Er habe einen Polizei-Kollegen gekannt, der sagte, es gebe Mordfälle, die einen auffräßen und verfolgten, erzählt der Kommissar der Richterin. „Ich hielt das für Geschwätz. Heute weiß ich, wie es sich anfühlt.“
Kripo-Mann Yohan (überzeugend; Bastien Bouillon) hat selbst einen nie geklärten Mord am Hals und auf der Seele, der ihn schon drei Jahre quält. Alle Spuren, alle Verhöre führten ins Nichts, niemand wurde angeklagt, der Mord an Clara bleibt ungesühnt.
Anhaltende Spannung
„In der Nacht des 12.“ ist ein durch und durch ungewöhnlicher Kriminalfilm aus Frankreich, der schon dadurch mit den Konventionen des Genres bricht, dass er uns früh wissen lässt, es handele sich um einen bis heute offenen Fall.
Man könnte meinen, damit zöge Regisseur Dominik Moll jeglicher Spannung den Stecker. Aber nein - sein Film ist trotzdem packend, thrillert aber auf einer komplexeren Ebene als die gängige Täterjagd samt Entlarvung.
Phänomen „Femizid“
Was Moll interessiert, ist die Konditionierung einer sexualisierten Männerwelt, die Frauen als „Schlampen“ betrachtet. Bei angeblichen Verfehlungen reagieren die Kerle mit brutaler Gewalt. Misshandlung und Mord sind an der Tagesordnung, in der Zeitung stehen bloß die Fälle, die zur Anzeige kamen. Ein globales Phänomen, für das der Begriff „Femizid“ geprägt wurde.
Inspirieren ließ sich Dominik Moll (mit Gilles Marchand auch Drehbuch) von einem Sachbuch, das Pariser Ermittlern gewidmet ist. Dort taucht ein Kommissar Yohan auf, der Vorlage für den Yohan des Films ist.
Brutaler Mord
„In der Nacht des 12.“ beginnt mit dem Mord an der 21-jährigen Clara, die sich von ihrer Freundin verabschiedet und nach Hause geht. Ein Kapuzenmann lauert in der Dunkelheit, schüttet Flüssigkeit auf sie und zündet sie an.
Yohan, frischgebackener Chef der Mordkommission, ermittelt. An seiner Seite steht mit Marceau (gut: Bouli Lanners) ein erfahrener Kollege, deprimiert von langen Jahren im Polizeidienst. Er wird rabiat und übergriffig, als er Carlas Ex-Liebhaber verhört: „Da laufen Kerle herum, die Frauen ins Krankenhaus prügeln, und was tun wir? Wir schreiben Berichte, die keiner liest.“
Nah an der Reportage
Yohan und Marceau vernehmen einen Freund von Carla, der ihr nach der Trennung einen Rap-Song widmete, in dem er sagt, er werde sie abfackeln. „Ich hab nichts getan, sind doch bloß Worte!“ Marceau würde dem Kerl liebend gern eine reinhauen vor Wut.
In schmucklos grauen Bildern nah an der Reportage fängt der Film den Alltag von Fahndern ein, die sich vorkommen wie der Reparaturdienst einer Gesellschaft ohne moralischen Kompass. „Es stimmt nicht zwischen Männern und Frauen“, meint Johan. Doch Polizisten wie er können es nicht richten. Ein schmerzlich starker, gehaltvoller Film.
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