Eine Beziehung allein kann einen Menschen mit Sicherheit nicht glücklich machen, aber genauso wie Gesundheit und finanzielle Absicherung gehört eine stabile Partnerschaft zu den Dingen, die im Leben als erstrebenswert gelten. Doch nicht jeder hat das Glück, einen passenden Partner zu finden, weiß die Paartherapeutin Jennifer Angersbach aus Unna.
Hatten Sie es in ihren Beratungen schon mit Menschen zu tun, die noch nie eine Beziehung hatten, sich aber danach sehnen?
Ja, absolut. Da gibt es diejenigen, die bisher noch gar keine Partnerschaft und teilweise auch keinerlei sexuelle Erfahrungen hatten; Menschen, die zwar schon viel gedatet haben, bei denen es aber bisher nie für eine verbindliche Beziehung gereicht hat. Und diejenigen, die ihre Partnerinnen oder Partner permanent wechseln und bisher auch nie länger als ein paar Monate „in Beziehung“ sind. Die Ursache hierfür kann durchaus „Pech“ sein, manchmal handelt es sich aber auch um eine verdeckte Bindungsangst oder unbewusste Muster.
Was macht das mit einem Menschen, der schon jahrelang auf der Suche ist, aber niemanden findet, mit dem es passt?
Es ist frustrierend und verringert das Selbstbewusstsein. Man beginnt, sich selbst in Frage zu stellen, verzweifelt an den eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen, hinterfragt diese oder aber weiß nicht, was man braucht und will, leidet massiv unter Einsamkeit und fühlt sich ohnmächtig. Wenn man dann mal jemanden kennenlernt, kann es passieren, dass der Druck und die Not sich in Form von „Überanpassung“ zeigen. Oder aber man wirkt so verunsichert, dass die eigenen Zweifel auch für Verunsicherung beim Gegenüber sorgen. Gleichzeitig kann hier aber auch eine unbewusste Bindungsangst für eine selbsterfüllende Prophezeiung sorgen.
Welche besonderen Probleme ergeben sich bei der Partnersuche, wenn man auf keinerlei Erfahrung zurückgreifen kann?
Mittlerweile konnte in vielen Studien belegt werden, dass es nicht die Unterschiede sind, die für Anziehung und Stabilität sorgen, sondern uns vor allem Gemeinsamkeiten zusammenhalten. Also ähnliche Bedürfnisse bezogen auf Nähe & Autonomie, Sexualität und Co.
Um die eigenen Bedürfnisse und Wünsche überhaupt zu kennen, bedarf es entsprechender Erfahrungen, wer jedoch nicht die Möglichkeit hatte sich „in Beziehung“ auszuprobieren, der/die weiß womöglich gar nicht was er/sie braucht.
Auch die Kompromissbereitschaft oder Anpassungsfähigkeit ist oft kaum oder zu stark ausgeprägt. Es fühlt sich entweder wie Selbstverlust an, wenn ich nach jahrelangem Singledasein plötzlich Rücksicht nehmen soll/muss. Oder aber man ist so verzweifelt, dass man sich komplett verbiegt, einfach weil einem die Erfahrung fehlt. Frustration und Scheitern sind hier oft vorprogrammiert.
Hast du Tipps für diese Menschen?
Daten! Daten! Daten! Und das ist leichter gesagt als getan. Der Frust, die Ablehnung, das Gefühl zu scheitern, Enttäuschung und Scham halten viele vom (Online)dating ab – und jemanden „im Supermarkt“ kennenzulernen ist alles andere als leicht. Vielleicht hilft eine andere Perspektive auf die Partnersuche: Statt das Gefühl des Wettbewerbs bei dem man gewinnen und verlieren kann, lieber versuchen, die Begegnungen (online oder real) als eine Art Training anzusehen. Ein Flirt mit dem Nachbarn oder der Nachbarin dient dann nicht der Partnersuche, bei der man scheitert oder erfolgreich ist, sondern dazu, sich auszuprobieren. Vielleicht kann das helfen, neuen Mut zu schöpfen.
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