Hört auf, euch zu vergleichen! Das Glück der Anderen macht euch nicht weniger wert

Hört auf, euch zu vergleichen!: Das Glück der Anderen macht euch nicht weniger wert
Lesezeit

Egal ob glücklich Single, unfreiwillig Single, in einer Beziehung oder irgendwo dazwischen – das folgende Gefühl kennt wahrscheinlich jeder: Du hattest einen richtig miesen Tag. Stress auf der Arbeit, Streit mit den Liebesten, Frustessen (das es auch nicht besser gemacht hat) und keine Zeit, einfach mal abzuspannen, die Dinge zu reflektieren. Stattdessen holst du das Handy raus und öffnest Instagram.

Die ehemalige Kollegin fühlt sich ganz prima mit ihrem neuen Job, lächelt aus dem Konferenzraum einer schicken Werbeagentur in die Kamera. Die Freundin liegt gerade am Traumstrand unter einer Palme. Die Clique war auf einem tollen Konzert, das du dir nicht gönnen wolltest, weil die Tickets so teuer waren und du es ja eh wegen der Arbeit nicht hingeschafft hättest. Und drei von vier ehemaligen Mitschülern präsentieren ihr perfektes Familienglück mit aufgeräumten Kinderzimmern und Designer-Strampler.

Wenn du dich für all diese Menschen freust: herzlichen Glückwunsch! Sehr wahrscheinlich wirst du dich nun aber noch schlechter und kleiner fühlen. Und das ist ganz normal. Statt der ernsthaften Auseinandersetzung mit und selbst, neigen wir dazu, uns zu vergleichen. Nicht unbedingt mit Brad Pitt und Heidi Klum (so blöd sind wir dann doch nicht), aber eben mit den Menschen in unserem direkten Umfeld. Denn wir müssten ja mindestens genauso „gut“ sein. Das gilt insbesondere auch für den Bereich Partnerschaft und Familie.

Ich rede dabei gar nicht so sehr über den vielzitierten Druck der Gesellschaft insgesamt, sondern eben über den, den die Menschen, die wir kennen, unwissentlich auf uns ausüben – verstärkt durch die Sozialen Medien. Über Profile bei Facebook, Instagram und Co. weiß ich nicht nur, was es bei meinen Freunden zum Frühstück gab. Ich könnte bei der Hälfte meines Abschlussjahrgangs mit Leichtigkeit Beruf, Beziehungs- und Familienstatus herausfinden.

Die eine hat schon mit 20 geheiratet und wahrscheinlich nie einen anderen Mann gehabt. Der andere ist noch mit 35 an der Uni und Single. Und die ersten sind nach kurzer, heftiger Ehe schon wieder geschieden… während wir uns über derartige Ausreißer amüsieren, orientieren wir uns selbst gerne am Mittel. Und leben wir nicht so, wie es die durchschnittlichen Anderen in unserem Umfeld tun, beginnen die Zweifel.

Im permanenten Vergleich verpassen wir dann oft, auf das zu hören, was wir wirklich wollen. Ist der Mensch, mit dem ich eine Beziehung eingehe, wirklich der richtige? Oder sind wir nur zusammen, weil wir denken, nichts „besseres“ mehr zu finden, einen Partner/eine Partnerin zu „brauchen“? Muss ich mit meinem Partner/meiner Partnerin unbedingt zusammen wohnen? Möchte ich überhaupt eine monogame Beziehung? Bin ich der Typ für Familie – oder glaube ich nur, das sein zu müssen?

Es fällt schwer, diese Fragen zu beantworten und dabei wirklich ehrlich zu sein, sich nicht an anderen zu orientieren. Auch ich kann mich davon nicht vollkommen freisprechen. Helfen kann: den Moment des Fokusverlusts erkennen und hinterfragen. Legt das Handy weg, klappt den Laptop zu, schenkt euch und euren Liebsten Zeit! Ihr seid nicht die Anderen. Das Glück der Anderen ist nicht euer Pech. Ja, das klingt wie ein blöder Kalenderspruch – und trotzdem sollten wir uns das immer wieder vorbeten.

Und by the way: Der tolle Job der ehemaligen Kollegin ist schon der dritte in diesem Jahr. Die Freundin am Traumstrand hatte 14 Tage Durchfall und Liebeskummer. Und aufgeräumte Kinderzimmer sind nur zehn Minuten Realität. Das Glück der Anderen im Internet ist nicht selten nur Fassade...

Zum Abschluss noch ein Tipp an alle, die tatsächlich wie im Bilderbuch leben: Überlegt euch gut, wieviel Bestätigung ihr wirklich noch braucht und wieviel privates Glück ihr anderen permanent auf die Nase binden möchtet. Gebt auf eure Mitmenschen Acht!

„Es muss auch manchmal knallen“: Julia Müller über eine gesunde Streitkultur

Besser eine schlechte Beziehung als ein gutes Singleleben?: Charlotte Schuster über toxische Romanti

Alle „Leben und Lieben“-Kolumnen im Überblick: Das sind die Autoren