„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ Margarete von Trotta häuft Klischees an

Von Kai-Uwe Brinkmann
„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“: Margarete von Trotta häuft Klischees an
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Vor der „Lichtburg“ spricht Margarete von Trotta am Montag zum Vorwurf, ihr Film über Ingeborg Bachmann und Max Frisch reihe Indiskretionen aneinander und schlachte gegen Bachmanns Willen deren Privatsphäre aus.

„Kafka wollte auch, dass sein Nachlass vernichtet wird. Welche Schätze wären uns verborgen geblieben, wenn sein Freund Max Brod Kafkas Wunsch gefolgt wäre?“

Der Vergleich mit Kafka hinkt, wie die Vorführung von „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ zeigte. Vier Jahre waren Bachmann und Frisch ein Paar, eine „toxische“ Beziehung, wie man heute sagen würde.

Kennenlernen in Paris

Der Film erzählt vom Treffen in Paris, von schneller Annäherung, dem Wunsch nach mehr, einer Lebensgemeinschaft in Zürich, Bachmanns Rückkehr in ihr geliebtes Rom. Angeblich basiert von Trottas Skript nicht auf den veröffentlichten Briefen der beiden, man fragt sich aber, worauf dann? Auf Annahmen?

Dieser Blick durchs Schlüsselloch steckt jedenfalls voller Klischees. Hier eine psychisch fragile, ätherische Frau, dort der rustikalere, immer eifersüchtige Mann, dessen „Besitz“ sie nicht sein will. Der schwarze Peter geht an Frisch, Bachmann ist das Opfer, das ihn ihren Mörder nennt.

Ronald Zehrfeld und Vicky Krieps, die Hauptdarsteller in dem Film, kamen zur Premiere in die Lichtburg in Essen.
Ronald Zehrfeld und Vicky Krieps, die Hauptdarsteller in dem Film, kamen zur Premiere in die Lichtburg in Essen. © Brinkmann

Die Szenen aus dem Privaten brechen die Charaktere kaum auf. Frisch will seiner „Versteinerung“ entkommen, Bachmann sucht Geborgenheit und Glück in einer Welt, mit der sie hadert.

„Du hättest abwaschen können, früh auf warst Du ja“, sagt Ingeborg. „Ich habe gearbeitet, was Dir offenbar nicht gelingt“, entgegnet Max. „Weil das Gehämmer auf Deiner Kalaschnikow-Schreibmaschine mich noch wahnsinnig macht!

Panoramen der Wüste

Der Film häuft viele solcher Petitessen an. Dialoge klingen leitmotivisch gestelzt, lebensprall wirkt fast nichts. Krieps ist gut im Leidensfach (siehe „Corsage“), guckt aber oft nur bekümmert. Zehrfeld fremdelt sichtlich mit seinem Part. Wer war Max Frisch, fragt sich auch der Kinogänger.

Nach der Trennung fährt Bachmann nach Ägypten. Die Reise beschert uns Panoramen der Wüste und ihr ein Stelldichein mit gleich drei Männern. Will man das wissen – und sehen? Kafkas Nachlass barg große Texte, von Trotta verwurstet nur Privat-Pikantes zu steifer Klatsch-Kolportage und verunglückter Ikonenmalerei. Ab dem 19. Oktober 2023 im Kino.

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