Höneises mussten ihr Dorf verlassen Der steinige Weg vom Haus zur Wohnung im Kreis Unna

Höneises mussten ihr Dorf verlassen: Steiniger Weg vom Haus zur Wohnung
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Kinder aus dem Haus und das Eigenheim wird den Eltern allmählich zu groß: Gabriele und Gerd Höneise ist es so ergangen wie vielen älter werdenden Hauseigentümern. Das Ehepaar aus Fröndenberg musste, um sich kleiner setzen zu können, sein geliebtes Dorf in Fröndenberg Richtung Unna verlassen.

„Was machen wir im Alter eigentlich?“, erzählt Gerd Höneise, hätten sich die Eheleute vor vielen Jahren gefragt. Die Lieblingsantwort darauf war für die beiden: das große Haus in Ostbüren verlassen und im Dorf in eine kleine Wohnung umziehen.

Fläche für Mehrfamilienhäuser blieb unbebaut

Für Höneises war es eine geradezu ideale Vorstellung. Denn ihre Tochter hatte 2007 ebenfalls in dem kleinen Ortsteil an der B1 gebaut. Die ganze Familie hätte also bis ins hohe Alter nah beieinander bleiben können.

Aus diesem lange gehegten Wunsch wurde am Ende leider nichts. Gerd Höneise, tief verwurzelt im Ort, hatte zuvor viel versucht, um mit seiner Frau in Ostbüren bleiben zu können. „Beim letzten Neubaugebiet hatte die Stadt Grundstücke reserviert und für Mehrfamilienhäuser vorgesehen“, erzählt der 82-Jährige.

Gerd Höneise steht am Straßenschild Heckenweg in Fröndenberg-Ostbüren.
Gerd Höneise am Ostbürener Heckenweg – die alte Heimatadresse mussten er und seine Frau Gabriele mangels seniorengerechter Wohnungen verlassen. © Archiv/Maximilian Zienau

Er selbst hatte der Stadt mitgeteilt, dass es im Stadtteil großes Interesse von Älteren gebe, im Dorf wohnen zu bleiben – allerdings nicht mehr auf zwei Etagen in einem Haus, sondern in einer kleinen Wohnung. Das war vor sieben, acht Jahren. Mangels Investoren ist bis heute kein Mehrfamilienhaus errichtet.

Für die UKBS etwa, die in Fröndenberg-Ardey vor einigen Jahren noch ein als vorbildlich geltendes Wohnprojekt umgesetzt hatte, kam der Standort Ostbüren u.a. wegen kaum vorhandener Infrastruktur nicht infrage. Die Interessierten mussten andere Lösungen finden.

Betreutes Wohnen und ein nahes Pflegeheim

„Eine Frau ist nach Unna gezogen“, weiß Gerd Höneise. Er selbst und seine Frau taten es ihr gleich. Als er von dem Projekt „Haus am Hellweg“ in Hemmerde erfuhr, ließ er seinen Namen auf eine Interessentenliste setzen. Es war mehr eine Vernunft- denn eine Entscheidung des Herzens. „Man hat ja in Ostbüren jeden gekannt“, sagt der frühere Ortsheimatpfleger des Dorfes.

Auf der anderen Seite der Bundesstraße, Luftlinie nur wenige Kilometer entfernt, waren indes drei Mehrfamilienhäuser mit betreutem Wohnen sowie ein benachbartes Pflegeheim entstanden. Ein bundesweit tätiges Unternehmen aus Hannover, „Carestone“, hatte das Projekt in dem ländlichen Unnaer Stadtteil realisiert.

Gerlinde Gehring und Gerd Höneise mit einem Gemälde der alten Windmühle von Fröndenberg-Ostbüren.
Als Ortsheimatpfleger war Gerd Höneise besonders eng mit seinem Heimatort Ostbüren verbunden – auf dem Foto zeigt er gemeinsam mit Gerlinde Gehring, der Tochter des letzten Müllers aus dem Dorf, ein Gemälde der alten Windmühle. © Archiv/Udo Hennes

Nachdem Höneises 2023 von Ostbüren nach Hemmerde umgezogen waren, profitierten sie von diesem Modell wenig später. Gabriele Höneise war gestürzt, die 77-Jährige war zudem schon bei Umzug demenziell erkrankt. Sie bezog daher das kaum hundert Meter weiter stehende Pflegeheim. „Das klappt wunderbar, ich kann meine Frau jederzeit mit in unsere Wohnung nehmen“, sagt Gerd Höneise.

„Massiver Mangel an altersgerechten Wohnungen“

Neben Eigenheimen für junge Familien gibt es im Kreis Unna tatsächlich einen riesigen Bedarf an kleinen Wohnungen für ältere, oft allein stehende Menschen. Das Pestel-Institut sieht einen „massiven Mangel an altersgerechten Wohnungen“.

In ihrem Masterplan Wohnungsbau trifft die Kreisverwaltung eine wesentliche Aussage, die sich vor allem auf die alternde Bevölkerung bezieht: „Aufgrund der weiter zunehmenden Einpersonenhaushalte wird zunächst ein steigender Bedarf an kleinen Wohnungen erwartet“, heißt es in der Analyse.

Dabei werde besonders die Nachfrage nach barrierearmen und barrierefreien Wohnungen steigen – denn bis zum Jahr 2040 wird im Kreis Unna ein Anteil von rund 34 Prozent an allen Wohnungen erwartet, in denen ausschließlich Senioren (65+) leben. Über alle Bedarfe berechnet prognostiziert der Kreis, dass bis 2030 rund 1.000 neue Wohnungen jährlich fertiggestellt werden müssten.

Baby-Boomer-Generation bis 2035 komplett in Rente

Weil die „Baby-Boomer“-Generation bis 2035 komplett in Rente gehe, sagt das Pestel-Institut ebenfalls einen enormen Bedarf voraus. Das Forschungsinstitut für den Wohnungsmarkt spricht gar davon, dass der Kreis Unna „mit der Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert“ sei.

Der Regionalleiter der IG Bau, Björn Wißuwa, hatte unserer Redaktion kürzlich gesagt, dass der Hochbau in den Startlöchern stehe und aktuell durchaus noch die personellen Kapazitäten für eine Bauoffensive habe.

„Diesen Bedarf gibt es nach wie vor“, sagt auch Gerd Höneise, wenn er mit einem traurigen Auge in seine alte Heimat Ostbüren blickt. In Hemmerde fühlen er und seine Frau sich zwar mittlerweile wohl. Nun hat Gerd Höneise aber eine neue Sorge: „Die Infrastruktur in Hemmerde droht zurückzugehen.“ Die Volksbank ist schon weg, die VKU dünnt den Busverkehr aus. Und kürzlich hat der einzige Lebensmittelmarkt des Ortes „Carekauf“ angekündigt, bald schließen zu wollen.