500 Mark Belohnung für die Ergreifung des Diebes? Die Berliner verfolgen genau, was die Zeitung meldet.

500 Mark Belohnung für die Ergreifung des Diebes? Die Berliner verfolgen genau, was die Zeitung meldet. © Quast

Im Stück „Welt überfüllt“ sind alle von der Depression angefressen

rnTheater Oberhausen

Die Wienerin Anna Gmeyner schrieb ihr Theaterstück „Welt überfüllt“ bereits vor fast 100 Jahren. Doch erst jetzt wurde es im Theater Oberhausen uraufgeführt - inszeniert von Thomas Ladwig.

von Kai-Uwe Brinkmann

02.10.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die gebürtige Wienerin Anna Gmeyner (1902-1991) war eine aufstrebende Dramatikerin und Autorin der Weimarer Republik, die das Schicksal vieler teilte. Mit der Machtergreifung der Nazis aus der Wahlheimat Berlin und ihrem geistigen Habitat verbannt, ging sie 1935 von Paris nach England.

„Automatenbüffet“ markierte 1932 ihren Durchbruch, es wurde vereinzelt aufgeführt, was für „Welt überfüllt“ nicht gilt. Anna Gmeyners Stück über Menschen in der großen Depression feierte erst jetzt Uraufführung – am Freitag im Theater Oberhausen, just zur Eröffnung der Intendanz von Kathrin Mädler.

Glücklich, wer Arbeit hat

Inszeniert von Thomas Ladwig macht uns „Welt überfüllt“ mit einer Riege von Berlinern bekannt, die sich in Zeiten wirtschaftlicher Not mehr schlecht als recht über Wasser halten. Wer in Lohn und Brot steht, darf sich glücklich schätzen.

Hans (Philipp Quest) arbeitet auf dem Bau, seine Freundin Nelly (Ronja Oppelt) ist Verkäuferin im Laden für Herrenkonfektion. Student Erich (Tim Weckenbrock) rennt von Pontius zu Pilatus auf der Suche nach einer Anstellung, er würde seiner neuen Flamme Ursel (Franziska Roth) zu gern etwas bieten können.

Nur Ganoven sind auch in der Krise bei Kasse

In der Krise sind es Ganoven wie Paul Immergrün (Daniel Rothaug), die bei Kasse sind. Er ist Kopf einer Bande, die Fahrgäste einer Straßenbahn ausraubt.

Hans, Nelly, Erich und Ursel standen am Gleis (schöne Idee: Die Bahn „fährt“ im Bühnengraben) und sahen den Täter flüchten. Hans verfolgte ihn sogar.

Räuberpistole kippt ins Sozialdrama

Danach ist er besessen vom Gedanken, den Dieb zu stellen. Es winken 500 Mark Belohnung, so die Zeitung. Die Zeugen ahnen nicht, dass mit Immergrün einer der Gauner bei ihnen war.

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Was als Räuberpistole beginnt, kippt in ein Sozialdrama. Hans verliert seine Arbeit, Nelly ist drauf und dran, sich zu prostituieren, Erich will sich umbringen. Der Frust ist mit Händen zu greifen. Nur Immergrün und Spießgesellen (Khalil Aassy, Jens Schnarre) scheinen noch guter Dinge.

Das Stück könnte Straffungen verkraften

Auf einem Bühnengerüst, in modern angehauchtem Kostüm (Ausstattung: Franziska Isensee) entfaltet sich ein Panorama der Verzweiflung. Gerade von Ronja Oppelt und Philipp Quest ist das eindringlich gespielt.

Aber: Dramatisches Feuer lodert inmitten allgemeiner Misere selten auf. Bei 150 Minuten könnte das Stück Straffungen verkraften, es erzählt in die Breite. Gmeyners humanistischer Impetus ist allerdings zeitlos.

Termine: 5. / 16. / 21. / 22. / 26. / 28. / 29. 10., 19. 11. 2022; Karten: Tel. (0208) 857 81 84. www.theater-oberhausen.de