Seitdem die Hausärzte Corona-Impfstoff verimpfen, hat die Gemeinde Holzwickede große Fortschritte gemacht. Für Mediziner kann die Macht über die Dosen aber auch eine schwere Bürde sein.
Bis Anfang April sind Holzwickedes Hausärzte für Impf-Aktionen ausschließlich in das kommunale Impfzentrum in die Hilgenbaumhalle ausgerückt. Dort haben sie vorwiegend Erzieher und Lehrer geimpft. Seit rund zwei Wochen bekommen sie aber regelmäßig mehrere Dosen Corona-Impfstoff in ihre Praxen geliefert - und versorgen seitdem auch ihre Patienten mit Impfstoff.
Der Arzt Dr. Dirk Westermann zum Beispiel hat im April bislang 125 solcher Dosen verabreicht, bis auf eine Dosis Astrazeneca stammen alle vom Hersteller Biontec. Die Zahl der Dosen variierte bisher von Woche zu Woche: „Das ist jedes Mal anders“, sagt Westermann. Mal habe er eine Lieferung mit einer Handvoll Corona-Impfstoff zugestellt bekommen, mal ein bis zwei Dutzend. Nächste Woche solle jeder Arzt jedenfalls nochmal mehr als 30 Dosen bekommen.

Egal ob in der Hilgenbaumhalle oder in den Praxen: Mit den Corona-Impfungen ist ein großer bürokratischer Aufwand verbunden, der den Ärzten viel Zeit raubt. © Martin Krehl
Bezogen auf seine Praxis an der Allee 3 in Holzwickede könnte es von der Kapazität noch mehr sein: „Es würde mehr gehen, aber man müsste es dann anders organisieren“, sagt der Allgemeinmediziner. Momentan sei sein Praxis-Team durchaus ausgelastet. Bekäme man plötzlich mehr Dosen, würden vor allem Kapazitäten der Sprechstundenhilfen wegfallen.
Hausärzte müssen bei Impfungen abwägen
Die Schwierigkeit liege momentan eher darin, dass die Hausärzte mitunter schwierige Entscheidungen treffen müssten. „Jeder pflegt auf einmal irgendwen“, sagt Westermann, spielt damit auf die Möglichkeit an, sich über eine Bescheinigung eines älteren Familienmitgliedes in die Priorisierungsgruppe 2 einordnen zu lassen und einen Impfstoff zu bekommen.
Hinzu kommt zum Beispiel die Gruppe von werdenden Vätern, die ihre schwangeren Frauen schützen möchten. Mit Blick darauf, dass viele über 70-Jährige noch nicht geimpft wurden, ist das laut Auffassung des Allgemeinmediziners eine schwierige Situation.
Westermann lässt dabei durchklingen, dass mutmaßlich nicht jeder auch wirklich für die kranke Oma einkaufen geht: „Wir müssen dann abwägen. Gebe ich den Impfstoff einem werdenden Vater oder gebe ich die Dosis einem 78-Jährigen mit einer Lungenvorerkrankung“, sagt er, wohlwissend dass die Beantwortung dieser Frage subjektiv zu beurteilen ist.
Patienten müsste er seine Entscheidung ein ums andere Mal erklären. Der werdende Vater wundere sich dann, weil er immerhin einen Anspruch auf die Impfung hat. Und auch insgesamt gebe es rund ums Thema Impfen sehr viel Beratungsbedarf. „Wer noch nicht dran war, der will bei jedem Termin wissen, wann es endlich soweit ist“, so Westermann.
Er würde sich für die nächste Zeit jedenfalls wünschen, dass er vor den Impfungen mehr Vorlauf hat: „Wir hätten gerne vorher die Information bekommen, wie viele Impfdosen wir geliefert kriegen. Wenn´s mehr werden sollten, dann sind wir auch bereit, am Wochenende zu impfen.“
Astrazeneca: „Wer die erste gut vertragen hat, der wird die zweite auch gut vertragen“
Zur Diskussion um den Stoff von Astrazeneca, der jetzt in mehreren Bundesländern auch für die unter 60-Jährigen wieder freigegeben worden ist, möchte er sich nicht wirklich äußern, sieht bislang keine Notwendigkeit: „Da wir momentan genug Biontec haben, würde ich mich nicht in die Diskussion einmischen.“ Wer bisher mit Astrazeneca geimpft wurde, der könne seiner Auffassung nach auch die Folgeimpfung bekommen: „Wer die erste gut vertragen hat, der wird die zweite ähnlich gut vertragen.“
Dr. Udo Pappert, der auch bei den Impfaktionen in der Hilgenbaumhalle dabei war, hat in seiner Praxis bisher 64 Impfdosen verimpft. „Wir haben bisher leider nicht mehr Impfstoff zugeteilt bekommen“, sagt er.

Hat in seiner Praxis bislang 64 Dosen Corona-Impfstoff verimpft: der Holzwickeder Hausarzt Dr. Udo Pappert. © Christian Greis
Davon waren 41 Impfdosen von Biontech und 23 von Astrazeneca. Auch er wartet auf die nächste Lieferung von rund 30 Impfdosen. „Etwas steigern könnten wir die Anzahl der Impfdosen schon noch, jedoch wird es dann immer schwieriger dies in den laufenden Praxisalltag zu integrieren“, erläutert der Allgemeinmediziner mit Praxis am Markt.
Wegen Abstand und Hygiene: Aus 16 Wartezimmerstühlen wurden 6
Zum einen gebe es immer noch einen gewissen Bürokratieaufwand, dazu zählen Aufklärungs-und Einwilligungsbögen, Einträge in Impfpässe oder Ersatzbescheinigungen, Computerdokumentation, tägliche Meldungen an die Kassenärztliche Vereinigung.
Zum anderen sei „ein besonderes Problem“ die Tatsache, „dass bei uns aus ursprünglich 16 Wartezimmerstühlen mittlerweile nur noch sechs geworden sind, um Abstand halten zu können. Die Patienten kommen oft schon vor dem eigentlichen Impftermin und müssen ja nach der Impfung noch 15 bis 30 Minuten in der Praxis verweilen“, sagt Pappert.
„Hier kommt man mit den Räumlichkeiten in einer normalen Hausarztpraxis schnell ans Limit des Möglichen. Zumal wir ja noch zusätzlich die Patienten in den Sprechstunden behandeln müssen. Sollten wir in den nächsten Monaten mehr Impfstoff bekommen, bedeutet das für unsere Mitarbeiterinnen weitere Überstunden. Da haben es Gemeinschaftspraxen in der Regel einfacher“, findet er.
1993 in Hagen geboren. Erste journalistische Schritte im Märkischen Sauerland, dann beim Westfälischen Anzeiger in Werne. Spielt in seiner Freizeit gerne Handball und hört Musik.
