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Impf-Vordrängler müssen aus ihren leitenden Positionen entlassen werden
Meinung
Bischof, Klinik-Chefs, Bürgermeister und Landräte - viele drängeln sich bei der Corona-Impfung schamlos vor. Unser Autor meint: Sie sind für Führungsaufgaben ungeeignet, gehören hart bestraft.
Nichts, wirklich gar nichts sorgt derzeit für so große Empörung wie die Impfvordrängler. Menschen also, die ihre Macht missbrauchen, um sich eine Impfung gegen das Coronavirus zu erschleichen, obwohl sie noch längst nicht an der Reihe wären. Die Empörung ist völlig berechtigt.
Bürger- und Oberbürgermeister, Landräte, Ratsherren bis hin zu Geistlichen wie dem Augsburger Bischof Bertram Meier - die allesamt Vorbilder sein und sich ganz hinten einreihen sollten, drängeln sich an allen vorbei, die gefährdeter sind als sie selbst. Nach den vom Deutschen Ethikrat aufgestellten Kriterien wären sie erst in Monaten an der Reihe gewesen.
Es geht weder um Mogeln noch um Schummeln
Dass sie sich vorbeigeschmuggelt haben, begründen die beim Mogeln Erwischten nicht selten mit abenteuerlichen Argumenten. Wobei das Wort „mogeln“ das absolut falsche Wort ist. Es geht hier nicht um eine Schummelei wie beim Skat oder Monopoly. Hier geht es darum, dass Macht-Menschen letztlich einem anderen Menschen eine Impfung stehlen, die diesen in letzter Konsequenz möglicherweise vor einer schweren Erkrankung oder gar dem Tod bewahrt hätte. Das ist kein Mogeln, das ist zutiefst verabscheuungswürdiges Handeln.
Besonders heftig in die Kritik geraten sind in den vergangenen Tagen der 31-jährige Bürgermeister aus Hennef, gegen den inzwischen ein Arzt sogar Anzeige erstattete, und die beiden Vorstände der Mathias-Stiftung in Rheine, die unter anderem sechs Krankenhäuser im Münsterland betreibt. Letztere schafften es mit ihrem skandalösen Verhalten sogar in die Süddeutsche Zeitung und die Tagesschau. Mit den Berichten flog auf, dass sich die beiden Mathias-Chefs am 3. Februar – also innerhalb der Gruppe mit der höchsten Priorität – impfen ließen, obwohl sie erst in der 3. Gruppe in ein paar Monaten dran gewesen wären.
Der krasse Fall der Mathias-Stiftung Rheine
Die Mathias-Stiftung beschreibt den Grundpfeiler ihres Handelns selbst so: „Unsere Stiftung verfolgt ausschließlich und unmittelbar christliche, gemeinnützige und mildtätige Zwecke zur Förderung und Durchführung von Tätigkeiten der Caritas, der Alten- und der Gesundheitspflege.“ Wie sich das mit dem Verhalten der beiden Männer an der Stiftungs-Spitze vereinbaren lässt, kann man durchaus als Rätsel einstufen.
Am Wochenende verbreiteten die beiden Mathias-Vorstände jedenfalls eine dreiseitige Rechtfertigung, die alles nur noch schlimmer macht. Zum einen räumten sie dabei ein, dass bereits vor dem 2. Februar Chefarzt-Sekretärinnen geimpft wurden. Zu dieser Zeit war laut Medienberichten zumindest in einem der zur Stiftung zählenden Krankenhäuser noch nicht mit der Impfung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begonnen worden.
Eine ungeheuerliche Begründung
Geradezu ungeheuerlich ist die Begründung der beiden Vorstände, dass sie erst geimpft worden seien, nachdem „alle Impfwilligen aus patientennahen Bereichen mit abgeschlossener Ausbildung unserer Akutkrankenhäuser“ geimpft worden seien. Wie bitte? „Abgeschlossene Berufsausbildung“ als Voraussetzung für eine Impfung? Vielleicht auch ein Intelligenztest vor dem Piks?
So eine Zugangsvoraussetzung gibt es nicht und gäbe es sie, wäre das ein Riesen-Skandal, hieße es doch nichts anderes als: Erst der Verwaltungschef, dann die Pflegeschüler, die Putzkräfte, die Bundesfreiwilligendienstleister, die angehenden Ärzte, Praktikanten, die alle um ein Vielfaches gefährdeter sind als die beiden Verwaltungschefs in ihren Vorstandsbüros. Eine solche Äußerung ist menschenverachtend. Sie gar als rechtfertigendes Argument für das eigene Vordrängeln anzuführen, disqualifiziert diese Menschen für jede leitende Aufgabe.
Glaubwürdigkeit aller Führungskräfte bedroht
Ganz abgesehen von alledem hat das Thema noch eine tiefere Dimension. Seit einem Jahr werden im Prinzip allen Menschen in unserem Land extrem harte Prüfungen auferlegt. Die Akzeptanz aller einschränkenden Maßnahmen hängt entscheidend von der Glaubwürdigkeit aller Führungspersönlichkeiten ab. Wenn sich in der Bevölkerung der Eindruck ausbreitet, dass „die da oben“ doch nur zuallererst an sich selbst denken, wäre das fatal. Daher gehören Impfvordrängler entlarvt, von Führungsaufgaben entbunden und hart bestraft.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, ebenso wie die Stiftung Patientenschutz, sehen das mit der Bestrafung zumindest so. Damit befinden sie sich auf einer Linie mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Der hat ebenfalls Maßnahmen gegen Impfvordrängler angekündigt. Zufällig stammt Spahn aus der Region Rheine. Am besten fängt er mit der Bestrafung von Impfvordränglern daher quasi vor seiner Haustür an. In Rheine gäbe es für ihn Lohnendes zu tun.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
