Im Jahr 1980 verpuffte in unserer Familie ein gefühlter Sechser im Lotto als absoluter Rohrkrepierer – und das war ausgerechnet meine Schuld. Dabei ging es um die schönste Zeit des Jahres – die Sommerferien. Ein Freund meines Vaters hatte uns eingeladen, sein Haus in einer Urlauber-Bungalowsiedlung auf Ibiza zu nutzen. Das löste ein großes Hallo im Familienrat aus: Sowohl meine Eltern, mein älterer Bruder und entsprechend auch ich waren hellauf begeistert.
Die Thematik Nordsee ade, Spanien olé füllten wir alle mit unseren Erwartungen und die Zeit bis zum Urlaub konnte gar nicht schnell genug vergehen. Als es dann endlich soweit war, begann gerade für mich ein großes Abenteuer: Als fünfjähriges Nesthäkchen war schon mein erster Flug ab Düsseldorf ein erster Höhepunkt. Ibiza selbst entpuppte sich dann auch als genau der Traum, den wir alle erhofft hatten: Sonne, Palmen, Meer und die durchweg in weiß gehaltene Bungalow-Siedlung waren ein einziger Traum.
Mitarbeiter der Müllabfuhr leiteten Wendung ein
Wir alle lernten in der Hochsaison viele nette Leute kennen, Sprachbarrieren gab es nicht und die drei Wochen hätten im Fluge vergehen können, wenn meine Eltern mich vorher über die Sitten und Gebräuche am Urlaubsziel richtig aufgeklärt hätten. Worauf mich niemand vorbereitet hatte, war die enorme Zuneigung der Südländer zu Kindern. Ich kleiner, blonder Zappelphilipp hatte immer Hummeln im Hintern, erkundete mit Begeisterung alles Neue und Fremde und war von früh bis spät unterwegs.
Da meine Eltern neben der Kultur auch dem Genuss frönten, waren sie froh, dass sie auch mal ein Stündchen länger schlafen konnten. Mein Bruder schloss sich dem an und ich ging auf Erkundungstour. Das war innerhalb der Anlage kein Problem, alle freuten sich, wenn sie mich sahen. Fast eine Woche ging das gut, dann erhielt der Urlaub eine unerwartete Wendung. Diese wurde durch die – wie ich heute weiß – absolut liebenswürdigen Mitarbeiter der Müllabfuhr ausgelöst.

Die Leerungen sollten nicht stören und fanden in aller Frühe statt. Die Müllmänner erspähten mich, fanden mich süß und wollten mir wortreich Süßigkeiten schenken. Ob es die lautstarke Artikulation in fremder Sprache, oder das wild-rustikale aussehen der fremden, bärtigen Männer war – ich bekam Panik und lief weg. In der mir eigenen Naivität rannte ich aber weg, ohne den Blick von den Müllwerkern abzuwenden.
So endete meine kurze Flucht mit Schmackes in einer riesigen Kaktee. Da war es mit der Ruhe in der Siedlung endgültig vorbei: Ich schrie wie am Spieß und die hilflosen Versuche der Müllmänner, sich um mich zu kümmern, gingen ins Leere. Schnell waren meine Eltern vor Ort, erblickten die Situation, dankten den Helfern und verarzteten mich. Zahllose Pflaster und entzündungshemmende Salbe waren von da an mein Begleiter.

Sich um mich quirligen Bengel zu kümmern, war für meine Eltern keine erholsame Aufgabe. Richtig rührend war es aber, als die Müllwerker sich kurz darauf meldeten und ein paar kleine Geschenke vorbei brachten. Nach kurzer Skepsis und in Begleitung meiner Eltern, freundeten wir uns bald an. Als es mir wieder besser ging, streifte ich schnell erneut durch die Gegend. Der Mut wuchs, der Leichtsinn auch und so wäre ich noch fast in einem Pool ertrunken.
Da half zum Glück ein Nachbarsjunge, doch von da an war ich nur noch an der „kurzen Leine“. Die Nordsee stand in den nächsten Jahren wieder hoch im Kurs. Komischerweise sorgte dieser Urlaub mit wachsendem Abstand jedoch immer wieder für viel Spaß auf Familienfeiern aller Art.