Nach Judenstern-Vergleich und Scheinimpfungen Neuer Wirbel um Recklinghäuser „Skandal-Arzt“

Urteil nach Scheinimpfungen rechtskräftig: Arzt verweigert Haftantritt
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Neuer Wirbel um einen Corona-kritischen Arzt aus Recklinghausen: Trotz rechtskräftiger Verurteilung wegen vorgetäuschter und falsch bescheinigter Covid-19-Impfungen wehrt sich der 69-Jährige nach Kräften gegen den Antritt seiner Gefängnisstrafe. Eine erste abschlägige Gerichtsentscheidung liegt bereits vor – doch der Arzt sträubt sich weiter.

Am 29. Juni 2023 hatte die 12. Strafkammer am Bochumer Landgericht gegen den Mediziner wegen 207 nachgewiesener Corona-Scheinimpfungen zwei Jahre und zehn Monate Haft verhängt. Unmittelbar nach dem Urteil wurde der Mediziner nach 16 Monaten aus der U-Haft entlassen.

Trotz seiner eigenen Skepsis gegenüber Impfungen gegen das Coronavirus hatte sich der 69-Jährige als „Impfarzt“ registrieren lassen und ab Juni 2021 in großem Umfang Impfstoffe bezogen. Bei einer Durchsuchung seiner ehemaligen Praxis im Paulusviertel waren im Januar 2022 unverbrauchte Chargen der Corona-Impfstoffe von „Moderna“ und „Biontech“ entdeckt worden.

Die numerisch dazugehörigen Etiketten waren in Absprache mit Patienten ohne Injektion des Vakzins in Impfpässe eingeklebt worden. Vereinzelt hatte der Arzt Patienten zur Verschleierung statt Impfstoff auch nur Kochsalzlösung gespritzt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das von dem Naturheilkunde-Arzt angefochtene Bochumer Urteil im Anschluss überprüft und als rechtlich einwandfrei bestätigt. In dem veröffentlichten Beschluss heißt es: „Die Revision ist unbegründet (…) und wird verworfen. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils hat (…) keinen Rechtsfehler ergeben.“

Klarer Fall? Mitnichten. Denn im September 2023 war der Arzt wegen 184 weiterer Corona-Scheinimpfungen zu einer zweiten Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Auch dieses Urteil hat er angefochten. Diese Revisionsprüfung beim BGH ist aber aktuell noch nicht abgeschlossen. Und erst nach rechtskräftigem Abschluss ist aus beiden Haftstrafen noch eine Gesamtstrafe zu bilden.

Die für die Vollstreckung von verhängten Freiheitsstrafen zuständige Bochumer Staatsanwaltschaft hat den „Skandal-Arzt“ aber bereits jetzt zum Strafantritt aufgefordert.

Auf Anfrage dieser Redaktion erklärte Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter die Entscheidung so: „Die Strafvollstreckungsordnung NRW sieht vor, dass richterliche Entscheidungen im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege mit Nachdruck und Beschleunigung zu vollstrecken sind. Dementsprechend ist hinsichtlich der rechtskräftigen ersten Verurteilung bereits eine Ladung zum Strafantritt erfolgt.“ Das heißt: Der Arzt soll die zwei Jahre und zehn Monate Haft (abzüglich verbüßter U-Haft) sofort absitzen.

Die Revision des Recklinghäuser Arztes (links) gegen ein erstes Urteil für 207 Scheinimpfungen wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) verworfen. In einem weiteren Prozess war auch seine Ehefrau (vorne rechts) mitangeklagt.
Die Revision des Recklinghäuser Arztes (l.) gegen ein erstes Urteil für 207 Scheinimpfungen wurde vom Bundesgerichtshof (BGH) verworfen. In einem weiteren Prozess war auch seine Ehefrau (vorne r.) mitangeklagt. © Werner von Braunschweig

Doch der 69-Jährige sperrt sich und verweigert den Gang ins Gefängnis. Oberstaatsanwältin Cornelia Kötter bestätigte, dass der Arzt „Einwendungen“ gegen den Antritt der Gefängnisstrafe erhoben hat, „die derzeit geprüft werden“. Was genau der Arzt argumentiert, blieb unklar.

Eine erste Niederlage hat der Recklinghäuser Arzt in Sachen Haftverweigerung aber bereits eingefahren. Soweit zuständig, wurden Teile seiner Einwände vonseiten einer Strafkammer als unbegründet verworfen, bestätigte das Bochumer Landgericht. Abgeschlossen ist Sache damit aber noch nicht.

Die Entscheidungsgewalt über die Prüfung einer offenbar vonseiten des 69-Jährigen nun auch in den Raum gestellten Haftunfähigkeit (Vollzugsuntauglichkeit) liegt nun wieder bei der Bochumer Staatsanwaltschaft.

Rückblick: Ab Anfang 2023 hatten die Prozesse um Hunderte Scheinimpfungen in der Recklinghäuser Praxis das Bochumer Landgericht fast zehn Monate lang beschäftigt. Die vorgetäuschten Impfungen hatte der heute 69-Jährige zwar im Kern nie abstritten, aber bis zuletzt als Nothilfe für seiner Überzeugung nach gesellschaftlich ausgegrenzte, impfunwillige Menschen verteidigt.

Auch ein Judenstern-Vergleich („Ungeimpfte werden behandelt wie die Juden im Nazi-Regime...“) und ein sich selbst schmeichelnder Helden-Vergleich mit „dem mutigen Oskar Schindler, der so viele vor dem Tod bewahrt hat“, hatten während des Prozesses für Aufsehen gesorgt.

Oskar Schindler hatte im Zweiten Weltkrieg Hunderte jüdische Zwangsarbeiter vor dem Abtransport in nationalsozialistische Vernichtungslager bedrohte gerettet.

Die Bochumer Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde muss nun über die Einwendungen des Arztes aus Recklinghausen entscheiden. Foto: Bernd Thissen/dpa ++ +++ dpa-Bildfunk +++
Die Bochumer Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde muss nun über die Einwendungen des Arztes aus Recklinghausen entscheiden. © picture alliance / Bernd Thissen/dpa

Dass der Recklinghäuser Arzt seinerzeit festgenommen worden war, lag an einem Haftbefehl, der sich auf Fluchtgefahr gestützt hatte.

Die Staatsanwaltschaft hatte nach Auffliegen des Impf-Skandals Indizien für eine geplante Flucht des Arztes auf die Insel Sansibar ermittelt. Nach der Freilassung aus der U-Haft mit dem Urteil im September 2023 musste der Arzt seinen Pass abgeben und sich zweimal wöchentlich bei einer Polizeidienststelle melden.

Anwalt veröffentlichte Plädoyer-Buch

Die Bochumer Staatsanwaltschaft hatte nicht nur dem Arzt, sondern auch seinem Hauptverteidiger, der während des laufenden Prozesses ein Buch (Kaufpreis 25 Euro) über den Fall veröffentlicht hatte, vorgeworfen, den Strafprozess zur Selbstinszenierung in der coronakritischen Szene missbraucht zu haben.

In der Begründung des nun rechtskräftigen Urteils gegen den Arzt hatte sich das Gericht festgelegt: „Er hat geglaubt, über dem Gesetz zu stehen.“

Im Streit um den Antritt der Gefängnisstrafe drohen dem Arzt bei weiterer Weigerung im für ihn schlimmsten Fall der Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls und eine neuerliche Festnahme. Wann die Staatsanwaltschaft über seine Einwendungen entscheidet, ist derzeit nicht absehbar.