Christopher Street Day in Köln Mehr als eine Millionen Besucher bei Parade am Sonntag

CSD in Köln: Parade mit 60.000 Teilnehmern gestartet
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Update 22.7.,9 Uhr: Bunt, laut und politisch - viele Tausend Menschen haben beim Kölner Christopher-Street-Day-Umzug ein Zeichen für Toleranz und Vielfalt gesetzt. Laut Veranstalter kamen zu der Parade am Sonntag schätzungsweise 1,2 Millionen Besucherinnen und Besucher und zum ganzen CSD-Wochenende 1,4 Millionen.

Die CSD-Parade selbst bestand laut Veranstalter aus 65 000 Teilnehmern und 250 Gruppen, darunter 90 Festwagen. Die Polizei sprach von Zehntausenden Teilnehmenden. Es sei die größte, die Köln je gehabt habe, sagte Cologne-Pride-Vorstandsmitglied Hugo Winkels. Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) schwärmte: „Köln ist der wichtigste CSD, nicht nur im ganzen Land, nicht nur in Europa, sondern das strahlt in die ganze Welt.“

Kaulitz-Brüder mit auf dem Wagen

Auch die Zwillingsbrüder Tom und Bill Kaulitz von der Band Tokio Hotel fuhren auf einem der Wagen mit. In einem WDR-Interview sprach Bill Kaulitz darüber, wie befreiend sein Coming-out gewesen sei: „Mich rührt das auch unglaublich, wie viele Leute dann zu mir kommen und Mut darin finden in meiner Geschichte“, so der Sänger. „Ich habe die ersten Jahre einfach sehr privat gelebt und durfte das einfach nie nach außen tragen.“

Die Brüder Tom Kaulitz (l) und Bill Kaulitz feiern auf einem Wagen beim CSD in Köln. Mit mehr als 60 000 Teilnehmern und über eine Million erwarteten Besuchern gilt der Kölner CSD als einer der größten in Europa. (zu dpa: «Kölner CSD - Laut gegen Abbau queerer Rechte»)
Die Brüder Tom Kaulitz (l) und Bill Kaulitz feiern auf einem Wagen beim CSD in Köln. Mit mehr als 60 000 Teilnehmern und über eine Million erwarteten Besuchern gilt der Kölner CSD als einer der größten in Europa. (zu dpa: «Kölner CSD - Laut gegen Abbau queerer Rechte») © Christoph Reichwein/dpa

Erstmeldung 21.7., 14 Uhr: Mehrere Politikerinnen und Politiker haben bei der CSD-Demonstration in Köln vor einem Abbau von Rechten queerer Menschen gewarnt. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sagte: „Wir merken, im Moment gibt es Faschisten und Nazis, die ein Rollback wollen.“ Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) sieht die Parade zum Christopher Street Day als Signal, „dass wir eben kein Rollback machen, dass wir das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten erreicht worden ist, noch erweitern“.

In diesem Zusammenhang forderte der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), eine Aufnahme der sexuellen Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes. Bisher steht in dem Artikel, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

„Diesen Schutz ins Grundgesetz bringen“

„Ja, wir brauchen im Grundgesetz eine Änderung, Artikel 3, Absatz 3“, sagte Lehmann. Queere Menschen seien die letzte von den Nazis verfolgte Gruppe, die noch keinen expliziten Schutzstatus im Grundgesetz genieße. In seiner jetzigen Form habe das Grundgesetz in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen wie den erst 1994 abgeschafften Paragrafen 175 des Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, nicht verhindern können.

„Wir brauchen eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat“, sagte Lehmann. „Ich möchte, dass das gelingt noch vor der nächsten Bundestagswahl, dass wir das schaffen, diesen Schutz ins Grundgesetz zu bringen und damit unsere Rechte nie wieder abschaffen zu lassen.“

„Ihr kriegt uns nicht stumm!“

Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte, der Kölner CSD strahle in die ganze Welt. Es gebe allemal Grund zum Feiern. „Aber ich sage auch: Keine Bescheidenheit - wir sind noch nicht am Ziel.“ Es gebe Demokratiefeinde weltweit wie auch in Deutschland. „Es gibt Rechtsstaats-Verächter, es gibt Hasser und Hetzer, und die wollen uns zum Schweigen bringen, die wollen, dass wir uns zurückziehen, die wollen, dass wir uns verstecken.“ Darauf gebe der CSD eine klare Antwort: „Ihr kriegt uns nicht stumm!“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verwies darauf, dass immer mehr Übergriffe gegen queere Menschen registriert würden und die Hassgewalt gegen sie zunehme. „Deshalb müssen wir zusammenstehen.“ Doch beim CSD gehe es keinesfalls nur um die Rechte der queeren Community: „Wenn eure Rechte fallen, fallen alle Rechte“, so Lauterbach. „Daher ist das eine wichtige politische Demonstration, die nie wichtiger gewesen ist als heute.“

Der Kölner CSD mit 90 Festwagen und 250 Gruppen zieht derzeit durch die Innenstadt. Er gilt als einer der größten Umzüge dieser Art in Europa. Mit dem CSD wird an Ereignisse im Jahr 1969 in New York erinnert: Polizisten stürmten damals die Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street und beendeten einen mehrtägigen Aufstand von Schwulen, Lesben und Transsexuellen.

Bilder vom CSD in Köln

dpa/seh