Im ersten Moment schöpfte niemand Verdacht: Vor rund sechs Wochen ist ein junger Mann gegen 10 Uhr vor einem Essener Juweliergeschäft aufgetaucht. Er klingelte, der Geschäftsführer ließ ihn herein. Dann überschlugen sich die Ereignisse auch schon. Seit Dienstag steht der 24-Jährige vor Gericht. Der Vorwurf: schwere räuberische Erpressung.
„Der Mann sah aus wie ein ganz normaler Kunde“, sagte der Geschäftsführer den Richtern am Essener Landgericht. „Er hat sich für Trauringe interessiert.“ Doch dann habe der junge Mann plötzlich eine Pistole aus dem Hosenbund gezogen und ihn in Richtung Büro geschubst. „Er war ganz nah, ich habe den Lauf der Waffe am Körper gespürt.“

Hinten saß seine Chefin, die sofort laut um Hilfe schrie. Die 80-Jährige musste sich auf den Boden legen, in Richtung Werkstatt robben und wurde dort an Händen und Füßen gefesselt. „Ich hatte Todesangst“, sagte die 80-Jährige den Richtern am Essener Landgericht. „Der Täter hat die ganze Zeit mit seiner Pistole herumgefuchtelt.“
Der Angeklagte forderte Bargeld, doch der Tresor, auf den er es abgesehen hatte, war leer. Ohne Beute wollte er das Juweliergeschäft allerdings nicht verlassen. Der Geschäftsführer musste Uhren und Schmuck aus den Auslagen nehmen und in eine Plastiktüte füllen, dann wurde auch er an Händen und Füßen gefesselt. Weit kam der 24-Jährige allerdings nicht. Ein Nachbar hatte den Überfall von der Straße aus beobachtet und die Polizei alarmiert.
Falsche Nummernschilder
Im Prozess sprach der 24-Jährige von 10.000 Euro Schulden, die beim Pokerspiel aufgelaufen seien und die er nicht zurückzahlen konnte. „Der Druck wurde immer größer“, sagte er den Richtern. „Die Leute waren sogar schon bei meinen Eltern und haben nach mir gefragt.“ Am Ende habe er keinen Ausweg mehr gesehen.
Das Juweliergeschäft am Rande der Essener Innenstadt will er nicht gekannt haben. „Ich bin einfach durch die Gegend gefahren und habe mich umgeguckt.“ An seinem Auto hatte er vorher falsche Nummernschilder montiert, die Pistole (eine Schreckschusswaffe) soll einem seiner Brüder gehört haben.
Einfach nicht mehr gearbeitet
Gearbeitet hat der Angeklagte damals nicht, obwohl er eine abgeschlossene Ausbildung als Maler und Lackierer vorweisen konnte. „Ich habe mich nur noch um meine Hobbys gekümmert und mich in meiner Arbeitslosigkeit eingerichtet“, sagte er den Richtern. Dabei habe es sich vor allem um Sport gehandelt.
Obwohl er bereits nach islamischem Recht verheiratet ist, wohnte er weiter bei seinen Eltern. Seine junge Ehefrau, die eine eigene Wohnung hat, war zum Prozessauftakt ebenfalls im Gericht erschienen. Als sie den Angeklagten anblickte, zwinkerte er ihr freundlich zu.