
Joseph Aloisius Ratzinger, Papst Benedikt XVI., liebte die lateinische Sprache. Deshalb beginne ich diesen Brief mit den Worten „de mortuis nihil nisi bene“. Für alle Nicht-Lateiner: Über Tote nichts als Gutes. Diese Anstands-Regel, dass man nicht schlecht über Tote reden soll – schon gar nicht kurz nach deren Tod – soll auch für Benedikt XVI. gelten.
Allerdings ist das bei ihm nicht ganz einfach, denn Benedikt XVI. stand nicht nur als Papst, sondern auch zuvor als Präfekt der Glaubenskongregation heftig in der Kritik. War er in seinen Jahren zuvor als Theologie-Professor und Berater beim Zweiten Vatikanischen Konzil noch offen für Veränderungen in der Kirche und zählte gar zu den Vorkämpfern für eine Modernisierung der Kirche, so war davon schon in seiner Zeit als Erzbischof von München und erst recht seit seinem Wechsel in den Vatikan 1981 nichts mehr zu spüren.
Kompromissloser Verteidiger des Überkommenen
Ratzinger entwickelte sich immer stärker zum kompromisslosen Verteidiger des Überkommenen, dem alle Neuerungen suspekt blieben. Er sah in Veränderungen nicht eine Chance auf eine Neubelebung der Kirche, sondern witterte in ihnen stets zunächst einen Angriff auf den wahren Glauben und die eine Kirche. Entsprechend rigoros und hart fielen denn auch seine Maßnahmen aus, wann immer er die Kirche in Gefahr sah – nicht aus Bösartigkeit oder anderen niederen Motiven heraus, sondern aus der festen Überzeugung, das Richtige zu tun.
Nur Gutes über den Verstorbenen. In diesem Sinne kann man Benedikt auch als tragische Figur beschreiben. Dazu drei Gedanken:
1. Benedikt war ein zutiefst gläubiger, frommer Mensch. Er hielt fest an einer Kirche, wie er sie in seiner Jugend im beschaulichen Bayern erlebt und zutiefst geliebt hatte. An einer Kirche, die selbstverständlich die Maßstäbe vorgibt, an denen sich das ganze Leben aller ausrichtet. In der der Pfarrer der wichtigste Mensch des Ortes und die Kirche der wichtigste Platz der Stadt ist.
Es ist tragisch, dass Benedikt an dieses bayrische Kirchenbild aus den frühen 1950er-Jahren immer noch als Maßstab aller Dinge glaubte, als es längst zusammengebrochen war. Seine Sehnsucht nach der aus seiner Sicht heilen katholischen Welt von einst, musste unerfüllt bleiben. Innerlich hat Benedikt XVI. das nie akzeptieren können.
Der Zwiespalt mit der Gehorsamsmentalität
2. Joseph Ratzinger besaß einen überragenden Intellekt. Er war ein hochgebildeter, feingeistiger Mensch, für den tiefschürfende, hochkomplexe theologische und philosophische Diskussionen das wichtigste Lebenselixier waren. Eigentlich wollte er, als er 2005 mit 78 Jahren schon als alter Mann zum Papst gewählt wurde, nicht eine Weltkirche in der Krise managen, sondern in religiöser Kontemplation theologische Bücher schreiben.
Es ist tragisch, dass die Kirche ihm diesen Wunsch nicht erfüllte, sondern ihn in eine Aufgabe drängte, die er letztlich in religiösem Pflichtgefühl auf sich nahm. Diese Gehorsams-Mentalität ehrt ihn persönlich, hat der Kirche allerdings – um es vorsichtig zu sagen – wenig geholfen.
Der Glaube an den Tod als Anfang eines neuen Lebens
3. Dass Benedikt XVI. vor fast zehn Jahren seinen Rücktritt als Papst erklärt hat, zeugt von menschlicher Größe und Einsicht in die eigenen Grenzen. Dennoch hat es auch etwas Tragisches an sich, dass ausgerechnet dieser Rücktritt vom Amt als größte Leistung von Papst Benedikt XVI. in Erinnerung bleiben wird.
Am morgigen Donnerstag wird Joseph Aloisius Ratzinger im Petersdom zu Grabe getragen. Zeitlebens hat er felsenfest daran geglaubt, dass der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang eines neuen Lebens sein wird. Möge sein Wunsch in Erfüllung gehen.
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