
© Birgit Hupfeld
Ist das Dortmunder Theaterstück „Parallelwelt“ teurer Senf oder tolles Theater?
Berliner Presse kritisiert
Die Berliner Theaterkritiker haben super-scharfe Zungen. Wir verraten, wie das Dortmunder Theaterstück „Parallelwelt“, das zugleich in Dortmund und Berlin spielt, bei ihnen angekommen ist.
Eine Inszenierung, die zeitgleich in zwei Städten stattfindet, ermöglicht per Glasfaserkabel und Videoschalte. Das ist „Die Parallelwelt“ von Intendant Kay Voges, die im Sepetember Simultan-Premiere am Schauspiel Dortmund und am Berliner Ensemble feierte. Wie erlebten die Kritiker in der Hauptstadt das Projekt? Hier der Überblick.
Tagesspiegel: aufwändig
Natürlich sei diese Koproduktion „künstlerisch eine verdienstvolle Angelegenheit“, schreibt Christine Wahl im Tagesspiegel, „weil selbst die Bühnenbranche kaum an der digitalen Revolution vorbeikommen dürfte, wenn sie in ein oder zwei Jahrzehnten noch Zuschauer haben will“. Allerdings falle die Bühnenpraxis, „vom technisch-logistischen Aufwand und der Bildregie abgesehen“, doch „konventionell aus“. Fazit: „Theoretisch interessant, konzeptionell verdienstvoll – und inhaltspraktisch mit noch viel Luft nach oben“.
taz: Netflix auf der Bühne
Auch die taz bleibt verhalten: „Die Parallelwelt“ sei „Kay Voges‘ ganz großer und teurer Senf zur ungelösten Frage, was die Erkenntnisse der theoretischen Physik für unser alltägliches Leben bedeuten können“, so Max Florian Kühlem. „In der langen, parallelen Geburts- und Sterbeszene zur Eröffnung ist das Stück pathetischer Fernsehfilm und man stöhnt insgeheim: ‚Der ganze Aufwand, um Netflix Konkurrenz zu machen?‘“
Berliner Zeitung: schön
„Eine leicht surreale Mystery-Choreografie, die perfide genau auf das produktive Chaos zusteuert, in der quantisch korrekt Theater, Spiel und Welt aus allen Angeln fliegen“, hat Doris Meierhenrich für die Berliner Zeitung erlebt. „Das ist bildschön anzusehen(...). Nur fällt nicht wirklich Neues dabei ab“.
Morgenpost: begeistert
Die Berliner Morgenpost wiederum ist begeistert: der Abend habe „eine ungemeine Faszination, weil seine Form exakt das Thema spiegelt, das er verhandelt. Beeindruckend elegant führt Voxi Bärenklau (Bildregie und Lichtdesign) die Szenen und Nahaufnahmen der unterschiedlichen Spielorte auf den Leinwänden zusammen. Es ist ein Abend, der in den besten Momenten mit seinen Ideen, Verweisen und Möglichkeiten den Verstand förmlich in seine Einzelteile zerlegt“, so Katrin Pauly.
Radio RBB: zäh
Scharfe Kritik kommt hingegen aus dem Radio: „Die längste Zeit der zähen, durchweg vorhersehbaren zwei Stunden“ wisse Voges „die Anwesenheit realer Schauspieler kaum zu nutzen“, so Barbara Behrendt für den rbb. Verschenkt werde damit die zentrale Frage: „Was hat der Körper dem zweidimensionalen Videobild voraus – und wo siegt die Nahaufnahme über das reale Fleisch und Blut?“