Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Versorgung mit Kinderarzneimitteln verbessern. So sollen die Krankenkassen ab sofort mehr für diese Medikamente bezahlen.
Damit soll auf die derzeitigen Lieferengpässe reagiert werden, wie der SPD-Politiker am Dienstagmorgen im ARD-„Morgenmagazin“ erläuterte: „Wir müssen diese Arzneimittel für Kinder aus den Festbeträgen herausnehmen, so dass die auch teurer verkauft werden. Da werde ich heute (20.12.) auch schon reagieren, dass die Krankenkassen angewiesen werden, 50 Prozent mehr zu zahlen als diesen Festbetrag“, sagte Lauterbach.
„Deutscher Markt nicht attraktiv“
Patentgeschützte Medikamente seien in Deutschland eher teuer, erklärte Lauterbach. Für Arzneimittel ohne Patentschutz würden jedoch in der Regel niedrige Einheitspreise gezahlt, sogenannte Festbeträge. Deutschland sei für Hersteller aber kein attraktiver Markt, was dazu führe, dass stark gefragte Mittel eher in anderen Ländern wie den Niederlanden verkauft würden. „Da müssen die Preise sofort angehoben werden, das machen wir mit heutiger Wirkung.“
Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf ein Eckpunktepapier des Gesundheitsministeriums über die Pläne berichtet. Demnach soll die bessere Vergütung nicht nur kurzfristig gelten, sondern Kindermedikamente dauerhaft wirtschaftlich attraktiver machen und damit weitere Engpässe verhindern.
Produktion in Europa soll hochgefahren werden
Lauterbach kritisierte zudem, dass bestimmte Arzneimittel wie Krebsmedikamente oder Antibiotika für Erwachsene nicht in ausreichender Menge hergestellt würden. „Da werden wir den Krankenkassen jetzt die Vorgabe geben, dass sie einen Teil der Arzneimittel aus China, Indien und Übersee besorgen, aber einen Teil auch aus Europa“, sagte er. Das solle dazu führen, dass die Produktion in Europa wieder hochgefahren werde.
Zur Finanzierung seiner Vorschläge sagte er: „Wir werden das in der Ressortabstimmung besprechen. Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder hier einsieht, dass wir handeln müssen.“ Er ziehe dabei mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) an einem Strang.
330 Meldungen zu Lieferengpässen
Lauterbach hatte Eckpunkte für einen Gesetzentwurf angekündigt, um Lieferengpässe wie zuletzt bei Fieber- und Hustensäften sowie anderen Kindermedikamenten vorzubeugen. Auch Mittel für Erwachsene sind betroffen. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt es derzeit gut 330 Meldungen zu Lieferengpässen.
Das Ministerium weist darauf hin, dass nicht in jedem dieser Fälle auch ein Versorgungsengpass besteht. Es können also Alternativen beschafft oder hergestellt werden, was aber mehr Aufwand für Apotheken bedeutet.
Um früh zu erkennen, bei welchen Mitteln sich Engpässe abzeichnen könnten, solle außerdem die Versorgungslage intensiver überwacht werden, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“. Generell solle bei der Medikamentenbeschaffung nicht mehr nur der billigste Anbieter zum Zug kommen.
Laut dem Eckpunktepapier werden bei wichtigen Mitteln zwei Verträge angestrebt: Neben dem günstigsten Anbieter aus dem nicht-europäischen Ausland solle immer auch der günstigste Hersteller aus der EU berücksichtigt werden. Der Auftrag werde dann geteilt.
Lauterbach: Mit der Ökonomisierung zu weit gegangen
Derzeit sorgen neben Corona-Infektionen auch Grippe- und bei Kindern RS-Viren in ganz Deutschland für viele Erkrankungen. Ärztevertreter befürchten noch schlimmere Engpässe in der Kindermedizin über Weihnachten und Silvester.
„Im Moment beobachten wir, dass Infektionen mit dem RS-Virus zurückgehen, dafür kommen jetzt immer mehr Kinder mit Grippe und anderen Atemwegserkrankungen“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Durch die Personallage an den Feiertagen wird die Lage in Kliniken und Praxen gleichzeitig noch einmal angespannter sein als jetzt.“
Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte: „Ich gehe davon aus, dass diese akute Krise in der Kindermedizin noch bis Februar andauert.“ Die Zahl der Infektionsfälle werde nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen voraussichtlich in den kommenden Wochen noch weiter steigen.
dpa
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