Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kardinal Woelki Ex-Mitarbeiterin erhebt schwere Vorwürfe

Ex-Mitarbeiterin belastet Kardinal Woelki: Täterliste habe ihn "überhaupt nicht interessiert“
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Gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki laufen seit Mittwoch strafrechtliche Ermittlungen. Untersucht werde der Vorwurf der falschen Versicherung an Eides Statt, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn. Darauf stehen im Falle einer Verurteilung bis zu drei Jahre Haft oder Geldstrafe.

Auslöser für die Ermittlungen ist ein am Mittwoch im „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlichtes Interview mit der ehemaligen Assistentin des Personalchefs im Erzbistum Köln, Hildegard Dahm.

Dahm war von 2013 bis 2017 im Generalvikariat - der Zentralverwaltung des Bistums - beschäftigt. In dem Interview sagt sie, dass sie Woelki frühzeitig über Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Sternsinger-Chef Winfried Pilz informiert habe.

Sie habe es „nicht mehr ausgehalten (...), Dinge aus erster Hand zu wissen, die den öffentlichen Aussagen von Kardinal Woelki widersprechen“, sagt die Katholikin. Deshalb habe sie sich dazu entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Täterliste: „Das hat den Kardinal überhaupt nicht interessiert“

Dem 2019 gestorbenen Pilz werden Missbrauchsvorwürfe gemacht. Woelki hat in einem presserechtlichen Verfahren versichert, erst ab der vierten Juniwoche dieses Jahres mit dem Fall befasst worden zu sein. „Ich werde garantiert nicht hingehen und als Bischof einen Meineid leisten“, hatte er dazu der Deutschen Presse-Agentur gesagt.

Doch nun sagt Dahm in dem Interview, sie habe bereits im Januar 2015 persönlich eine Excel-Liste für Woelki erstellt mit allen damals aktuellen Missbrauchsfällen. Auf dieser Liste hätten 14 Namen gestanden, darunter der von Pilz. Ihr Chef habe die Liste in ein Gespräch mit Woelki mitgenommen.

Hinterher habe sie ihren Chef gefragt, was Woelki zu der Liste gesagt habe. Darauf habe dieser geantwortet: „Das hat den Kardinal überhaupt nicht interessiert.“ Vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ darauf hingewiesen, dass Woelki sage, er sei erst im Juni 2022 mit dem Fall Pilz befasst worden, antwortet Dahm: „Das ist nicht wahr. Mag sein, dass er sich das Blatt mit Pilz und den anderen 13 Namen nicht angeschaut hat. Aber befasst habe ich ihn damit. Ganz eindeutig. Deshalb war ich auch so entsetzt über die Selbstdarstellung des Kardinals in der Öffentlichkeit.“

Für Woelki wird es nun eng

In diesem Jahr war Woelki bereits mehrfach wegen falscher Versicherung an Eides Statt angezeigt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte die Aufnahme von Ermittlungen aber jedes Mal abgelehnt, weil die Beweislage ihres Erachtens nicht ausreichte. Durch das Interview hat sich das nun geändert. Für Woelki wird es nun eng.

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der dpa: „Ich hoffe, dass die Ermittlungen zeitnah zu einem Ergebnis führen und dass dann am Ende eine Anklage steht - zum Wohle der Betroffenen, die ein Recht darauf haben zu erfahren, was der Kardinal gewusst hat und was er nicht gewusst hat.“

Der oberste Katholik von Bonn, Stadtdechant Wolfgang Picken, sagte, Woelki wäre vermutlich gut beraten, wenn er bis zur Klärung der Vorwürfe seine Amtsgeschäfte ruhen lassen würde, um einer weiteren Eskalation vorzubeugen. Die Ermittlungen ließen sich nur schwer mit der Autorität des Bischofsamtes vereinen.

Nächste Woche Mittwoch steht schon der nächste potenziell ungemütliche Termin für Woelki an: Dann hört das Landgericht Köln zwei Zeugen, den ehemaligen Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums, der mittlerweile aus der Kirche ausgetreten ist, und die frühere Sekretärin von Woelkis Vorgänger Joachim Meisner. Auch dabei dürfte es darum gehen, welche Informationen Woelki zu welchem Zeitpunkt zugegangen sind.

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Papst hat noch nicht über Rücktrittsgesuch Woelkis entschieden

Der 66 Jahre alte Woelki, der als Erzbischof von Köln das größte katholische Bistum in Deutschland leitet, steht seit Jahren unter Druck. Unter anderem wird sein Umgang mit Missbrauchsvorwürfen kritisiert. Papst Franziskus hatte ihn vor einiger Zeit aufgefordert, ein Rücktrittsgesuch bei ihm einzureichen. Das hat Woelki getan.

Der Papst hat bisher aber noch nicht darüber entschieden, ob er es annimmt - stattdessen will er nach eigenem Bekunden warten, bis sich die Lage im Erzbistum Köln beruhigt habe. Diese Haltung des „Heiligen Vaters“ wird sowohl von Gegnern wie als auch von Anhängern Woelkis als absurde Zumutung empfunden.

Viele Beobachter glauben, dass Franziskus sich vor allem deshalb nicht von Woelki trennen will, weil dieser der profilierteste Gegner des derzeitigen Reformprozesses der deutschen Katholiken, des Synodalen Wegs, ist. Diese Erneuerungsbemühungen werden auch von Franziskus selbst mit äußerster Skepsis verfolgt.

Woelki selbst hat sich bisher immer entschlossen gezeigt, seinen Posten nur dann zu räumen, wenn ihn der Papst abberufen sollte. Ob er diesen Kurs auch unter dem Druck strafrechtlicher Ermittlungen noch durchhalten kann, muss sich nun zeigen.

dpa