Hugo Egon Balder ist einer der Gründerväter des deutschen Privatfernsehens. Dort ist er seit mehr als 40 Jahren aktiv und moderierte vor allem bei RTL und SAT1. Zudem steht er als Schauspieler auf der Bühne.
Derzeit ist Balder, der am 22. März 75 Jahre alt wird, mit seinem ersten (!) Solo-Programm „Erzählt es bloß nicht weiter!!“ auf Tour. Am 24. Mai tritt er im studio theater Bergkamen auf.
Frage: Herr Balder, ich bin alt genug, um in den frühen 90er Jahren ferngesehen zu haben. Sie ahnen, welche TV-Sendung mir einfällt, wenn ich Ihren Namen höre?
Hugo Egon Balder: Aber natürlich, das ist mir völlig klar.
Tutti Frutti! Nervt es Sie, dass Sie mit einer Sendung in Erinnerung geblieben sind, in der es in erster Linie um nackte Brüste ging und um Spielregeln, die niemand kapiert hat, die aber auch niemanden wirklich interessiert haben? Und nicht zum Beispiel als Produzent von „RTL Samstagnacht“, einer Sendung, die für die Comedy in Deutschland wirklich wegweisend war?
Nein, das nervt mich nicht, das gehört zu meinem Leben dazu. Es ist freiwillig passiert, ich hätte es ja nicht machen müssen. Wir haben natürlich alle damals damit gerechnet, dass es einen Aufschrei gibt. Aber dass es so einen großen Aufschrei gab, war schön für den Sender.
Und dass viele Leute die Spielregeln nicht verstanden haben, war natürlich ein Glücksfall. Weil die hinterher gesagt haben: Ich gucke das nur, weil ich die Regeln verstehen will. Das ist genauso wie mit den Leuten, die sagen, sie kaufen den „Playboy“ nur, weil da so wahnsinnig geile Interviews drinstehen.

Und der Aufschrei oder der Tabubruch, wenn es denn einer war, der war einkalkuliert?
Ja natürlich. Wenn man so etwas in der heutigen Zeit machen würde, würde es keine Katze interessieren.
„RTL wurde als ,Tittensender‘ bezeichnet“
Sie sind so etwas wie das Urgestein des deutschen Privatfernsehens. Als Sie damals anfingen, haben das manche als Fernsehrevolution gedeutet. War das eine? Wenn ja, was hat sie bewirkt, was spürt man davon 40 Jahre später noch im heutigen Fernsehen?
Na ja, es hat schon einiges bewirkt. Ich war vorher jahrelang bei Radio Luxemburg. Und da bleibt es nicht aus, dass man dann irgendwann zum Fernsehen wechselt. Und als RTL Plus stattfand, war das in Luxemburg in einem kleinen Räumchen. Da hat man natürlich nicht gedacht, was das mal für ein Sender wird.
Als man den damaligen Chef Dr. Thoma gefragt hat, was er denn anders machen würde als die Öffentlichen-Rechtlichen, da hat er gesagt, er hätte etwas entdeckt. Da haben die Leute gefragt, was haben Sie denn entdeckt? Und da hat er gesagt: den Zuschauer! Und so war das dann auch. Natürlich wurde RTL Plus am Anfang als „Tittensender“ bezeichnet.
Aber es gab auch Menschen wie Peter Klöppel oder Hans Meiser, die sich bemüht haben, ein bisschen Seriosität reinzubringen. Für uns war das toll. Es gab keine Zuschauerquoten. Wir konnten machen, was wir wollten. Es war richtig anarchisches Fernsehen. Da hat sich vieles geändert bis heute.
Was zum Beispiel?
Heute geht das nicht mehr so schnell. Heute kann man nicht zu einem Sender gehen und sagen, ich möchte das gerne machen und dann kriegt man sofort ein Ja oder ein Nein. Das kann heute Jahre dauern.

Auch, wenn Sie vorher Rundfunk gemacht haben, sind Sie durch das Fernsehen bekannt geworden. Aber Sie waren in den 70er Jahren auch Mitglied des Schiller-Theaters in Berlin und haben in den 80er Jahren im „Kommödchen Düsseldorf“ Kabarett gemacht, mit Harald Schmidt und der Kabarett-Legende Lore Lorentz. Sie können sich also durchaus ins Feuilleton trauen. Gibt es den TV-Balder und den Kultur-Balder oder wäre das eine künstliche Trennung?
Man war ja jünger und – wie gesagt – die Zeiten waren andere. Der Anreiz, ein bisschen Geld zu verdienen, war nicht schlecht. Ich war sieben Jahre am Schiller-Theater, da verdient man wirklich nicht viel. Wir haben alle geknausert. Dann hatte man plötzlich die Möglichkeit, dass man ein bisschen was verdient.
In dem Alter hat man auch nicht mehr so genau geguckt, ist das richtig, was ich hier mache. Aber in der Zeit bei Radio Luxemburg, als Frank Elsner mein Chef war, habe ich gelernt, man muss auch ein bisschen kommerziell denken. Und dass man, je älter man wird, seine Einstellung zu einigen Sachen verändert, das ist absolut normal.

In Bergkamen präsentieren Sie ihr erstes Solo-Programm. Sie werden bei ihrem Auftritt am 24. Mai im studio theater ihren 75. Geburtstag hinter sich haben. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Für einen Debutanten ist das ja schon ein reifes Alter. Was hat Sie bewegt, nach so vielen Jahren im Fernsehstudio zu sagen: Jetzt stelle ich mich mal ganz allein auf die Bühne?
Auftritt im Mai
Hugo Egon Balder tritt am Samstag 24. Mai im studio theater in Bergkamen mit seinem Programm „Erzählt es bloß nicht weiter!!“ auf. Beginn ist um 20 Uhr. Karten zum Preis von 30 Euro gibt es unter tickets.bergkamen.de
Na ja, ich bin ja Spätzünder. Das war ich schon immer. Ich habe jetzt vor kurzem, nach 62 Jahren, aufgehört zu rauchen. Ich habe mit 43 Jahren erst schwimmen gelernt. Ich war einer der Letzten, die ein iPhone hatten. Also bei mir kommt alles ein bisschen später. Die letzten 16 Jahre habe ich neben dem Fernsehen Theater gespielt, und zwar die ganze Zeit.
Und wenn man Theater spielt, dann muss man auf Tour gehen. Wir waren die letzten zweieinhalb Jahre vielleicht insgesamt anderthalb Monate zu Hause. Da habe ich dann irgendwann gesagt, jetzt mache ich mit dem Theater mal Pause. Obwohl es großen Spaß macht, Theater zu spielen. Aber zu Hause rumsitzen kann ich auch nicht. Und dann kamen mehrere Leute und sagten: Erzähl doch mal deine Geschichten. Ich habe gesagt: Das interessiert doch keinen. Dann haben sie gesagt: doch. Jetzt mache ich das.

In der Ankündigung ist zu lesen, dass Sie dem Publikum in ihrem Programm „Erzählt es bloß nicht weiter!!“ einen Blick hinter die Kulissen Ihres Lebens geben. Sie haben eben selbst gefragt, wen das interessieren soll. Warum glauben Sie, dass sich das Publikum dafür interessiert? Und was hat das Publikum in Bergkamen zu erwarten? Wird das die Lebensbeichte eines Entertainers?
(Lacht) Auch, es ist alles drin. Ich erzähle viel von meinem beruflichen Leben. Die meisten Leute denken ja, dass die Fernsehleute alle schwierig sind, eine Macke haben und alle nur koksen und nur saufen. Das ist nicht so. Und die meisten Leute denken, dass alle Theater-Schauspieler großartige Menschen sind und großartige Künstler. Das ist auch nicht so.
Es sind alles normale Leute und es passiert viel hinter den Kulissen. Wenn ich auf „Tutti Frutti“ angesprochen werde, dann sagen gerade die Herren: „Mensch, wir beneiden dich!“. Dann muss ich denen an dem Abend leider sagen: Ich erzähle euch mal, was da wirklich los war. Das ist alles sehr komisch, was da rauskommt. Dann kommt noch hinzu, dass ich fünfmal verheiratet war. Also mein Privatleben ist auch nicht ohne.
„Das Publikum muss sagen: Das war ein toller Abend“
Was ist bei diesem Programm ihre Hauptmotivation? Wollen Sie Ihr Publikum ausschließlich gut unterhalten oder gibt es da noch andere Motive?
Nee, ich möchte einfach das Publikum gut unterhalten. Die müssen nach zwei Stunden rausgehen und sagen, das war ein toller Abend. Punkt.

Ist in so einem Unterhaltungsprogramm Platz für die schrecklichen Aspekte Ihrer Familiengeschichte? Ihre jüdische Mutter Gerda Balder hat das KZ Theresienstadt überlebt, worüber Sie vor zehn Jahren in dem Fernsehfilm „Mit dem Mut der Verzweiflung“ berichtet haben. Spielt das auch eine Rolle oder lässt man das außen vor bei so einem Auftritt?
Sowas lasse ich dann lieber außen vor. Es gibt einige Sachen, die ich über mich erzähle, die darauf zurückgehen, dass meine Mutter eben einiges erlebt hat und so geworden ist, wie sie war. Und ich auch so bin, wie ich bin. Das hat einen Grund. Das wird aber von mir nur angedeutet. Ich möchte die Leute mit diesen Geschichten wirklich nicht an diesem Abend überfordern. Es ist immer ein schmaler Grat zwischen Drama und Komödie. Da muss man aufpassen.
Können Ihnen die Zuschauer in Bergkamen alles glauben, was Sie auf der Bühne erzählen?
Das überlasse ich den Zuschauern. Aber es ist zu 99 Prozent die Wahrheit.