Kopfbälle, die unsichtbare Gefahr Vereine aus der Region reden nur ungern darüber

Kopfbälle: Wie ernst nehmen Vereine aus der Region die Gefahr?
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Auf dem Fußballplatz ist die Spannung deutlich spürbar. Die Spieler kämpfen um jeden Meter und der Ball fliegt durch die Luft. Doch es gibt eine unsichtbare Gefahr: Vor allem Kopfbälle können zu schweren Kopfverletzungen und weiteren Folgeschäden führen. So ergab bereits 2021 eine Studie der Universität Glasgow, dass Verteidiger ein vergleichbar hohes Risiko tragen, an Demenz zu erkranken. Unsichtbar ist die Gefahr deshalb, weil Symptome und Folgen nicht sofort erkennbar sind. Besonders Jugendliche sind gefährdet, weil ihr Gehirn noch in der Entwicklung ist.

Man sollte meinen, dass man bei den Vereinen auf der Region offene Türen einrennt, wenn man dieses Thema anspricht. Doch unsere telefonischen Recherchen ergeben schnell, dass der Umgang mit Kopfbällen in vielen Vereinen immer noch ein Tabu-Thema zu sein scheint. Vereinsvertreter blocken ab oder verweisen auf andere Zuständigkeiten. „Können wir später darüber sprechen?“, „dafür bin ich bei uns nicht zuständig“ oder „ich muss leider arbeiten und habe gerade keine Zeit“, waren die gängigsten Antworten. Das kann Zufall sein, muss es aber nicht. Vor allem, wenn es in dieser Häufigkeit passiert.

Gerd Wettklo, Jugendkoordinator des SC Holzwickede
Gerd Wettklo, Jugendkoordinator des SC Holzwickede, achtet bei den Spielformen darauf, dass so wenig Flanken wie möglich geschlagen werden. © Schürmann

Nach mehreren Versuchen äußerte sich dann doch der ein oder andere Vertreter,

zum Beispiel Gerd Wettklo, Jugendkoordinator des SC Holzwickede. Er betont, dass die Sicherheit der Spieler stets vorgehe: „Wir achten bereits bei den Spielformen darauf, dass so wenig Flanken wie möglich geschlagen werden.“ Die klare Vorgabe lautet: Flach von hinten heraus spielen, so selten wie möglich den langen Ball wählen.“ Allerdings gibt Wettklo auch zu bedenken, dass man keinen Trainer dafür bestrafen könne, der sich nicht an das Konzept halte. Schließlich sei es ohnehin schwierig, ehrenamtliche Trainer für den Jugendbereich zu gewinnen.

Ein anderes Konzept fährt Tim Laube, Sportlicher Leiter der U13 bis U16 des SuS Kaiserau. Er legt Wert darauf, die Kinder so früh wie möglich mit der Situation des Kopfballs vertraut zu machen und ihnen vor allem die richtige Technik beizubringen. Was heißt „richtige Technik“? „Der Spieler sollte Ball mit der Stirn und nicht mit der Seite treffen, denn die Stirn ist viel fester und härter“, erklärt Laube. Falsch sei es hingegen, den Kopf nach unten zu halten und den Nacken durchzustrecken. Der SuS Kaiserau schult seine Jugendtrainer entsprechend, sich an diese Philosophie zu halten.

Nur wenige Vorgaben vom Verband

Man sieht, die Klubs machen sich Gedanken. Niemand nimmt das Thema auf die leichte Schulter. Doch die Frage bleibt: Worin liegt der Grund für die Zurückhaltung? Haben Sie vielleicht Angst davor, mögliche Vorgaben des Fußball-und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW) nicht einzuhalten? Wohl kaum, denn im Vergleich zu anderen Ländern macht der Verband den Klubs nur geringe Vorgaben.

So verbietet beispielsweise der englische Fußballverband Kopfbälle für Jugendliche unter 12 Jahren. Der Deutsche Fußball-Bund und seine untergeordneten Landesverbände gehen diesen radikalen Schritt nicht. Klare Vorgaben gibt der FLVW aktuell lediglich in wenigen Punkten. Die Bälle sind in allen Klubs deutlich kleiner und leichter als früher. In der G- und F-Jugend ist der Ball nur 290 Gramm schwer. E- und D-Jugendliche spielen im Wettbewerb mit 350 Gramm-Bällen.

Bis spätestens 2024/2025 sollen zudem Spielformen im Kinderfußball mit kleineren Teams, Feldern und Toren eingeführt werden, die nach DFB-Vorstellungen Kopfbälle und Flanken grundsätzlich ausschließen sollen. Vorausgegangen war eine zweijährige Pilotphase, an der sich alle 21 Landesverbände beteiligt haben. Auch die Vereine aus dem Raum Unna-Hamm sind bereits in das Pilotprojekt involviert.

Ansonsten bleibt den Klubs viel Spielraum. Sie können entscheiden, ob sie eher Kopfbälle vermeiden oder ob Sie Kinder und Jugendliche ganz bewusst der Situation aussetzen. Eine Freiheit, die bei dem ein oder anderem Verein möglicherweise für ein schlechtes Gewissen sorgt: Machen wir alles richtig? Gehen wir wirklich sorgsam genug mit dem Thema um?

Der Verband setzt in erster Linie auf Sensibilisierung. Wie FLVW-Sprecherin Meike Ebbert unserer Redaktion bestätigte, informiert der FLVW seine Vereine auf unterschiedlichen Wegen. Dazu würden Online-Videoschulungen, Demotrainingseinheiten und Kurzschulungen zählen. Eine Trainer-Lizenz sei für die Teilnahme nicht erforderlich. Es gebe zwar keine gesonderten Schulungen zum Thema Kopfballtraining, aber das „Kindertrainer/innen Zertifikat“ lege beispielsweise den Schwerpunkt auf die neuen Spielformen. Das DFB-Mobil besuche auch die Vereine und biete praktische Tipps. Allerdings bekräftigte Ebbert auf Nachfrage auch, dass keine Sanktionen für Trainer und Vereine vorgesehen seien, die ihren jüngsten Spielern Kopfbälle erlauben.

Raum für Verbesserungen

Die wären auch in der Praxis nur schwer umsetzbar. Denn wo Kopfbälle nicht verboten sind, kann man einen Trainer auch nicht dafür bestrafen, wenn er schon im Jugendbereich die Spielphilosophie darauf auslegt. „Wir haben keine bindenden Richtlinien vom Verband mit Blick auf den Umgang mit Kopfbällen bekommen“, bestätigt Cüneyt Baysan, Jugendgeschäftsführer des VfL Kamen.

Mögliche Verbote sieht er kritisch: „Wie will man Kindern das Kopfballspiel verbieten? Das ist einfach nicht möglich.“ Falls doch etwas passiere, sei sofort das Krankenhaus in unmittelbarer Nähe.

Insgesamt lässt sich sagen, dass es sich beim Konzept des DFB und der Vereine zur Reduzierung von Kopfballverletzungen um einen Schritt in die richtige Richtung handelt. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die Maßnahmen in der Praxis bewähren und ob welche weiteren Schritte folgen werden, um das Risiko von Kopfballverletzungen im Fußball weiter zu reduzieren.

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