
Welche Welt hinterlassen wir den nächsten Generationen, wenn wir weiter auf eine globale Erderwärmung von 3 Grad zusteuern? © picture alliance/dpa
Welche Folgen hätte es, wenn die Erde sich drei Grad erwärmen würde?
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Macht die Menschheit so weiter wie bisher, steuern sie auf eine drei Grad wärmere Erde zu. Wie würde diese Welt aussehen? Ein Blick in die mögliche Welt von morgen.
Hitzewelle, Dürre, Überschwemmungen - die ersten Auswirkungen des Klimawandels sind bereits heute spürbar. Die Erwärmung der Erde auf 1,5 Grad zu begrenzen, darauf hatte sich die Weltgemeinschaft im Pariser Klimaabkommen 2015 geeinigt. Dieses Ziel sei aber bereits verspielt, sagte Klimaforscher und Meteorologe Mojib Latif im Interview mit dem RedaktionsNetzwerkDeutschland (RND). Laut Weltwetterorganisation könnte die Erderwärmung schon in drei Jahren 1,5 Grad überschreiten.
Vielleicht könne die Erderwärmung noch auf zwei Grad beschränkt werden, so Latif. „Momentan sind wir aber mindestens auf dem Weg in eine um drei Grad erwärmte Welt.“ Das sagt nicht nur Latif, sondern auch der Bericht des Weltklimarats aus dem April diesen Jahres. Darin wird deutlich, dass, wenn wir so weiter machen wie bisher, eine Erderwärmung von mehr als drei Grad droht.
Eine Erde „voller Schrecken“
„Niemand kann genau sagen, wie diese Welt aussehen würde – zu weit wäre sie außerhalb der gesamten Erfahrung der Menschheitsgeschichte“, schreibt Klimaforscher Stefan Rahmstorf in dem Buch „3 Grad mehr“. „Doch ziemlich sicher wäre diese Erde voller Schrecken für die Menschen, die sie erleben müssten.“
Klar sei: Eine globale Erderwärmung von drei Grad, bedeute für Deutschland eine sechs Grad wärmere Durchschnittstemperatur. Berlin wäre dann wärmer als heute Madrid. Das liegt daran, dass Deutschland sich als Landgebiet doppelt so schnell erwärmt wie der globale Mittelwert.
Drei Grad mehr: Auswirkungen auf Tiere und Pflanzen
Dauerhaft höhere Temperaturen haben weitreichende Folgen. Zum Beispiel auf heimischen Tiere und Pflanzen. Sie sind nicht an das warme Klima angepasst und haben aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sich die Erde erwärmt, nicht genügend Zeit, dies zu tun.

Trockene Bäume liegen in einer kahlen Stelle im Wald, die durch Käferbefall, Trockenheit und Sturmschäden entstanden ist. © picture alliance/dpa
Die Folge ist, beispielsweise: Die Wälder sterben weiter ab. Aber nicht nur in unseren Breiten. Auch die an kaltes Klima angepassten Nadelwälder werden durch Waldbrände und Insektenbefall stark beschädigt. Währenddessen wäre mehr als die Hälfte des ursprünglichen Amazonas-Regenwaldes bis 2050 trockene Savanne.
Laut einer Studie des WWF und der Universität East Anglia in Großbritannien würden etwa weltweit die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten eine Erwärmung auf drei Grad nicht überleben. Von fast 80.000 untersuchten Tierarten würde in diesem Szenario jede zweite Art bis 2080 in den 35 artenreichsten, untersuchten Gebieten verschwinden, wie beispielsweise Meeresschildkröten und Felskängurus.
Drei Grad mehr: Auswirkungen auf Hitze, Regen, Wirbelstürme
In einer Drei-Grad-Welt werden es die Menschen in Deutschland mit häufigeren und heißeren Hitzewellen zu tun bekommen. Und zwar nicht mit 39 oder 40 Grad, sondern 45 Grad, wie sie Spanien diesen Juli erlebte. Ausgetrocknete Böden können die Hitze noch verstärken.
Mit wärmerer Luft verdunstet mehr Wasser und damit erhöhen sich wiederum die Niederschläge weltweit, erklärt Rahmstorf. Diese kommen dann aber häufiger als Starkregen vom Himmel. Ein Effekt, der sich heute schon zeigt: Für Deutschland, die Niederlande und die Schweiz beobachtet eine Studie der ETH Zürich 2020, dass es dort zunehmend stärker und langanhaltender regnet. Als Folge der Erwärmung lassen kurze, heftige Regenfälle blitzartig extreme Wassermassen anschwellen. Flutkatastrophen werden in einer Drei-Grad-Welt häufiger als heute für Verwüstung sorgen.

Ausgetrocknet ist ein Teilabschnitt des Flusses Schwarze Elster in Südbrandenburg. © picture alliance/dpa
Tropische Wirbelstürme gewinnen mit der Erderwärmung an zusätzlicher Energie. Bereits heute treten vermehrt Stürme der Kategorien 4 und 5 auf, während schwache Stürme seltener werden. Je wärmer das Wasser, umso zerstörerischer ist die Kraft der Stürme. Zugleich bewegen sie sich langsamer fort, das heißt Landstriche sind dem Sturm länger ausgeliefert, kämpfen mit größeren Sturmfluten und Regenmengen. Je wärmer es in Europa wird, umso wahrscheinlicher ist es auch, dass solche Stürme bis vor die Küste Portugals vordringen. Mit dem steigende Meeresspiegel laufen die Sturmfluten immer höher auf, sodass Gebiete ferner der Küste überschwemmt werden können, wo bislang niemand damit rechnet.
Drei Grad mehr: Auswirkungen auf die Ernährung
Weltweit verdoppeln sich mit drei Grad Flächen, auf denen die Pflanzen kein Wasser mehr finden. Am schwersten werden die Länder des Mittelmeerraums und der Atlantikregion unter der Trockenheit leiden. Die trockene Luft entzieht den Böden und Pflanzen an heißen Tagen noch die letzte Feuchtigkeit.
Eine Erderwärmung von drei Grad könnte zu weltweiten Hungersnöten führen, wenn in den großen Kornkammern der Nordhalbkugel gleichzeitig das Getreide auf den Feldern vertrocknet. Das hat auch Folgen für die politische Stabilität von Staaten.
Drei Grad mehr: Auswirkungen auf die Meere
Der Meeresspiegel dürfte in einer Drei-Grad-Welt etwa dreimal so schnell steigen wie heute, schreibt Rahmstorf. Der aktuelle Bericht des Weltklimarates geht davon aus, dass der Anstieg des Meeresspiegels zwischen 2100 und 2150 einen Meter überschreiten wird. Wenn die großen Eismassen in der Antarktis schmelzen, könnte der Meeresspiegel bereits bis 2100 mehr als zwei Meter ansteigen und den Siedlungsraum von mindestens hunderten Millionen Menschen - am stärksten in Ost-, Südost- und Südasien - gefährden.
„Beim Meeresspiegelanstieg müssen unzählige Generationen nach uns unter den Folgen unserer heutigen Entscheidungen leiden, denn der Meeresspiegel wird über Jahrtausende weiter steigen“, prognostiziert Rahmstorf. Heute am Meer gelegene Landflächen würden - ohne Gegenmaßnahmen - untergehen. Dazu zählen insgesamt 50 küstennahe Städte wie Shanghai, Miami und Alexandria, ebenso wie viele kleinere Inselstaaten. Auch die Malediven würden in einer 3 Grad-Welt komplett unter Wasser liegen.
Mit dem steigenden Meeresspiegel drohen in der Nordsee riesige Wattflächen zu verschwinden und ungeschützte Küsten zu erodieren. Mit der Erwärmung der Meere können weitere Ökosysteme zusammenbrechen. Schon bei zwei Grad mehr steht das Überleben aller Korallenriffe weltweit auf der Kippe.
Drei Grad mehr: Auswirkungen auf den menschlichen Körper
Auch der menschliche Körper selbst wird die Folgen spüren. Das Kühlsystem des menschlichen Körpers durch Schwitzen hat seine Belastungsgrenze bei einer anhaltenden Kühlgrenztemperatur von 35 Grad. Heute wird sie selten auf der Erde kurzzeitig überschritten.
Bei drei Grad mehr breiten sich die tödlich heißen Gebiete weiter aus und der Aufenthalt im Freien wird gefährlicher, sagt Rahmstorf. Bei einer für Deutschland im Sommer typischen Luftfeuchte von 70 Prozent ist bereits nach einigen Stunden die, selbst für gesunde Menschen tödliche, Kühlgrenztemperatur von 35 Grad bei einer Temperatur von 40 Grad erreicht.
RND
Der Artikel "Welche Folgen hätte es, wenn die Erde sich drei Grad erwärmen würde?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.