Die Ecke Brucknerstraße/Johann-Sebastian-Bach-Straße kann man mit einiger Berechtigung als beschaulich bezeichnen. Der Verkehr in diesem Bereich des Nordviertels ist gemäßigt, die Bebauung, die vermutlich größtenteils aus den 50er-Jahren stammt, schwankt zwischen hübsch-gemütlich und zurückhaltend-bescheiden. Man muss nicht zwangsläufig von Idylle sprechen, doch wenn man es täte, so wäre diese aktuell in Gefahr.
Das mutmaßen zumindest einige Anwohner an der genannten Ecke, und dafür glauben sie triftige Gründe zu haben. Tatsächlich gibt es ganz konkrete Pläne, das schon seit einiger Zeit leer stehende Haus Johann-Sebastian-Bach-Straße 2 abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Kein ungewöhnlicher Vorgang, aber die Dimension der geplanten Bebauung übertrifft die des Bestandsgebäudes doch gewaltig.

So sollen aus derzeit zwei Vollgeschossen und einem Satteldach künftig drei Vollgeschosse plus Staffelgeschoss werden, und das auf einer mehr als doppelt so großen Grundfläche wie bisher. Und für die nötigen Stellplätze soll obendrein eine Tiefgarage sorgen. Für mindestens acht Nachbarn ist klar: So geht’s nicht. Doch die Bauherren und Architekten, die gleichermaßen aus Bottrop-Kirchhellen kommen, dürfte der Einspruch erst einmal kaltlassen: Denn sie haben eine Baugenehmigung, ausgestellt von der städtischen Bauordnung am 7. Juli 2023. Und auf Nachfrage im Rathaus erfährt man erwartungsgemäß, dass das nicht zufällig geschehen sei: „Vorausgegangen war wie üblich die Prüfung und Bestätigung, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist“, sagt Stadtsprecher Daniel Maiß.

Das sehen die Anwohner jedoch ganz anders – und so haben sie sich jetzt juristische Unterstützung an ihre Seite geholt: Stellvertretend hat ein direkter Nachbar, dem der geplante Bau bis auf knapp vier Meter auf die Pelle (sprich: die Grundstücksgrenze) rücken würde, eine Kommunalaufsichtsbeschwerde beim Kreis Recklinghausen erhoben. Und inzwischen hat sich auch die obere Bauaufsicht des Kreises der Sache angenommen, was per E-Mail vom 13. März bestätigt wird. Zudem wurden die Bauantragsunterlagen bei der städtischen Bauordnung angefordert, eine Antwort besteht derzeit noch aus.
Der Anwalt des Beschwerdeführers spricht von einem „materiell baurechtswidrigen Bauvorhaben“ in einem Bereich, in dem kein Bebauungsplan existiert. Demnach müsse sich das Bauvorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Und das tue es eben nicht, heißt es in der Beschwerde.
In der Tat scheint allein das Volumen des Gebäudes, in dem insgesamt zehn Wohneinheiten entstehen sollen, diese Behauptung zu bestätigen, aber die Bauherren und Architekten aus Kirchhellen werden sich nicht zuletzt darauf berufen, dass zumindest ein Gebäude auf der anderen Seite der Brucknerstraße in der Spitze minimal höher ist. Man darf gespannt sein, wie die Angelegenheit ausgeht, weil die Entscheidung möglicherweise beispielhaften Charakter für weitere Bereiche des Nordviertels und darüber hinaus haben könnte.