Immer mehr mysteriöse Fälle: Rätsel um den Tod russischer Oligarchen

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Immer mehr mysteriöse Fälle: Rätsel um den Tod russischer Oligarchen

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An der spanischen Costa Brava hat die Polizei die Leichen eines russischen Geschäftsmannes, seiner Frau und seiner Tochter geborgen. Ähnliche Todesfälle scheinen sich zu häufen.

von Martin Dahms

Madrid

, 28.04.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Vielleicht gibt es ein Muster, vielleicht entsteht das Muster nur im Auge des misstrauischen Betrachters. Seit Ende Januar sind sechs reiche russische Geschäftsleute unter mehr oder weniger merkwürdigen Umständen gestorben. Zuletzt der frühere Gashändler Sergej Protosenja, der erhängt im Hof seines Ferienhauses in Lloret de Mar an der spanischen Costa Brava gefunden wurde. Auch seine Frau und seine Tochter starben eines gewaltsamen Todes.

Einen Tag zuvor war in Moskau die Leiche des ehemaligen Vizepräsidenten der Gazprombank, Vladislav Avayev, aufgetaucht, der offenbar erst Frau und Tochter und dann sich selbst erschossen hatte. Journalisten in Spanien und in den USA begannen zu recherchieren und stießen auf vier weitere Todesfälle in diesem Jahr, die ihnen verdächtig vorkamen. Vielleicht gibt es Zusammenhänge, vielleicht nicht.

Die zuständigen Ermittler im jüngsten spanischen Fall gehen von einem Familiendrama aus. In dem Polizeibericht, aus dem am Mittwoch „El País“ zitiert, ist von Blutspuren am Trainingsanzug des 55-jährigen Protosenja die Rede, die darauf hindeuten, dass er erst Frau und Tochter umbrachte, bevor er sich selbst erhängte. Solche Indizien könnten natürlich auch professionelle Killer zuwege bringen.

Sohn glaubt nicht an Theorie der Polizei

Der überlebende Sohn der Familie, der zur Tatzeit in Frankreich war, will jedenfalls nicht daran glauben, dass sein Vater erst die Mutter und die Schwester und dann sich selbst getötet haben soll. „Mein Vater ist kein Mörder“, sagte Fedor Protosenja im Gespräch mit britischen Medien. „Er liebte meine Mutter und besonders Maria, meine Schwester. Sie war seine Prinzessin.“

Skeptisch ist auch Andreu Garrigó, der Gründer und Präsident von Catrus Capital, der Protosenja über Geschäftskontakte kannte. „Viele hier denken, dass es sich um einen Auftrag handeln könnte“, sagte Garrigó im Gespräch mit dem deutschen Fernsehsender RTL. Doch wer der Auftraggeber sein soll, sagte er nicht.

Der tote Protosenja gehörte bis 2015 zum Vorstand des größten privaten russischen Energieunternehmens, Nowatek, und zog sich dann anscheinend als mehrfacher Millionär in den vorzeitigen Ruhestand zurück. Sein Vermögen wird auf gut 300 bis 400 Millionen Euro geschätzt.

Aufsehenerregende Todesfälle häufen sich

Die US-amerikanische Wirtschaftszeitschrift „Fortune“ stellt in einem Artikel von Dienstag die Liste der bemerkenswerten Todesfälle russischer Geschäftsleute in diesem Jahr zusammen. Danach starb Ende Januar Leonid Shulman, ein hochrangiger Gazprom-Manager, offenbar durch Suizid. Vier Wochen später soll sich ein anderer Gazprom-Manager, Alexander Tjuljakow, in der Nähe von Sankt Petersburg erhängt haben.

Drei Tage später starb der russisch-ukrainische Ölbaron Mikhail Watford, ebenfalls erhängt, in der Garage seines Wohnhauses in der britischen Grafschaft Surrey. Am 24. März schnitt sich ein anderer Millionär Vasily Melnikov, mutmaßlich in der Badewanne seiner russischen Wohnung, die Pulsadern auf, nachdem er Frau und zwei Söhne erstochen habe – was seine Nachbarn nicht glauben wollen. Es folgten die Todesfälle Avayev und Protosenja.

Gut möglich, dass der letzte Fall bald zu den Akten gelegt wird, als Doppelmord mit folgendem Suizid. Trotz allen Zweifeln.

RND

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