-Kanal geht in die x-te Verlängerung. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Bebauungsplan für das umstrittene Kraftwerk hat die Revisions-Hürde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig nicht genommen. Das Gericht hat entschieden, dass die Münsteraner Kollegen „den Bebauungsplan [....] mit rechtlich nicht tragfähigen Erwägungen für unwirksam erklärt“ haben.
Im Ergebnis heißt das aber keineswegs, dass dem Kraftwerk jetzt ein Freibrief ausgestellt wäre, worauf nicht zuletzt der klagende Umweltverband BUND Wert legt. Dadurch, dass in Münster noch einmal neu verhandelt werden muss, kommen jetzt die anderen Klagegründe wieder auf den Tisch, die der BUND, die Stadt Waltrop und Privatkläger angeführt hatten: Immissionsschutz, Fragen des Naturschutzes. Selbst die Frage, ob das Kraftwerk am richtigen Ort steht, ist nach Lesart des BUND nicht endgültig abgehakt. Nur, dass auf der Ebene der Regionalplanung Fehler gemacht wurden, die sich auf den Bebauungsplan ausgewirkt hätten - das sehen die Leipziger Richter eben nicht so. Wie und wo man Alternativen für den Standort gesucht hat - dieses Vorgehen war rechtens. Und man musste auch nicht „technologieoffen“ prüfen, ob nicht auch etwa ein Gaskraftwerk statt eines Steinkohlekraftwerks infrage kommt.
Dora gibt sich hoffnungsvoll

Aber das sind eben nur zwei von sehr, sehr vielen Aspekten, die die Kläger vorbrachten. Und so stellen sich nach dem Urteil alle Beteiligten vor allem auf eines ein: dass das juristische Tauziehen noch lange andauern wird. André Dora (SPD), Bürgermeister der Stadt Datteln, will dem etwas Positives abgewinnen: „Die Zurückverweisung an das OVG Münster hat den Vorteil, dass sich ein Gericht erneut mit dem komplexen Bebauungsplan beschäftigen kann“, lässt er wissen. Er will natürlich die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, aber: „Aktuell verbinden wir mit dem heutigen Urteil die Hoffnung, dass der Bebauungsplan, in den unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viel Energie gesteckt haben, letzten Endes rechtsgültig ist.“ Ins gleiche Horn bläst auch Doras Waltroper Amtskollege Marcel Mittelbach (SPD). Nur hofft der natürlich auf einen anderen Ausgang der Sache als sein Pendant jenseits des Kanals.
Für den BUND ist die Perspektive eine ganz andere. Dr. Thomas Krämerkämper, in der Region zu Hause und Vize-Vorsitzender des BUND-Landesverbandes NRW, hat keine Zweifel, dass der Kraftwerksbau Unrecht ist, aber recht haben und Recht bekommen seien eben zwei verschiedene Dinge: „Das Urteil zeigt, wie schwer es ist, Umweltschutzrecht gerade gegen solche Großvorhaben effektiv durchzusetzen. Trotz zahlreicher gewonnener Klagen wurde das Kraftwerk fertig gebaut und ist in Betrieb. Nach der heutigen Entscheidung beginnt die bereits 17 Jahre andauernde juristische Auseinandersetzung von vorne. Das ist heute ein schlechter Tag für das Klima und die Umwelt.“

Die Fachleute waren beim OVG-Urteil skeptisch
Dr. Anja Baars von der Kanzlei Wolter Hoppenberg vertritt die Interessen der Stadt Waltrop vor Gericht. Sie hätte sich natürlich auch einen anderen Ausgang in Leipzig gewünscht, aber geahnt hatte sie schon, dass es so kommen könnte. Denn in der Fachliteratur sei das Urteil aus Münster seinerzeit sehr kritisch kommentiert worden, und zwar nicht nur von jenen Juristen, die es mit dem Kraftwerksbetreiber halten. Aber auch sie sagt: Es gehe jetzt von vorne los. Man werde sich nun überlegen, welche Klage-Gründe man aufrechterhalte, welche man fallen lasse und welche neu hinzukommen. Schließlich habe sich in der Rechtsprechung seit Beginn des Streits um Datteln 4 eine Menge getan. Anja Baars lässt durchblicken, dass sie den Aspekt, der die Münsteraner Richter zu ihrem Urteil gebracht hat, selbst nicht für den stärksten unter den vielen Punkten hielt, den die Kläger vorgetragen haben. Nun hat das Urteil die Hürde Leipzig nicht genommen.
Das Kraftwerk muss verkauft werden

Langsam fragen sich derweil die Beteiligten, was wohl zuerst kommt: ein endgültiges Urteil zum Dattelner Kraftwerk oder das Abschalten der Anlage im Zuge des Ausstiegs aus der Steinkohle-Verstromung. Denn dass sich die Sache nun nochmal hinziehen wird, da sind sich alle einig. Irgendwann im nächsten Jahr wird das OVG Münster voraussichtlich neu verhandeln und zu einem Urteil kommen. Auch dann ist wieder die Frage, ob eine Revision zugelassen wird. Falls nicht, kann man auch dagegen vorgehen und so weiter.
Und dann steht ja noch die Vorgabe im Raum, dass Betreiber Uniper das Kraftwerk verkaufen muss, um Staatshilfen bekommen zu können. Bis 2026 muss es so weit sein. Und der Betreiber hat natürlich ein Interesse daran, dass das Kraftwerk bis dahin weiter über rechtsgültige Genehmigungen verfügt.

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