Kinderarzt erlebt brenzligen Vorfall in der Praxis Alibi-Attest vor den Ferien verweigert

Alibi-Attest vor den Ferien: Kinderarzt erlebt brenzligen Vorfall
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Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in NRW hat kurz vor Beginn der Sommerferien angekündigt, nicht länger Atteste schreiben zu wollen nur weil Schulen dies verlangten. Der Marler Kinderarzt Wolfgang Roglitzki hatte gerade erst besonnen darauf reagiert und betont, er sehe grundsätzlich keine Schwierigkeit darin, auch weiterhin Atteste auszustellen. Mit dem entscheidenden Zusatz: „...wenn das Kind hier in der Praxis und auch wirklich krank ist.“ Seine umsichtige Haltung zum neuen Vorstoß des Berufsverbandes wurde nur einen Tag nach dieser Aussage auf eine harte Probe gestellt. Die Pläne eines Vaters hatte Wolfgang Roglitzikis Frau Ulrike, die mit ihm in der Praxis arbeitet, aber schnell durchschaut: ein Attest zu bekommen, um früher in den Sommerurlaub starten zu können.

Aggressiver Auftritt eines Vaters

Vor allem die wenig subtile Forderung nach einer längerfristigen Krankschreibung bis zum Ferienbeginn in der kommenden Woche, entlarvte die eigentliche Intention des Vaters. „Meine Frau hat ihm gesagt, der Magen-Darm-Infekt sei bis zum Wochenende überstanden, das Kind könne Montag wieder in die Schule“, sagt der Kinderarzt. Die Reaktion des ertappten Vaters: aggressiv, „nah an einer Handgreiflichkeit“, wie Roglitzki sagt. Die Situation endete glimpflich. Für den Vater aber eben ohne das gewünschte Attest.

Arzt fehlt Zeit für seine originären Aufgaben

Viele Schulen fordern vor den Ferien ein Attest vom Arzt für Fehltage.
Viele Schulen fordern vor den Ferien ein Attest vom Arzt für Fehltage. © Theresa Breuer

Brech-Durchfall oder ein günstigeres Flugticket zwei Tage vor Ferienbeginn - wer kann die Ursache für Fehltage vor den großen Ferien schon erkennen? Die Schulen wohl jedenfalls nicht. Die Kinderärzte, die Krankheit in der Vergangenheit häufig mit einem Attest nachweisen sollten, fühlten sich vielfach „von den Schulen eingespannt“, wie der Marler Kinderarzt Wolfgang Roglitzki zusammenfassend sagt. Er selbst empfindet es nicht unbedingt so. Blickt er nach links und rechts auf seine Kollegen, ergebe sich eben kein einheitliches Bild. Selbst in der eigenen Praxis gibt es unterschiedliche Stimmen zu den Forderungen des Berufsverbands. „Für mich ist das kein großer Mehraufwand“, sagt der Kinderarzt über das Schreiben einer offiziellen Krankmeldung.

Kritik: Attest-Pflicht hält Ärzte von der Arbeit ab

Markus Böddekers Urteil fällt weit entschiedener aus. Der Marler Hausarzt ist zugleich Sprecher des Marler Arzt Netzes, ein Zusammenschluss niedergelassener Haus- und Fachärzte. Er sagt: „Wir werden mit Dingen belastet, wo die Schule eigentlich etwas leisten müsste.“ Und weiter: In seinen Augen sei mit der Pflicht zum Attest ein „Verwaltungsakt ausgelöst worden, der uns von unserer Arbeit abhält und anders zu lösen gewesen wäre.“ Ähnlich klang auch die Kritik des Berufsverbandes. Es werde Zeit vergeudet, die dem Arzt bei seiner originären Aufgabe fehle: nämlich kranken Mensch zu helfen.

Wolfgang Roglitzki übte sich zunächst in Gelassenheit - trotz eines „gewissen Gruppenzwanges“, den er durchaus empfindet. Seine Erfahrung aus dem Praxisalltag: „Ich sehe nicht, dass das so viele Eltern nutzen.“ Er glaubt sogar, einen Abwärtstrend beobachten zu können. Früher sei es häufiger vorgekommen, dass Eltern ihren Kindern eine Krankheit andichteten, um eher in den Urlaub fahren zu können, sagt er rückblickend. Seine abwägende Haltung behält er auch nach dem Vorfall von dieser Woche in seiner Praxis bei. Und auch für die Schulen findet er wertschätzende Worte. Er sieht sie, vor allem auch die katholische Hauptschule, als verantwortungsvoll handelnde Akteure. Es gebe Absprachen und auch eine gute Zusammenarbeit. „Die passen schon auf“, sagt der Kinderarzt.

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