Schwager rettet Familie vor Kohlenmonoxid-Tod „Eine halbe Stunde später wären wir alle tot gewesen“

Tödliche Gefahr: „Eine halbe Stunde später wären alle tot gewesen.“
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Es klickt leise, als Asen Mudev (34) die Wohnungstür öffnet. Seit über einer Woche ist die Wohnung nun zugesperrt. Er holt tief Luft, als er den Schlüssel umdreht. Am 24. Dezember, an Heiligabend, wurden er und seine Familie mit schweren Kohlenmonoxid-Vergiftungen ins Krankenhaus gebracht. Ein glücklicher Zufall rettete ihnen das Leben.

Der Familienvater Asen kam 2019 als Baustellenhilfskraft aus Bulgarien nach Deutschland. Ein Jahr später durften seine Frau Penka (33) und die Kinder Lyubcho (15) und Melisa (7) nachkommen. Jetzt steht er vor der Wohnung seiner Familie im fünften Stock.

Das Gesicht des 34-Jährigen ist angespannt. Sobald die Tür geöffnet ist, presst sich Asen Mudev die Hände auf den Mund, obwohl es dort mittlerweile kein Gift mehr gibt. Eilig geht er durch die Räume und öffnet trotz regnerischem Wetter in jedem Raum die Fenster.

Asen Mudev öffnet die Wohnung zur Unfall-Wohnung.
Asen Mudev holt tief Luft, als er den Schlüssel zur Wohnung umdreht. An Heiligabend erlitten er und seine Familie schwere Kohlenmonoxid-Vergiftungen. © Mathias Gaumann

Symptome: Schwindel, Kopfschmerzen und Erbrechen

Dass die Familie Mudev noch lebt, hat sie Ilhan Ahmed zu verdanken. „Mein Schwager“, sagt Asen Mudev und deutet auf einen hageren Mann, der ihn heute begleitet. Er hat die Familie an Heiligabend in der Wohnung gefunden. Eigentlich wollen beide lieber stehen – dann setzen sie sich widerwillig doch ins Wohnzimmer. Die anderen Familienmitglieder kommen hinzu, allen ist anzumerken, dass sie sich sehr unwohl fühlen.

Unberührt steht hier der noch geschmückte Weihnachtsbaum. Ganz so, als würde die Bescherung bald losgehen. Familie Mudev ist evangelisch, für Heiligabend war eine große Feier mit der Familie geplant. Leider sollte es anders kommen.

Die Misere begann am 20. Dezember, als Mutter Penka über Kopfschmerzen und Schwindel klagte. Einen Grund dafür sah die Familie nicht. Einen Tag später kam es noch schlimmer: Die ganze Familie Mudev musste sich übergeben. „Das kam uns sehr komisch vor“, sagte Asen Mudev. Die Familie lässt sich im Hellmig-Krankenhaus in Kamen untersuchen. Mit einem einfachen Blut-Test hätte hier die fortschreitende Kohlenmonoxid-Vergiftung bemerkt werden können. Aber die Ärzte tippten zuerst auf Corona, später auf Grippe-Viren.

Das rote Licht an der Therme

Am 22. Dezember bemerkt Asen Mudev, dass die Heizung nicht funktioniert. Auch warmes Wasser gibt es keins. Als er nach dem Grund sucht, entdeckt er eine rote Lampe an der Therme. Alarmiert ruft der 34-Jährige den Vermieter an. Er bittet darum, dass dieser einen Handwerker schickt. Laut Mudev bestand der Vermieter aber darauf, dass die Familie den Handwerker selbst bezahlt.

Asen Mudev versucht sich zu wehren. Geld hat die Familie nicht, er selbst ist gerade arbeitssuchend. Es fehlt an jeder Ecke. Er habe den Vermieter gebeten, die Rechnung später bezahlen zu können, sagt Asen Mudev. Aber dieser habe sich nicht um das Problem gekümmert.

Am 23. Dezember ist allen schwindelig. Schwager Ilhan Ahmed bringt Essen und Trinken vorbei. „Alle dachten ja, dass wir Grippe haben“, sagt Mudev. Als er Heiligabend niemanden erreicht, beginnt sich Ahmed Sorgen zu machen. Er weiß ja, dass alle Zuhause sind. Warum geht niemand ans Handy?

Ein elektrische Heizung.
Am 22. Dezember bemerkt Asen Mudev, dass die Heizung nicht funktioniert. Die Familie behalf sich mit einem Elektro-Wärmer. © Mathias Gaumann

„Eine halbe Stunde später wären alle tot gewesen“

Auch auf sein Klopfen an der Tür habe niemand reagiert, sagt Ilhan Ahmed. Er ist blass, aber seine Stimme ist entschlossen. Dann geht plötzlich die Wohnungstür auf. Der 15-jährige Lyubcho hat sich mit letzter Kraft zur Tür geschleppt. Dann bricht er zusammen und verliert das Bewusstsein.

Ahmed stürmt in die Wohnung. Vor der Toilette findet er Mutter und Tochter, beide ebenfalls nicht ansprechbar. Auf dem Bett im Schlafzimmer liegt Asen Mudev. Ilhan Ahmed gerät in Panik. Er ruft einen Bruder an, dieser alarmiert den Rettungsdienst.

Vor der Tür wartet er auf die Rettungskräfte. Als er das Team in Empfang nimmt, schlägt bereits der Kohlenmonoxid-Melder aus. Sofort alarmiert die Rettungswagen-Besatzung die Kollegen von der Feuerwehr. Die Familie wird mit dem Krankenwagen in die Bergmannsheil Buer Klinik in Gelsenkirchen gebracht. Das Krankenhaus verfügt über zwei Druckkammern, die bei Kohlenmonoxid-Vergiftungen unerlässlich sind. Über Weihnachten muss die Familie hier bleiben. „Der Arzt hat gesagt, eine halbe Stunde später wären wir alle tot gewesen“, sagt Asen Mudev leise.

Die Alpträume bleiben

Unbehaglich sieht sich der 34-jährige Familienvater in der Wohnung um. „Hier wollen wir nicht bleiben“, sagt er. Tochter Melisa hat immer noch große Angstzustände. Asen selbst leidet unter Alpträumen, in denen er seine Familie nicht vor dem unsichtbaren Gas beschützen kann. Nun will er nach vorne sehen. Sein Blick geht zu seinem Schwager.

„Ich bin sehr gläubig. Ich glaube, dass Gott uns das Leben geschenkt hat, weil er meinen Schwager geschickt hat. Er wird uns beschützen.“