Intendantin dreht durch Schauspiel Dortmund eröffnet Saison mit Stückentwicklung

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Das Schauspiel Dortmund will wieder den Kapitalismus abschaffen. Mit der Eröffnungspremiere „Das Kapital: Das Musical“ in der vergangenen Spielzeit hatte es nicht geklappt, wie Antje Prust in der Rolle der Intendantin Bettina Kunstmann entsetzt feststellt. Das Stück sei erfolgreich gewesen, habe aber nur Unterhaltung geliefert.

Also neue Spielzeit, neuer Versuch: Mit „Dantons Tod und Kants Beitrag“ eröffnete das Schauspiel Dortmund am Samstagabend die Saison. Auch in dieser Theatersatire, die wie im Vorjahr wieder Regisseur Kieran Joel inszeniert hat, geht es um die Relevanz von Theater. Mit dem sechsköpfigen Ensemble und Dramaturgin Marie Senf hat der Regisseur das Stück nach Georg Büchners Klassiker von der Französischen Revolution entwickelt.

In der Theatersatire rätseln (v. l.) Viet Anh Alexander Tran, Alexander Darkow und Lukas Beeler, wie sie ihre größenwahnsinnige Intendantin wieder zur Vernunft bringen können.
In der Theatersatire rätseln (v. l.) Viet Anh Alexander Tran, Alexander Darkow und Lukas Beeler, wie sie ihre größenwahnsinnige Intendantin wieder zur Vernunft bringen können. © Hupfeld

In einem in Bühnennebel gehüllten Pappmasche-Wald von Bühnenbildner Justus Saretz tritt die herrische Intendantin auf und beginnt schön schrecklich vom Misserfolg von „Das Kapital: Das Musical“ zu singen (Musik und Songs: Leonardo Mockridge).

Zunächst macht sie ihre Schauspieler Alexander Darkow, Lukas Beeler, Sarah Quarshie und Viet Anh Alexander Tran nieder, die das Theaterstück für einen Erfolg halten. Die neue Inszenierungsidee kommt vom neuen Ensemblemitglied Fabienne-Deniz Hammer: Ein Stück über die Revolution. Da bietet sich natürlich „Dantons Tod“ an. Beim Teambuilding im Wald schwört die Intendantin ihr Ensemble auf die neue Spielweise ein. Denn die Größenwahnsinnige will im Kant-Jahr mit ihrem Theater endlich die Welt verändern.

Fiktion und Realität

Von den unglaublichen Vorgängen im Schauspielhaus berichtet Katrin Osbelt als aufgeregte Reporterin per Video, während auf einer die Bühne dominierenden Holzkonstruktion aus zwei Etagen die Schauspieler ihre „Alltagskleidung“ gegen historische Kostüme, die Tanja Maderner entworfen hat, tauschen und sich mit (Theater-) Blut übergießen.

Das Spiel kann beginnen, die Rollen sind verteilt. Fiktion und Realität vermischen sich zunehmend. Die despotische Intendantin, die geduzt werden will, gibt natürlich Robespierre und wird von der Neuen als St. Just unterstützt.

Guillotine wird gebaut

Unter Verwendung von Büchners Text überlegen die Schauspieler, die Danton, Camille und Hérault verkörpern, wie man die Intendantin wieder zur Vernunft bringen könnte. Sollen denn wirklich ihre Köpfe rollen? Per Video wird der Bau der Guillotine gezeigt.

Auch das Volk meldet sich zu Wort: Sarah Quarshie steckt in einem weißen Krinoline-Kleid, das mit „Volk“-Wörtern bedruckt ist, und fordert ziemlich überdreht einen Monolog ein. Den die Intendantin nicht gewährt.

Weniger unterhaltsam

Am Ende der 105-minütigen Aufführung stehen die drei Konterrevolutionäre im Gitterkäfig. Doch bevor sich das Fallbeil senkt, stürmt Sarah Quarshie herein und verkündet, dass es mit der Weltveränderung geklappt hat.

Der Schluss der Inszenierung wirkt recht aufgesetzt. Die Produktion ist weniger unterhaltsam als die Eröffnungspremiere der vergangenen Spielzeit. Und Kritik an dem Stück üben die Mimen gleich selbst im zweiten Akt: retardierende Momente und keine Figurentwicklung. Vermutlich gab es deshalb nur anerkennenden Applaus für das engagierte Ensemble-Spiel und keine Ovationen im Stehen wie bei „Das Kapital: Das Musical“.

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Weitere Aufführungen

Termine: 22. 9., 2. / 12. / 16. 10.2024; Karten: Tel. (0231) 502 72 22.

www.theaterdo.de

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