Ein krasser Typ So tickt der deutsche Handball-Star Juri Knorr

Ein krasser Typ: So tickt der deutsche Handball-Star Juri Knorr
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Juri Knorr wischt sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn, als er in den Katakomben der Berliner Arena wieder zwei, drei Schritte nach links geht. Mi­kro­fo­ne, Handys und Diktiergeräte schieben sich erneut vor sein Gesicht. Nordmazedonien ist bezwungen (34:25), das Ticket für die EM-Hauptrunde vorzeitig gebucht. An diesem Dienstag geht es gegen Rekordweltmeister Frankreich (20.30 Uhr, ARD) um den Gruppensieg. Und die deutsche Handballwelt giert darauf, was Knorr zu sagen hat.

Er war der Taktgeber. Der, der wirft, passt und entscheidet, den Ball schnell nach vorn getragen hat – der mit zehn Toren und sechs Assists „Man of The Match“ wurde. Und wenn er mit tänzerischer Leichtigkeit seine Gegenspieler narrte und ansatzlos seine Wurfpeitsche mit 125 Sachen knallen ließ, erinnerte das an jene Kunst, die er vor einem Jahr bei der WM gezeigt und die mit der Wahl ins All-Star-Team geendet hatte.

Juri Knorr: Krass ist sein Lieblingswort

Seitdem gilt Knorr als Retter des deutschen Handballs, als Wunderkind und Heilsbringer. Der 23-Jährige kann damit nichts anfangen. Für ihn ist das „drüber, einfach nur Sensationsfanatismus“. Denn er hat auch die Kehrseite erlebt. Jene Zeit, als sein Impfstatus wichtiger war als das, was auf der Platte passierte. „Eine krasse Erfahrung, wünsche ich keinem“, bekennt er. Dabei sieht er sich selbst nur als „guten Handballspieler, doch eigentlich bin ich immer noch der kleine Junge, der für Bad Schwartau aufläuft. Wenn ich jetzt gegen Frankreich spiele, ist das krass.“

Krass ist sein Lieblingswort. Wenn Knorr erzählt, spricht er leise, bedächtig, so als ob er jeden Satz im Kopf dreimal hin und her dreht, bevor er ihn ausspricht. Der Gefühlsmensch, der auf dem Spielfeld vieles intuitiv aus dem Bauch heraus entscheidet, ist dann der Kopfmensch – ein krasser Unterschied. Er hinterfragt alles, für ihn ist „nicht jedes schlechte Spiel ein Weltuntergang. Es gibt in der Welt viel Wichtigeres als ein blödes Handballspiel. Wir retten keine Leben, es ist einfach nur Handball.“

Knorr spielte im HSV-Internat Fußball

Wer verstehen will, warum Knorr ist, wie er ist, muss in seine Vergangenheit schauen. Die Handballgene wurden ihm von Vater Thomas, Ex-Nationalspieler und mehrfacher Meister, in die Wiege gelegt. „Die Videos habe ich früher oft aus dem Schrank geholt“, erzählt der Sohn. Sein Vater war der, der ihn auch als Trainer gefördert und gefordert hat. „Juri ist morgens um fünf aufgestanden und hat vor der Schule gelernt. Das wollte er so, um am Nachmittag zu trainieren“, erzählt sein Vater.

Denn Knorr junior spielte parallel noch Fußball, er war am HSV-Internat mit Jo­sha Vagnoman und Fiete Arp. Doch er spürte früh den Druck und wollte ihn nicht mehr. „Handball hat da mehr Spaß gemacht.“ Mit 18 Jahren wechselte er zum großen FC Barcelona, spielte meist nur in der zweiten Mannschaft, trainierte aber mit den Profis. In der Zeit legte er sich Tabellen mit Kategorien wie Abwehr, Angriff, Technik und Taktik an und verglich sich mit den Stars wie Dika Mem. Knorr, der Ehrgeizige. „Juri ist ein fantastischer Spieler, ein Mensch mit sehr viel Tiefe. Er macht sich sehr viele Gedanken, manchmal zu viele“, sagt Andy Schmid, sein ehemaliger Mentor bei den Rhein-Neckar Löwen.

Handball-Wintermärchen in Deutschland?

In der für ihn „krassen Handballwelt“ gibt ihm seine Freundin Frie­deri­ke Halt. Mit ihr wohnt er in Heidelberg. Ein wichtiger Rückzugsort ist auch Bad Schwartau, seine Heimat. Dort bummelt er mit der Familie an der Ostsee oder stemmt Gewichte im Fitnessstudio seines Vaters. Er schaltet ab und tankt Kraft.

Und jetzt wartet Frankreich. „Eine Weltklassemannschaft, die ich immer noch als Vorbilder, als Idole habe, das ist etwas Besonderes, mental eine große Herausforderung“, sagt Knorr. „Doch wir haben das Potenzial, sie zu schlagen.“ Denn er glaubt an das „Wintermärchen“: „Das Halbfinale wäre eine Sensation, etwas Krasses. Wir stehen mit unserer Mannschaft aber erst am Anfang.“

RND

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